
Politikwissenschaftliche Bibliotheken: Typologie & Vergleich
Dokumentinformationen
Autor | Simon Schimpf |
Schule | Hochschule der Medien Stuttgart |
Fachrichtung | Bibliotheks- und Informationsmanagement |
Dokumenttyp | Bachelorarbeit |
Sprache | German |
Format | |
Größe | 723.73 KB |
Zusammenfassung
I.Typologie von Politikwissenschaftlichen und Friedensforschungsbibliotheken in Deutschland
Die Arbeit untersucht Spezialbibliotheken in Deutschland, die sich auf Politikwissenschaft und Friedensforschung konzentrieren. Sie analysiert verschiedene Bibliothekstypen, darunter Institutsbibliotheken, Bereichs- und Fakultätsbibliotheken sowie Bibliotheken parteinaher Stiftungen. Ein wichtiger Aspekt ist die Rolle dieser Bibliotheken bei der Sammlung von grauer Literatur, insbesondere von Parteien und Gewerkschaften. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und das System der Sondersammelgebiete (SSG) spielen eine entscheidende Rolle bei der überregionalen Literaturversorgung. Die Arbeit beleuchtet die Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung für diese Bibliotheken.
1. Vielfalt der Bibliothekslandschaft und Forschungsgegenstand
Der erste Abschnitt beschreibt die unterschiedlichen Typen von Bibliotheken in Deutschland, die sich mit Politikwissenschaft und Friedensforschung befassen. Die Quellenlage für die Untersuchung variierte stark; Homepage-Informationen, Jahresberichte und Flyer dienten als Hauptquellen. Zusätzlich wurden einige Bibliotheken direkt per E-Mail kontaktiert. Für drei Bibliotheken (Frankreich-Bibliothek, Bibliothek der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung und Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung) wurden umfangreiche Fragekataloge erstellt und Interviews geführt (Herr Villinger, Herr Dr. Nitz, Herr Dr. Zimmermann). Der Forschungsgegenstand der Subdisziplinen Friedens- und Konfliktforschung ragt teilweise in mehrere angrenzende Fachbereiche hinein, was sich auch in den Beständen der Bibliotheken widerspiegelt; viele Bibliotheken sammeln Literatur aus benachbarten Disziplinen wie Soziologie, Ökonomie, Rechtswissenschaft oder Geschichte. Dies gilt besonders für die Bibliotheken parteinaher Stiftungen und Institute für Internationale Beziehungen. Die enge Verknüpfung der Politikwissenschaft mit ihren Nachbarwissenschaften und die Ausdifferenzierung in Subdisziplinen wie der Friedensforschung werden als wesentliche Aspekte hervorgehoben. Die Max-Planck-Institute werden als Beispiel für stark interdisziplinär ausgerichtete Bibliotheken genannt.
2. Kooperativer Bestandsaufbau und Sondersammelgebiete SSG
Dieser Abschnitt befasst sich mit dem kooperativen Bestandsaufbau in deutschen Bibliotheken seit 1949. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gliedert das Wissenschaftsspektrum in 120 Sondersammelgebiete (SSG), verteilt auf Staats- und Universitätsbibliotheken, zentrale Fachbibliotheken und Spezialbibliotheken. Die SSG wurden in Bibliotheken eingerichtet, die bereits bedeutende Bestände in den jeweiligen Fachgebieten besaßen. Die DFG stellt diesen Bibliotheken Erwerbungsmittel zur Verfügung, um die relevante internationale Literatur möglichst vollständig zu sammeln. Deutschland unterscheidet sich von Ländern wie Großbritannien oder Frankreich, wo Nationalbibliotheken das nationale und internationale Schrifttum zentral sammeln; Deutschland hat eine 'verteilte nationale Forschungsbibliothek'. Das für diese Arbeit relevante Sondersammelgebiet 3.6 "Politikwissenschaft. Friedensforschung" wird von der Staats- und Universitätsbibliothek (SUB) Hamburg betreut. Die SUB Hamburg erhielt 1950 das Sondersammelgebiet "Politik- und Verwaltungswissenschaften", welches später um die Friedensforschung erweitert und die Verwaltungswissenschaften ausgegliedert wurden. Die Richtlinien zur überregionalen Literaturversorgung der DFG vom 08.03.2011 definieren die thematischen Bereiche des Sondersammelgebietes "Politikwissenschaft. Friedensforschung" präzise. Die Entwicklung des Systems der Sondersammelgebiete wird im Kontext der wachsenden Zahl elektronischer Publikationen und der damit verbundenen Herausforderungen für die überregionale Literaturversorgung beleuchtet. Die DFG regte 1998 den Aufbau von Virtuellen Fachbibliotheken an, um einen zentralen Nachweis und Zugang zu gedruckten und elektronischen Veröffentlichungen zu ermöglichen.
3. Bibliothekstypen Institutsbibliotheken Bereichs und Fakultätsbibliotheken
Der Fokus liegt auf der Beschreibung der verschiedenen Arten von Bibliotheken im Kontext der Politikwissenschaft und Friedensforschung. Es wird festgestellt, dass von ursprünglich 18 untersuchten Bibliotheken nur noch fünf reine Institutsbibliotheken sind. Die Mehrheit der Bibliotheken sind Bereichs- oder Fakultätsbibliotheken, die aus mehreren Institutsbibliotheken zusammengefasst wurden. Die Campus-Bibliothek der Universität Heidelberg wird als Beispiel für eine solche Zusammenlegung genannt (Wirtschaftswissenschaften, Politikwissenschaft, Soziologie, Frühjahr 2009). Die genaue Angabe der Bestandszahlen an politikwissenschaftlicher Literatur ist in diesen Fällen schwierig, da auch angrenzende Fachgebiete politikwissenschaftliche Literatur sammeln. Der Anteil politikwissenschaftlicher Literatur beruht deshalb teilweise auf Schätzungen der jeweiligen Bibliotheksleiter. Die Herausforderungen bei der Quantifizierung des Bestands in diesen zusammengeführten Bibliotheken werden deutlich gemacht, da die Literatur aus verschiedenen, angrenzenden Fachbereichen nicht exakt getrennt erfasst werden kann. Die Schwierigkeiten bei der genauen Bestimmung des politikwissenschaftlichen Literaturanteils in Bereichs- und Fakultätsbibliotheken werden betont und die Notwendigkeit von Schätzungen durch die Bibliotheksleiter hervorgehoben.
II.Bibliotheken Parteinaher Stiftungen Konrad Adenauer Stiftung Friedrich Ebert Stiftung Hanns Seidel Stiftung
Die Bibliotheken der parteinahen Stiftungen (KAS, FES, Hanns-Seidel-Stiftung) erfüllen eine Doppelfunktion: Sie versorgen die Mitarbeiter der Stiftungen mit Literatur und sind gleichzeitig öffentlich zugängliche Spezialbibliotheken. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Sammlung von grauer Literatur politischer Parteien. Die Friedrich-Ebert-Stiftung-Bibliothek (ca. 177.000 Bände), die größte ihrer Art, besitzt einen umfangreichen Bestand zu Themen wie Parteienforschung, Soziale Marktwirtschaft, und Internationale Politik. Die Konrad-Adenauer-Stiftung-Bibliothek (ca. 37.000 Bände) konzentriert sich auf christlich-demokratische Politik und Parlamentarismus. Die Hanns-Seidel-Stiftung-Bibliothek (ca. 72.000 Bände) legt den Schwerpunkt auf politische Bildung.
1. Doppelrolle der Stiftungs Bibliotheken und Bedeutung für die Parteienforschung
Die Bibliotheken der parteinahen Stiftungen in Deutschland haben eine Doppelfunktion: Sie dienen der internen Literatur- und Informationsversorgung der Stiftungsmitarbeiter im In- und Ausland, sind aber gleichzeitig öffentlich zugängliche Spezialbibliotheken. Ein wichtiger Aspekt ist ihre überregionale Bedeutung bei der Beschaffung, Erschließung und Bereitstellung von nicht-konventioneller (grauer) Parteiliteratur. Politische Parteien veröffentlichen eine große Menge an Literatur (Broschüren, Jahresberichte, Parteiprogramme etc.), die nicht über den regulären Buchhandel zugänglich ist. Diese Publikationen sind für die Parteienforschung von hohem wissenschaftlichem Wert, werden aber von großen Universalbibliotheken aufgrund des hohen Beschaffungsaufwands oft nur eingeschränkt oder gar nicht gesammelt. Der direkte Kontakt zu den verbreitenden Organisationen ist daher essentiell für den Erwerb dieser oft in kleinen Auflagen erscheinenden Literatur. Durch den engen Kontakt ihrer Trägerinstitutionen zu den politischen Parteien sind die Bibliotheken der parteinahen Stiftungen in einer idealen Position, diese Literatur möglichst vollständig und systematisch zu sammeln. Die Bedeutung dieser Bibliotheken als zentrale Sammelstellen für 'graue Literatur' wird hervorgehoben, da sie einen essentiellen Beitrag zur Parteienforschung leisten.
2. Bestandsgrößen und Schwerpunkte Konrad Adenauer Stiftung Friedrich Ebert Stiftung Hanns Seidel Stiftung
Die Arbeit beschreibt die drei großen Bibliotheken der parteinahen Stiftungen: Die Bibliothek der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Sankt Augustin (gegründet 1976) ist mit ca. 177.000 Bänden und 173 Zeitschriften nach der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung die größte ihrer Art. Ihre Hauptaufgabe ist die Literaturversorgung der Stiftungsmitarbeiter, mit Schwerpunkten auf Parlamentarismus- und Parteienforschung, Sozialer Marktwirtschaft, Internationaler Politik, Europäischer Integration, Geschichte der DDR und der Wiedervereinigung. Eine Spezialsammlung zur Geschichte der Christlichen Demokratie wird ebenfalls gepflegt. 2009 wurden private Sammlungen von Dorothee Wilms und Heiner Geißler integriert. Die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung ist ebenfalls erwähnt, wobei ihre Größe und ihr Bestand an sozialdemokratischer Literatur betont werden. Die Politisch-Historische Fachbibliothek der Hanns-Seidel-Stiftung in München umfasst ca. 37.000 Bände und ca. 190 Zeitschriften. Schwerpunkt ist die politische Bildung, der Parlamentarismus und die politischen Parteien. Zusätzlich werden ausgewählte Veröffentlichungen aus angrenzenden Disziplinen wie Geschichte, Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften gesammelt. Die Stiftung betreibt auch eine Informations- und Dokumentationsstelle, die u.a. Tageszeitungen und Zeitschriften auswertet.
III.Fachinformationsverbund Internationale Beziehungen und Länderkunde FIV IBLK und die Rolle der Frankreich Bibliothek Deutsch Französisches Institut der Hessischen Stiftung Friedens und Konfliktforschung HSFK
Der FIV-IBLK ist ein wichtiger Verbund von Bibliotheken und Dokumentationseinrichtungen im Bereich Internationale Beziehungen und Länderkunde. Die Frankreich-Bibliothek des Deutsch-Französischen Instituts (ca. 40.000 Bände) in Ludwigsburg mit ihrem Schwerpunkt auf deutsch-französischen Beziehungen und französischer Kultur, ist ein Beispiel für eine Institution im FIV-IBLK. Die HSFK-Bibliothek in Frankfurt am Main konzentriert sich auf Friedens- und Konfliktforschung, mit einer Spezialsammlung zur US-Außenpolitik und Beteiligung am FIV-IBLK und der Datenbasis "World Affairs Online" (WAO). Die Zusammenarbeit im FIV-IBLK ermöglicht die arbeitsteilige Erschließung von Literatur und den Aufbau gemeinsamer Datenbasen wie WAO, einer der größten sozialwissenschaftlichen Datenbasen Europas.
1. Der Fachinformationsverbund Internationale Beziehungen und Länderkunde FIV IBLK
Der Fachinformationsverbund Internationale Beziehungen und Länderkunde (FIV-IBLK) ist ein wichtiger Verbund von Instituten, deren Bibliotheken und Dokumentationseinrichtungen im Bereich Internationale Beziehungen und Länderkunde zusammenarbeiten. Der Hauptzweck des Verbundes ist die fachliche Beratung der Bundesregierung, des Bundestages und der Bundesministerien in diesen Bereichen. Gleichzeitig soll den Mitgliedsinstituten und der Fachöffentlichkeit qualitativ gesicherte, wissenschaftlich relevante Fachinformationen bereitgestellt werden. Ein zentrales Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist die Datenbank "World Affairs Online" (WAO), die seit 1992 arbeitsteilig aufgebaut und erweitert wird. Das arbeitsteilige Prinzip bedeutet, dass gemeinsam gehaltene Dokumente und Monographien jeweils nur von einem Institut, in der Regel dem fachlich kompetentesten, erschlossen werden. Mit insgesamt 806.000 Literaturnachweisen ist WAO eine der größten sozialwissenschaftlichen Datenbasen Europas. Die Datenbasis enthält diverse Materialien in verschiedenen Sprachen, vor allem Englisch, Deutsch und Französisch. Der jährliche Zuwachs beträgt ca. 25.000-30.000 Dokumenteinheiten. Aufgrund der unterschiedlichen Größen und Mitarbeiterzahlen der beteiligten Institute sind gemeinsame Arbeitsregeln, insbesondere für die Erschließung, notwendig. Die inhaltliche Erschließung in WAO erfolgt mit dem multilingualen Europäischen Thesaurus Internationale Beziehungen und Länderkunde (Euro-Thesaurus). Die formale Erschließung basiert auf einem selbst entwickelten Regelwerk, das an die Regeln für die alphabetische Katalogisierung in wissenschaftlichen Bibliotheken (RAK-WB) angelehnt ist.
2. Die Frankreich Bibliothek des Deutsch Französischen Instituts DFI
Die Frankreich-Bibliothek des Deutsch-Französischen Instituts (DFI) in Ludwigsburg wird als Beispiel für eine Bibliothek innerhalb des FIV-IBLK beschrieben. Sie entstand 1990 und verfügt über einen Bestand von ca. 40.000 Bänden, davon ca. 1.700 vor 1946. Die Sammelschwerpunkte liegen auf dem politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben in Frankreich, der Geschichte und Gegenwart der deutsch-französischen Beziehungen, sowie Frankreich und Deutschland im europäischen und internationalen Kontext und deutsch-französischen Vergleichen. Der Erwerbungsetat betrug 2010 56.650 €, wobei der Kauf die wichtigste Erwerbungsart darstellt. Zusätzlich werden Tausch, Schenkungen, Nachlässe und Rezensionsexemplare genutzt. Die Bibliothek hält ca. 600 Fachzeitschriftentitel, davon 250 laufend, sowie 250 laufend bezogene Jahrbücher. Die Sichtung des Marktes erfolgt mithilfe von Verlagsprospekten, Fachzeitschriften, Rezensionen und Vorschlägen von DFI-Mitarbeitern und externen Nutzern. Aufgrund der spezifischen Bedürfnisse der Bibliothek wurde Ende der 80er Jahre eine eigene Systematik zur Ordnung der Bestände eingeführt. Die Bibliothek ist seit 2002 am Verbundkatalog des Südwestdeutschen Bibliotheksverbundes (SWB) beteiligt und seit 2010 an der Elektronischen Zeitschriftenbibliothek (EZB) der Universität Regensburg. Ein virtuelles Bücherregal ermöglicht den Online-Zugriff auf den Bestand.
3. Die Bibliothek der Hessischen Stiftung Friedens und Konfliktforschung HSFK
Die Bibliothek der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) in Frankfurt am Main ist ebenfalls im FIV-IBLK aktiv. Sie erschließt insbesondere die durch DFG-Förderung erworbene Literatur, darunter die Spezialsammlung "US-Außenpolitik", für die Datenbank WAO. Zusätzlich wertet die HSFK-Bibliothek Zeitschriften aus dem Fachgebiet Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung aus. Die HSFK-Bibliothek wurde 1969 gegründet und hat ihren Bestand im Laufe der Zeit an die Forschungsschwerpunkte der Stiftung angepasst. Der Bestand umfasst Grundlagenliteratur zur Friedens- und Konfliktforschung. Vor 1990 lag der Schwerpunkt auf dem Ost-West-Konflikt, danach auf Regionalkonflikten. Die intensive Sammlung von Literatur zur Friedenspädagogik wurde 2006 nach Auflösung der entsprechenden Forschungsgruppe eingestellt. Die Bibliothek ist seit 1993 Mitglied im FIV-IBLK und beteiligt sich an WAO. Die Zusammenarbeit mit dem GIGA im FIV-IBLK ist besonders wichtig. Künftig sollen alle Neuanschaffungen in die Datenbasis des FIV-IBLK katalogisiert werden. Die Bibliothek kooperiert auch mit der Virtuellen Fachbibliothek Politikwissenschaft (VifaPol).
IV.Die Friedrich Ebert Stiftung Bibliothek Entwicklung und Aufgaben
Die Friedrich-Ebert-Stiftung-Bibliothek hat sich von einer internen Gebrauchsbibliothek zu einer der größten öffentlich zugänglichen Spezialbibliotheken in Deutschland entwickelt. Wichtige Entwicklungsphasen waren die Professionalisierung durch DFG-Förderungen und der Aufbau einer umfangreichen Mikrofilmsammlung zur Sicherung historischer Quellen zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Die Bibliothek spielt eine bedeutende Rolle in der überregionalen Literaturversorgung, insbesondere bei der Sammlung von grauer Literatur von Parteien und Gewerkschaften, und fungiert mit ihren Bibliographien als ergänzendes nationalbibliographisches Zentrum. Die Digitale Bibliothek erweitert das Angebot durch dauerhaften Zugang zu digitalen Publikationen, mit einem Schwerpunkt auf der Geschichte der Arbeiterbewegung und der Sozialwissenschaften.
1. Entwicklung der Friedrich Ebert Stiftung Bibliothek
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES)-Bibliothek durchlief eine bemerkenswerte Entwicklung. Ursprünglich als Gebrauchsbibliothek für die Mitarbeiter der Stiftung konzipiert, hat sie sich zu einer der größten öffentlich zugänglichen Spezialbibliotheken in Deutschland entwickelt. Ihre Geschichte ist eng mit der Geschichte der SPD und der Arbeiterbewegung verbunden. August Bebel forderte bereits 1887 die Gründung einer allgemeinen Parteibibliothek. Der Aufbau der SPD-Bibliothek wurde durch das Sozialistengesetz (1882-1890) behindert. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte ein langsamer Wiederaufbau, bis 1967 ein Leihvertrag zwischen der FES und der SPD die Übernahme des Archivs und der Bibliothek durch die FES besiegelte. Die Zusammenführung der Bestände (ca. 50.000 Bände vom FES-Forschungsinstitut und ca. 22.000 Bände der SPD-Bibliothek) im Jahr 1969 markierte einen wichtigen Schritt. Eine zweite Entwicklungsphase ab 1973 zielte darauf ab, die FES-Bibliothek zur führenden Bibliothek im Bereich der Geschichte der Arbeiterbewegung in der Bundesrepublik Deutschland auszubauen. Die intensive Sammlung von Dissertationen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, auch aus dem Ausland, wurde intensiviert. Die Professionalisierung der Bibliothek in den Jahren 1976/77, vorangetrieben durch Förderungen der Bundesregierung (IuD-Programm) und der DFG, war entscheidend für ihre Entwicklung zur wissenschaftlichen Spezialbibliothek. Die DFG unterstützte ab 1977 die Beschaffung grauer Literatur von Parteien und Gewerkschaften.
2. Auftrag und Organisation der FES Bibliothek Doppelrolle und überregionale Bedeutung
Die FES-Bibliothek erfüllt eine Doppelfunktion: Sie dient einerseits der internen Versorgung der FES-Mitarbeiter, andererseits ist sie eine öffentlich zugängliche Spezialbibliothek mit Schwerpunkt auf der Geschichte und Gegenwart der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung. Die Versorgung der Öffentlichkeit mit hochspezialisierter Literatur wird als zentrale Aufgabe angesehen. Die Bibliothek hat eine überregionale Bedeutung bei der Sammlung von Veröffentlichungen von Parteien und Gewerkschaften im In- und Ausland, insbesondere von 'grauer Literatur', da die Deutsche Nationalbibliothek (DNB) seit 1997 nur noch Veröffentlichungen ab 96 Seiten sammelt. Die FES-Bibliothek erstellt zwei Bibliographien zu Veröffentlichungen deutscher und ausländischer Parteien und Gewerkschaften, wodurch sie eine ergänzende nationalbibliographische Funktion einnimmt. Die Bibliothek sammelt Grundlagenliteratur für Forschungsprojekte der Stiftung und, auf Anfrage, spezielle Literatur. Es existieren umfangreiche Sammlungen in den Bereichen Entwicklungspolitik, Außenpolitik, Wirtschaftspolitik und Arbeits- und Sozialforschung. Die aktive Beschaffung für laufende Forschungsprojekte findet jedoch nur auf konkreten Vorschlag der Wissenschaftler statt; nach Projektabschluss werden die Sammlungsaktivitäten in diesen Gebieten eingestellt. Alle durch die FES entstandenen Veröffentlichungen werden gesammelt (FES-Publikationen, Publikationen von Kooperationspartnern, Publikationen von FES-Mitarbeitern, Abschlussarbeiten von FES-Stipendiaten).
3. Mikrofilmsammlung und Digitale Bibliothek der FES
Ein Kernstück der FES-Bibliothek ist ihre Mikrofilmsammlung, die nicht nur beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle spielte, sondern auch heute noch für die Digitalisierungs- und Archivierungsaktivitäten von großer Bedeutung ist. Die Mikroverfilmung historisch wertvoller Zeitungen und Zeitschriften der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung begann Mitte der 70er Jahre, angetrieben durch die Verluste während des Zweiten Weltkriegs. Zahlreiche Unterstützer wie die DFG, die Erich-Brost-Stiftung und das Mikrofilmarchiv der deutschsprachigen Presse in Dortmund (MFA) ermöglichten den Wiederaufbau des Bestands. Ein Kooperationsprojekt mit dem MFA in Dortmund und der IALHI resultierte in einer Bibliographie der Sozialistischen Internationale, der Zweiten Internationale und der Sozialistischen Arbeiterinternationale (ca. 1.800 Monographien und 200 Periodika von 37 Organisationen, 1999). Mikrofilme werden auch heute noch intensiv genutzt und gelten als sicheres Medium für die Langzeitsicherung von Originalen. Die Mikroverfilmung ist essentiell für die Digitalisierungsprojekte der Bibliothek: "Kein seriöses Digitalisierungsprojekt ohne vorherige Mikroverfilmung" ist die Maxime. Seit 1998 fungiert die Digitale Bibliothek der FES als Volltextserver für Stiftungspublikationen und als digitaler Reprintverlag für vergriffene Printpublikationen. Die Bibliothek übernimmt auch digitale Volltexte von anderen Institutionen, um den dauerhaften Zugriff zu gewährleisten, da es für digitale Publikationen kein Pflichtexemplarrecht gibt.