Verwirklichung des Potenzials der erneuerbaren Energien durch Höherauslastung des Bestandsnetzes und zügigen Stromnetzausbau auf Verteilnetzebene

Verteilnetzausbau: Erneuerbare Energien

Dokumentinformationen

Autor

Marian Bons

Schule

Keine Angabe im Dokument

Fachrichtung Energietechnik, Wirtschaftsingenieurwesen (vermutlich)
Unternehmen

Guidehouse Energy Germany GmbH

Ort Dessau-Roßlau
Dokumenttyp Studie
Sprache German
Format | PDF
Größe 10.64 MB

Zusammenfassung

I.Netzengpässe und der Ausbau Erneuerbarer Energien

Die Studie untersucht die Netzengpässe im deutschen Stromnetz, insbesondere auf der 110-kV-Verteilnetzebene, die durch den starken Ausbau erneuerbarer Energien (EE) entstehen. Der aktuelle Investitionsbedarf für den Netzausbau wird auf 7 bis 10 Milliarden Euro (bis 2030 in der Hochspannungsebene) geschätzt, in Szenarien mit stärkerem EE-Ausbau sogar bis zu 20 Milliarden Euro. Besonders betroffen sind Schleswig-Holstein und die Pfalz, wo ca. 10% des bestehenden Hochspannungsnetzes ausgebaut werden sollen. Die Hauptursache für den Netzausbau ist die Integration von EE-Strom (73% der Ausbauvorhaben). Die Studie analysiert die Klimabilanz Deutschlands und deren Belastung durch die aktuellen Netzengpässe und die damit verbundenen Abregelungen von EE-Anlagen. Fehlende Netzkapazitäten beeinträchtigen das CO2-Einsparpotenzial im Stromsektor.

1. Die 110 kV Verteilnetzebene als begrenzender Faktor

Die Studie stellt fest, dass die 110-kV-Verteilnetzebene bereits heute und zukünftig einen limitierenden Faktor für die Nutzung der Energie aus Erneuerbare-Energien-Anlagen darstellt. Konventionelle Netzausbaumaßnahmen werden zwar als sinnvolle Alternativen betrachtet, sind aber bereits weitgehend implementiert und bieten keine zusätzliche Beschleunigung. Weitere analysierte technische Optionen zeigen aktuell keine signifikante Beschleunigungswirkung für die Integration erneuerbarer Energien. Die Optimierung der institutionellen Abwicklung von Genehmigungsprozessen, inklusive transparenterer Kommunikation der Behörden, einheitlicher Anforderungen und Ausbau der personellen Kapazitäten, wird hingegen als vielversprechender Ansatz zur Beschleunigung genannt.

2. Netzengpässe und Auswirkungen auf die Klimabilanz

Die aktuellen Netzengpässe belasten die Klimabilanz Deutschlands erheblich. Mittel- und langfristig wirken sich fehlende Netzkapazitäten bei steigendem Ausbau der erneuerbaren Energien (EE) negativ auf das CO2-Einsparpotenzial im Stromsektor aus. Mehrere Studien (E-Bridge, IAEW, OFFIS 2014; dena 2012, 2014; ef.Ruhr, TU Dortmund, RWTH Aachen 2014; ef.Ruhr 2017) belegen fundamentale Herausforderungen für die Übertragung und Verteilung der erzeugten Energiemengen, wobei auch Hochspannungsnetze maßgeblich betroffen sind. Im Gegensatz zum Übertragungsnetz spiegeln die Investitionsvolumina der Verteilnetzbetreiber den prognostizierten Ausbaubedarf in den Verteilnetzen noch nicht wider, was auf einen drastischeren Bedarf hindeutet. Verschiedene Studien (dena 2012, 2018; E-Bridge, IAEW, OFFIS 2014) haben sich bereits mit dem zukünftigen Ausbaubedarf der einzelnen Netzebenen beschäftigt.

3. Investitionsbedarf und Ausbaukosten

Der geschätzte Investitionsbedarf in der Hochspannungsebene bis 2030 liegt, abhängig vom EE-Ausbau, zwischen 7 und 10 Milliarden Euro. Szenarien mit deutlich stärkerem EE-Ausbau beziffern den Bedarf sogar mit bis zu 20 Milliarden Euro. Die spezifischen Ausbaukosten liegen bei etwa 150.000 Euro pro installiertem MW dezentraler Energieanlagen. Eine erneute Beschleunigung des Ausbaubedarfs ist erst bei einer Entwicklung deutlich über den Szenarien des Netzentwicklungsplans bis 2035 zu erwarten, vor allem durch den Einfluss anderer Sektoren wie Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge auf die höheren Netzebenen. Die Netzausbaupläne der 110-kV-Netzbetreiber bilden eine wichtige Datenbasis für die kurz- bis mittelfristige Netzentwicklung. Diese Pläne zeigen einen deutlichen Hochspannungsnetzausbau in allen Regionen Deutschlands in den nächsten zehn Jahren an, mit besonders hohen Werten in Schleswig-Holstein und der Pfalz (ca. 10% des Bestandsnetzes). Die Aufnahme von EE-Strom wird von allen Flächennetzbetreibern als primärer Grund für die Ausbauvorhaben angegeben (durchschnittlich 73% der Leitungskilometer).

II.Hemmnisse beim Netzausbau

Wesentliche Hemmnisse beim Netzausbau sind Genehmigungsprozesse, die durch mangelnde Transparenz und unterschiedliche Anforderungen der Behörden verlangsamt werden. Zusätzlich fehlt es an personellen Kapazitäten bei den Genehmigungsbehörden. Die Akzeptanz von Netzausbauvorhaben in der Bevölkerung ist gering und führt zu Widerständen, teilweise durch systematische Verzögerungstaktiken. Die Studie hebt hervor, dass der Einsatz von Erdkabeln, obwohl oft als konfliktärmer angesehen, neue Herausforderungen in Bezug auf Akzeptanz und Kosten mit sich bringt. Die Abstimmung zwischen Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) und Verteilnetzbetreibern (VNB), z.B. Avacon, MITNETZ, E.DIS, EWE und SH Netz, bedarf ebenfalls Verbesserung.

1. Genehmigungsprozesse und mangelnde Transparenz

Ein zentrales Hemmnis beim Netzausbau sind die komplexen und langwierigen Genehmigungsprozesse. Antragsstellende Netzbetreiber beklagen die mangelnde Transparenz bezüglich der behördlichen Anforderungen. Die fehlende Übersicht über notwendige Antragsunterlagen und Informationen erschwert die effiziente Bearbeitung und führt zu Verzögerungen. Auch die uneinheitliche Praxis verschiedener Behörden, selbst bei vermeintlich standardisierbaren Aspekten wie Datenformaten, stellt ein Problem dar. Ein regelmäßiger Austausch zwischen den Behörden zur Identifizierung von Best Practices und der Festlegung einheitlicher, deutschlandweiter Vorgaben könnte Abhilfe schaffen. Die Verbesserung der Kommunikation zwischen Genehmigungsbehörden und Antragstellern ist essentiell für eine Beschleunigung der Prozesse.

2. Mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung

Eng mit den Hindernissen im Genehmigungsverfahren verbunden ist die mangelnde Akzeptanz von Netzausbauvorhaben in der Bevölkerung. Fast alle Befragten beobachten eine Zunahme von Widerständen gegen Netzausbauvorhaben, insbesondere im 110-kV-Netz. Manche Verteilnetzbetreiber (VNB) berichten sogar von systematischen Verzögerungstaktiken durch einzelne Gegner. Ein verstärkter Austausch zwischen Netzbetreibern, Behörden und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zur Entwicklung guter Praxis im Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern wird als sinnvoll erachtet. Die Studie stellt fest, dass die erwartete Beschleunigungswirkung durch den Einsatz von Erdkabeln überschätzt wird, da diese neue Akzeptanzprobleme mit sich bringen können.

3. Mangelnde personelle Ressourcen in Behörden

Die personellen Kapazitäten in den Genehmigungsbehörden werden sowohl von VNB als auch von Behördenvertretern als beträchtliches Hindernis für einen zeitgerechten Netzausbau identifiziert. Die Behörden erscheinen unterbesetzt, um dem Anstieg an Verfahren gerecht zu werden. Die Fluktuation des Personals während der langen Genehmigungsverfahren erschwert Kontinuität und Wissenstransfer. Schätzungen des zusätzlichen Personalbedarfs variieren, eine Behörde nennt beispielsweise 20 zusätzliche Planstellen. Die Schwierigkeit liegt darin, den langfristigen Bedarf präzise einzuschätzen, was die Personalplanung erschwert. Eine gemeinsame Ausbildungsoffensive von Netzbetreibern und Genehmigungsbehörden wird als mittel- bis langfristige Lösung vorgeschlagen.

4. Herausforderungen in der internen und externen Koordination

Die Abstimmung zwischen benachbarten VNB und zwischen VNB und Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) zeigt eine hohe Varianz auf. Die Studie beschreibt gegenläufige Tendenzen in der zukünftigen Struktur der VNB und deren Koordination. Die Gründung eines europäischen Verbunds der VNB wird diskutiert, ebenso wie eine Tendenz zur Rekommunalisierung und Aufsplittung von Netzgebieten. Interviewte VNB berichten von erschwerten Betriebs- und Planungsprozessen durch den Wegfall von Betriebsmitteln an den Rändern von Netzgebieten aufgrund von Neuzuschnitten bei Konzessionsvergaben. Auch beim Anschluss von Windparks treten Abstimmungsprobleme und fehlende Vorabinformationen zu Projekten in Grenzregionen auf, welche Auswirkungen auf benachbarte Netzgebiete haben können.

III.Technische und Planerische Alternativen

Vor dem konventionellen Netzausbau sollten Maßnahmen zur Netzoptimierung und -verstärkung geprüft werden, wie z.B. der Einsatz von Hochtemperaturleiterseilen (HTLS) oder die Erhöhung von Masten. Diese Maßnahmen können jedoch durch planungsrechtliche Hürden, insbesondere bei nicht planfestgestellten Alttrassen, behindert sein. Die Studie schlägt eine analoge Regelung zu anderen Bereichen (Eisenbahnrecht, Luftverkehrsrecht) vor, um Planfeststellungsverfahren zu beschleunigen. Weitere Alternativen umfassen Freileitungsmonitoring, Power-to-X-Anlagen und Batteriespeicher, die jedoch jeweils mit spezifischen technischen, wirtschaftlichen und regulatorischen Herausforderungen verbunden sind. Das Konzept des nicht (n-1)-sicheren Betriebs, wie vom Schleswig-Holstein Netz AG mit dem "Auslastungsmonitoring" angewandt, wird als Möglichkeit zur Erhöhung der Aufnahmekapazität des Hochspannungsnetzes diskutiert.

1. Konventioneller Netzausbau als Letztmaßnahme

Der konventionelle Netzausbau, also der Neubau oder Ersatzneubau von Transformatoren und Leitungen, wird im untersuchten Kontext als Letztmaßnahme betrachtet. Vor der Planung neuer Leitungstrassen müssen unbedingt Alternativen wie Maßnahmen zur Netzoptimierung und -verstärkung geprüft werden. Die Anzahl solcher Alternativen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Diese Alternativen können jedoch, ähnlich wie konventionelle Ausbauvorhaben, mit spezifischen Hemmnissen behaftet sein, die die praktische Umsetzbarkeit erschweren und dazu führen können, dass eine zunächst schnellere und effizientere Alternative sich nachträglich als kosten- und zeitintensiver herausstellt. Die Studie betont die Notwendigkeit einer umfassenden Prüfung von Alternativen bevor ein konventioneller Netzausbau in Angriff genommen wird.

2. Unwesentliche Änderungen und planungsrechtliche Herausforderungen

Maßnahmen wie der Einsatz von Hochtemperaturleiterseilen oder die Erhöhung einzelner Masten gelten gesetzlich als „unwesentliche Änderungen“ und bedürfen lediglich eines Anzeigeverfahrens. Für Trassen, die in der Vergangenheit nicht planfestgestellt wurden, ist dies jedoch nicht uneingeschränkt anwendbar. Der Wechsel der Leiterseile kann in solchen Fällen ein vollständiges Planfeststellungsverfahren erforderlich machen, was zu erheblichen Verzögerungen oder der Nichtdurchführbarkeit der Maßnahme führen kann. Die Studie verweist auf vergleichbare Probleme in anderen Bereichen (Eisenbahnrecht, Luftverkehrsrecht), die durch richterliche oder gesetzgeberische Maßnahmen gelöst wurden und schlägt eine analoge Regelung für nicht planfestgestellte Alttrassen (Planfeststellungsfiktion) vor, um Ausbaumaßnahmen zu beschleunigen.

3. Technische Alternativen Freileitungsmonitoring Erdkabel und weitere Optionen

Die Studie untersucht verschiedene technische Alternativen zum Netzausbau. Freileitungsmonitoring kann die Übertragungskapazität bestehender Leitungen erhöhen, ist aber stark von der Versorgungsaufgabe (z.B. Windenergie-Einspeisung) abhängig und in PV-geprägten Gebieten weniger effektiv. Erdkabel wurden lange als konfliktärmere Alternative zu Freileitungen betrachtet, jedoch haben die jüngsten Erfahrungen gezeigt, dass auch hier die Akzeptanz in der Bevölkerung und die genehmigungsrechtlichen Hürden gestiegen sind. Zusätzlich werden Power-to-X-Anlagen und Batteriespeicher als Optionen zur Vermeidung von Netzengpässen diskutiert, jedoch weisen diese ebenfalls Herausforderungen in Bezug auf Wirtschaftlichkeit und regulatorische Rahmenbedingungen auf. Der nicht (n-1)-sichere Betrieb von Hochspannungsnetzen, wie das Auslastungsmonitoring der Schleswig-Holstein Netz AG, wird als Möglichkeit zur Kapazitätssteigerung erwähnt, jedoch ist dieser Ansatz ebenfalls mit spezifischen Voraussetzungen verbunden.

IV.Handlungsempfehlungen

Die Studie empfiehlt die Erhöhung der personellen Ressourcen bei den Genehmigungsbehörden, z.B. durch Schaffung von Stellen oder einer gemeinsamen Ausbildungsoffensive von Netzbetreibern und Behörden. Weiterhin sollten die Bedingungen für einen vorausschauenden Netzausbau verbessert werden, indem die Anforderungen an den Nachweis der Erforderlichkeit vorsorglicher Maßnahmen abgesenkt werden. Die Entwicklung eines Katalogs von Ausbaumaßnahmen, deren Notwendigkeit aufgrund des regionalen Ausbaus erneuerbarer Energien absehbar ist, könnte die Planungssicherheit erhöhen und den Netzausbau beschleunigen. Die Studie betont die Notwendigkeit einer verbesserten Koordination zwischen ÜNB und VNB und die Berücksichtigung der langfristigen Folgen für die Klimabilanz Deutschlands.

1. Erhöhung der personellen Ressourcen in Genehmigungsbehörden

Die Studie empfiehlt dringend die Erhöhung der personellen Ressourcen in den Genehmigungsbehörden. Die Behörden sind aktuell personell unterbesetzt, um den steigenden Anfragen zum Netzausbau gerecht zu werden. Die lange Bearbeitungszeit der Anträge wird durch Personalmangel und Fluktuation weiter verschärft. Als Lösungsansätze werden die Schaffung von langfristigen Stellen (finanziert durch erhöhte Verfahrensgebühren, wie in Nordrhein-Westfalen), die Einrichtung von Projektmanagerposten und eine gemeinsame Ausbildungsoffensive von Netzbetreibern und Genehmigungsbehörden vorgeschlagen. Die Ausbildungsoffensive soll mittel- bis langfristig mehr qualifiziertes Personal bereitstellen und die Kapazitätsprobleme lösen. Die Komplexität der Materie und die damit verbundenen Herausforderungen an das Personalmanagement werden dabei berücksichtigt.

2. Verbesserung der Bedingungen für einen vorausschauenden Netzausbau

Die Bedingungen für einen vorausschauenden Netzausbau, der Kosten senkt und EE-Abregelungen reduziert, müssen verbessert werden. Die jüngste Novelle des EnWG mit der Regelung zu Leerrohren (§ 43j EnWG) ist ein Schritt in diese Richtung, beschränkt sich aber auf Erdkabel. Die Studie empfiehlt, die Anforderungen an den Nachweis der Erforderlichkeit vorsorglicher Maßnahmen zu senken, um zukünftigen Ausbaubedarf zu antizipieren. Die Entwicklung eines Katalogs von Ausbaumaßnahmen durch VNB und Genehmigungsbehörden wird vorgeschlagen. Dieser Katalog würde Ausbaumaßnahmen enthalten, deren Notwendigkeit aufgrund des regionalen Ausbaus erneuerbarer Energien mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Für diese Maßnahmen könnten Investitionsentscheidungen regulatorisch abgesichert und die Planerforderlichkeit gesetzlich fixiert werden, um so den Ausbau zu beschleunigen und die Planungssicherheit zu erhöhen.