
E-Demokratie: Demokratieentwicklung im Internet
Dokumentinformationen
Autor | Johannes Hof |
instructor/editor | Prof. Dr. Rafael Capurro |
Schule | Fachhochschule Stuttgart – Hochschule der Medien |
Fachrichtung | Informationswirtschaft |
Dokumenttyp | Diplomarbeit |
Ort | Stuttgart |
Sprache | German |
Format | |
Größe | 3.26 MB |
Zusammenfassung
I.Die Herausforderungen der modernen Informationsgesellschaft und der Repräsentativen Demokratie
Der Text analysiert die zunehmende Komplexität der modernen Informationsgesellschaft, die bei jüngeren Menschen Unsicherheit und Politikverdrossenheit hervorruft. Die zunehmende Boulevardisierung der Massenmedien und die Verbreitung von Infotainment statt fundierter Information verschärfen dieses Problem. Ein Mangel an direkter Bürgerbeteiligung in politischen Entscheidungen wird kritisiert, wobei die Vorteile von direkter Demokratie und Volksentscheiden (Plebiszite) im Gegensatz zur repräsentativen Demokratie diskutiert werden.
1. Komplexität der modernen Arbeitswelt und steigende Unsicherheit
Der Text beginnt mit der Feststellung, dass der Wandel der Arbeitswelt und der Berufsbilder ein Haupthemmnis aus wirtschaftlicher Sicht darstellt. Das klassische Arbeitsleben mit 40 Jahren in einem Betrieb ist selten geworden. Neue, vielfältige Ausbildungsberufe und Studiengänge sind entstanden, und das Bildungsniveau hat sich verbessert. Diese zunehmende Komplexität führt automatisch zu mehr Selbstverantwortung und Eigeninitiative. Gleichzeitig erzeugt sie jedoch Unsicherheit, insbesondere bei jüngeren Menschen, die noch nicht ins Arbeitsleben eingetreten sind. Die Wikipedia wird zitiert, die Komplexität als wesentliches Merkmal der Transformationsgesellschaft beschreibt und Information als Mittel zur Verringerung von Ungewissheit darstellt: 'Information ist die Verringerung von Ungewissheit' (Wersig 1971). Die Anstrebung einer Komplexitätsreduktionsgesellschaft bzw. Informationsgesellschaft wird als Lösungsansatz präsentiert. Dieser Abschnitt legt den Grundstein für die weitere Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der modernen Gesellschaft, die durch Komplexität und den damit verbundenen Informationsfluss geprägt ist.
2. Mangelnde Bürgerbeteiligung und die Notwendigkeit direkter Einflussmöglichkeiten
Nachdem der Bürger sich durch den „medialen Informationswust“ eine Meinung gebildet hat, stellt sich das Problem des mangelnden Einflusses auf politische Entscheidungen. Die repräsentative Demokratie wird kritisiert, da der Bürger nur alle paar Jahre bei Wahlen seine Stimme abgeben kann. Direkte Einflussmöglichkeiten fehlen weitgehend. Dieser Zustand wird von vielen als unzureichend empfunden. Die Forderung nach mehr direkten Einflussmöglichkeiten wird lautstark geäußert. Der Text vergleicht implizit die Situation in Deutschland mit anderen europäischen Ländern, wo Volksentscheide zu wichtigen Themen wie der Einführung des Euro oder der europäischen Verfassung selbstverständlich sind. Im Gegensatz dazu werden diese Entscheidungen in Deutschland von Politikern getroffen, ohne eine breite öffentliche Beteiligung oder Information. Der Mangel an direkter Einflussnahme auf politische Entscheidungen wird als Kernproblem der repräsentativen Demokratie im Kontext des Textes hervorgehoben und motiviert die folgende Diskussion um alternative Modelle der politischen Partizipation.
3. Die Problematik der Medienrealität und der manipulierten Information
Um die Diskrepanz zwischen der Realität und ihrer medialen Darstellung zu verdeutlichen, wird der Begriff der „Realitätsverdoppelung“ eingeführt. Der Text argumentiert, dass Medien zwischen Selbstreferenz und Fremdreferenz unterscheiden können und somit eine eigene Realität konstruieren. Die Frage nach der Wahrheit der Medienberichte wird als im großen Maßstab kaum überprüfbar dargestellt. Laut Luhmann (2004) ist die Feststellung von Wahrheitsgehalt bei der Masse der täglichen Kommunikation ausgeschlossen. Der Fokus verlagert sich daher auf die Selektivität der Medien und die Konsequenzen für die öffentliche Meinung. Die Auswahl der Gäste in Talkshows wird als Beispiel angeführt: Anstatt Experten werden häufig semi-prominente Persönlichkeiten und Show-Stars eingeladen, die zwar Unterhaltung bieten, jedoch selten fundiertes Wissen vermitteln. Roland Baader wird zitiert, der diese Praxis kritisiert und betont, dass seriöse Diskussionen durch den Fokus auf Unterhaltung und Interessenpolitik oft verhindert werden. Der Abschnitt analysiert die Mechanismen der medialen Informationsvermittlung und ihre Auswirkungen auf die Wahrnehmung der Realität, wobei die Schwierigkeit, Wahrheitsgehalt zu verifizieren, und die Präferenz für Unterhaltung vor Information im Vordergrund stehen.
4. Infotainment politische Inszenierung und die Folgen für die Politikverdrossenheit
Der Text beleuchtet den Trend zum Infotainment im Fernsehen, der von Georg Gafron (Chefredakteur der B.Z.) kritisiert wird. Die zunehmende Fokussierung auf Unterhaltung anstatt auf seriöse Information wird beklagt. Es wird argumentiert, dass Politiker sich an diese veränderten Bedingungen angepasst haben. Spitzenpolitiker sind von PR-Beratern umgeben und inszenieren ihre Auftritte medial geschickt. Sie verwenden vereinfachte Botschaften (Soundbites), um eine größere Öffentlichkeit zu erreichen. Diese Praxis birgt jedoch das Risiko der Vereinfachung oder gar Verfälschung komplexer Sachverhalte. Bundespräsident Johannes Rau wird zitiert, der die Politikverdrossenheit auf die unverständliche Sprache von Politikern und die verkürzte Darstellung in den Medien zurückführt. Der Text argumentiert weiter, dass die politische Berichterstattung mit Sensationsnachrichten konkurrieren muss, selbst in seriösen Sendungen. Auch wenn Journalisten im Bereich der Nachrichtenberichterstattung auf Recherche Wert legen und Falschmeldungen eher von außen kommen, werden Fehlerquoten als unvermeidlich angesehen. Es ist wichtig, diese Fehlerquoten nicht zu hochzurechnen, da dies die Glaubwürdigkeit der Nachrichtenberichterstattung zerstören würde. Luhmann wird zitiert, um den Zusammenhang zwischen Wahrheiten und den Interessen der Medien zu beleuchten. Im Kontext der Medienlandschaft wird der zunehmende Einfluss von PR-Strategien und die Fokussierung auf oberflächliche Darstellung politischer Sachverhalte als zentrale Herausforderung der politischen Kommunikation hervorgehoben, die maßgeblich zur Politikverdrossenheit beiträgt.
II.Massenmedien Manipulation und die Suche nach Wahrheit
Der Text untersucht kritisch die Rolle der Massenmedien bei der Informationsvermittlung. Es wird argumentiert, dass die häufige Präsenz von Halbwahrheiten und Manipulation die Fähigkeit der Bürger behindert, sich fundierte Meinungen zu bilden. Die zunehmende Dominanz von Infotainment und die Bevorzugung von Prominenten statt Experten in Talkshows werden als problematisch angesehen. Das Beispiel des ‚Waldsterbens‘ und des Tschernobyl-Unglücks veranschaulichen, wie fehlende Sorgfalt und das Streben nach Sensationen zu massiven Fehlinformationen führen können. Der Fall der gefälschten Hitler-Tagebücher verdeutlicht die weitreichenden Folgen von Medien-Skandalen.
1. Die Schwierigkeit der Wahrheitsfindung in der Medienlandschaft
Ein zentraler Punkt der Analyse ist die Schwierigkeit, die Wahrheit in der Flut an Informationen der Massenmedien zu erkennen. Der Text beschreibt eine Art „Realitätsverdoppelung“, da die Medien nicht nur über die Realität berichten, sondern auch eine eigene Realität konstruieren. Es wird argumentiert, dass die Medien zwischen Selbstreferenz und Fremdreferenz unterscheiden, was die Überprüfung der Wahrheitsfindung erschwert. Luhmann (2004) wird zitiert, der die Überprüfung der Wahrheitsaussagen in der Masse der täglichen Kommunikation für ausgeschlossen hält. Der Text argumentiert, dass das Problem nicht primär in bewussten Lügen, sondern in der unvermeidlichen Selektivität der Medien liegt. Diese Selektivität ist nicht nur unvermeidlich, sondern auch gewollt und geregelt, was zu einer verzerrten Darstellung der Realität führt. Die Glaubwürdigkeit der Medien hängt zwar von guter Recherche ab, dennoch bleiben Fehlerquoten unvermeidlich. Das entscheidende Kriterium ist, dass diese Fehlerquoten nicht zu einem typischen Normalfall hochgerechnet werden, da dies die Funktion der Nachrichtenberichterstattung untergraben würde. Die Frage der Wahrheitsfindung im Kontext der Massenmedien wird als Kernproblem dargestellt, das durch die Komplexität der Informationsflüsse und die Selektivität der Medienberichterstattung erschwert wird.
2. Talkshows und die Bevorzugung von Unterhaltung vor fundiertem Wissen
Die Auswahl der Gäste in Talkshows wird als Beispiel für die Priorisierung von Unterhaltung vor fundiertem Wissen angeführt. Anstatt Experten und Fachleute werden oft semi-prominente Persönlichkeiten und Showstars eingeladen. Diese Gäste liefern zwar gute Unterhaltung, tragen aber selten zum Verständnis komplexer Sachverhalte bei. Roland Baader wird zitiert, der die Praxis kritisiert. Er argumentiert, dass nur durch die „Schimmerlosigkeit der Prominenz“ und das „interessenpolitisch gefärbte Kampfhähnegehabe“ der Partei- und Verbandsfunktionäre solche Veranstaltungen über Stunden hinziehen können, ohne dass dem Publikum wirklich entscheidendes Wissen vermittelt wird. Der Unterhaltungswert überwiegt die Vermittlung von Wissen, was als kritisches Phänomen im Kontext der Medienlandschaft betrachtet wird. Die fehlende Einbindung unabhängiger und fachlich hochkompetenter Experten führt zu oberflächlichen Diskussionen und verhindert eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit wichtigen Themen. Der Abschnitt verdeutlicht die Herausforderungen einer objektiven Informationsvermittlung in der Medienlandschaft, die durch den Fokus auf Unterhaltung und die Bevorzugung von Prominenz vor Expertise geprägt ist.
3. Der Trend zum Infotainment und seine Folgen für die Qualität der Berichterstattung
Ein weiterer Kritikpunkt ist der Trend weg von der Information hin zum Infotainment, besonders im Fernsehen. Georg Gafron, Chefredakteur der B.Z., beklagt das extrem schlechte Niveau der Nachrichtenberichterstattung. Er führt dies auf die zunehmende Verwandlung von Nachrichten in Infotainment zurück und spricht von einer „Spaßgesellschaft“, die die tatsächlichen Probleme ausblendet. Es wird die Existenz eines Journalisten-Typs beschrieben, der nicht mehr Wissen, sondern gute Laune und Unterhaltungswert vermitteln soll. Dieser Trend hat weitreichende Konsequenzen für die Qualität der Berichterstattung. Die Darstellung komplexer Sachverhalte wird vereinfacht, und die Gefahr der Verkürzung oder Verfälschung ist groß. Politiker nutzen diese Entwicklung, indem sie ihre Auftritte inszenieren und mit PR-Beratern arbeiten. Auch die verkürzte Darstellung komplexer Sachverhalte, wie der Einführung des Euro oder der EU-Erweiterung in Form von kurzen „Soundbites“, wird kritisiert. Bundespräsident Johannes Rau wird zitiert, der diese Praxis als „Verschaukelung“ der Bürger bezeichnet. Der Abschnitt zeigt die Vermischung von Information und Unterhaltung und deren Folgen für die politische Kommunikation auf, die zunehmend oberflächlicher und weniger informativ wird.
4. Fallbeispiele Waldsterben Tschernobyl gefälschte Berichte und ihre Folgen
Der Text analysiert die Rolle der Medien anhand von Fallbeispielen wie dem Waldsterben und dem Tschernobyl-Unglück. Im Fall des Waldsterbens wird die Übernahme einer einzelnen Theorie, trotz geteilter Meinungen in der Fachwelt, von den Medien kritisiert. Die zitierte Fokussierung auf ausgewählte Experten, wie Bernhard Ulrich und Peter Schütt, und die Nichtberücksichtigung anderer Meinungen werden als problematisch dargestellt. Die mangelnde Recherche und die Wiederholung von Klischees werden als charakteristische Merkmale der medialen Berichterstattung genannt. Das Beispiel Tschernobyl veranschaulicht, wie mangelnde Expertise und die Suche nach Sensationen zu einer Flut von Widersprüchen und Fehlinformationen führen. Die fehlende Übereinstimmung in den Berichten verschiedener Nachrichtenagenturen über die Zahl der Todesopfer und die mangelnde Qualifikation der Journalisten werden kritisiert. Der Text erwähnt auch die Existenz von „Aufbauscher“ neben den kritisierten „Vertuschern“. Die Fälle der gefälschten Hitler-Tagebücher und die Fälschungen von Michael Born veranschaulichen die Folgen des Quotendrucks und des Strebens nach Sensationen. Der Text verdeutlicht anhand dieser Fallstudien die Gefahren der Medienmanipulation, der mangelnden Recherche und der oberflächlichen Berichterstattung. Es wird auf die Verantwortung der Medien und Journalisten hingewiesen und die Bedeutung einer kritischen Medienkompetenz hervorgehoben.
III.Direkte Demokratie als Lösung
Der Text diskutiert die Vor- und Nachteile von direkter Demokratie als Gegenmodell zur repräsentativen Demokratie. Befürworter sehen in Volksentscheiden eine Stärkung der Bürgerbeteiligung und eine Möglichkeit, die Politikverdrossenheit zu verringern. Kritiker hingegen befürchten die Beeinflussung durch Manipulation, den Einfluss von Lobbying, und die Schwierigkeit, komplexe Sachfragen durch Volksabstimmungen zu lösen. Das Beispiel des Referendums zur EU-Verfassung in Frankreich und die Diskussion um ein solches Referendum in Deutschland werden als Fallbeispiele herangezogen. Die Rolle des Internets und des E-Governments im Kontext von E-Demokratie und Online-Deliberation werden angesprochen, wobei auch die Herausforderungen der Online-Kommunikation und die Gefahr der 'virtual balkanization' hervorgehoben werden.
1. Die unzureichende repräsentative Demokratie und die Notwendigkeit direkterer Beteiligung
Der Text argumentiert, dass die bestehende repräsentative Demokratie unzureichend ist, da sie den Bürgern nur begrenzte Möglichkeiten zur direkten Einflussnahme auf politische Entscheidungen bietet. Der Bürger wird lediglich alle paar Jahre bei Wahlen befragt, welche Partei seine Interessen am besten vertritt. Dies wird als unzureichend empfunden, und es wird die Notwendigkeit direkterer Partizipationsmöglichkeiten betont. Der Text verweist auf Beispiele aus anderen europäischen Ländern, wo Volksentscheide (Volksabstimmungen, Plebiszite) zu wichtigen europäischen Themen gängige Praxis sind, im Gegensatz zu Deutschland. Die Einführung des Euro oder die europäische Verfassung werden als Beispiele angeführt, bei denen die deutsche Bevölkerung diese Entscheidungen ohne signifikante Mitsprache oder Informationsmöglichkeiten hinnehmen musste. Dieses Defizit an direkter Mitbestimmung wird als Hauptgrund für die Unzufriedenheit und die wachsende Politikverdrossenheit in der Bevölkerung gesehen. Die Forderung nach mehr direkter Demokratie und erhöhter Bürgerbeteiligung wird als notwendige Konsequenz aus dieser Analyse aufgestellt.
2. Argumente für und gegen direkte Demokratie
Der Abschnitt diskutiert Vor- und Nachteile von direkter Demokratie. Pro direkte Demokratie wird argumentiert, dass sie die Bürgernähe erhöht und die Politikverdrossenheit verringern könnte. Volksentscheide würden die Legitimität politischer Entscheidungen stärken. Gegen direkte Demokratie wird eingewendet, dass sie anfällig für Manipulationen durch öffentliche Stimmungen ist. Es wird das Beispiel von drastischen Umweltvorschriften nach einem Bericht über das Ozonloch oder die Diskussion um die Todesstrafe nach einer Mordserie angeführt, um die potenziellen Gefahren von emotional getriebenen Entscheidungen zu verdeutlichen. Es wird jedoch betont, dass solche emotionalen Einflüsse nicht nur die direkte, sondern auch die repräsentative Demokratie betreffen. Ein weiterer Kritikpunkt ist die mangelnde Kompetenz des einzelnen Bürgers, komplexe politische Entscheidungen zu treffen. Dieser Einwand wird mit dem Zitat von Max Weber widerlegt, der betont, dass man nicht Experte sein muss, um zu wissen, ob ein Schuh drückt. Die staatsbürgerliche Kompetenz, eine Mischung aus Grundwissen und gesundem Menschenverstand, wird als ausreichend für die Beteiligung an Volksentscheiden angesehen. Die grundsätzliche staatsbürgerliche Kompetenz wird als notwendige Voraussetzung sowohl für Wahlen als auch für Volksentscheide betrachtet. Der Text analysiert verschiedene Argumente und Gegenargumente in Bezug auf die Einführung und Ausgestaltung direkter Demokratie und stellt die unterschiedlichen Perspektiven gegenüber.
3. Vergleichende Betrachtung Direkte vs. Repräsentative Demokratie
Der Text vergleicht die direkte mit der repräsentativen Demokratie. Es wird argumentiert, dass ein direkter Vergleich der beiden Systeme unfair ist, da Volksabstimmungen sich mit einzelnen Sachfragen befassen, während Wahlen die Gesamtpolitik über einen längeren Zeitraum betreffen. Die Wahlbeteiligung an Volksentscheiden wird als respektable Leistung angesehen, wobei Beispiele aus Bayern (Abfallrecht 1991) und Schleswig-Holstein (Buß- und Bettag 1997) angeführt werden. Die sinkende Wahlbeteiligung bei allgemeinen Wahlen wird als größeres Problem gesehen. Die Schweiz wird als Beispiel für ein Land genannt, wo die Beteiligung an Volksabstimmungen und Wahlen auf ähnlichem Niveau liegt. Weitere Aspekte des Vergleichs betreffen die Anfälligkeit der direkten Demokratie für Lobbyismus und den Einfluss von „großem Geld“. Es wird argumentiert, dass die Korruptionschance bei kleinen Zielgruppen höher ist als bei einer breiten Bevölkerung. Studien aus den USA zeigen, dass direktdemokratische Initiativen zwar durch hohe Mitteleinsätze abgeblockt werden können, ein reines Verbandsanliegen jedoch nicht durchgesetzt werden kann. Der Abschnitt vergleicht die zwei politischen Systeme und betont, dass der Erfolg von direkter Demokratie auch von der Ausgestaltung ihrer Institutionen und Verfahren abhängt. Es wird die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung der verschiedenen Aspekte der direkten Demokratie unterstrichen.
4. Die verfahrensmäßige Ausgestaltung direkter Demokratie und der Einfluss des Grundgesetzes
Der Text kritisiert, dass die verfahrensmäßige Ausgestaltung direktdemokratischer Institutionen in der Fachdiskussion oft unzureichend behandelt wird. Die Erfahrungen in den deutschen Bundesländern werden als fehlinterpretiert dargestellt. Es wird argumentiert, dass die geringe Nutzung direktdemokratischer Institutionen in vielen Ländern auf deren restriktive Ausgestaltung zurückzuführen ist. Bayern wird als Beispiel für großzügigere Regelungen genannt. Der Text plädiert für eine flächendeckende Senkung der verfahrensmäßigen Hürden für Volksentscheide. Es wird auf Artikel 146 des Grundgesetzes (GG) verwiesen, der Reformen auf Bundesebene ermöglichen könnte, unter anderem die Ersetzung des Bundesrats durch einen volkserwählten Senat oder die Neugliederung der Länder. Hans Meyer, Staatsrechtslehrer und Präsident der Humboldt-Universität, wird zitiert, der die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Bundesgesetzgebers zur Umsetzung der Vorgaben des Art. 146 GG betont. Der Text argumentiert, dass die Einführung von Volksentscheiden in Deutschland nicht besonders innovativ wäre, da etwa die Hälfte aller Staaten weltweit Volksentscheide auf nationaler Ebene vorsieht. Der Abschnitt beleuchtet die rechtlichen und verfahrenstechnischen Aspekte der direkten Demokratie in Deutschland, wobei die Bedeutung des Art. 146 GG und die Notwendigkeit einer Reform der politischen Institutionen im Kontext von direkter Demokratie herausgestellt werden.
5. Der Einfluss des Internets und die Notwendigkeit einer umfassenden direkten Demokratie
Der Text untersucht den Einfluss des Internets auf die Politik und die politische Berichterstattung. Markus Deggerich, der erste politische Online-Korrespondent für Spiegel Online, wird zitiert, der den steigenden Einfluss des Internets auf die Politik betont. Die klassischen CDU- und SPD-Wähler seien durch selbstbewusste, selbstdenkende Menschen ersetzt worden, die sich verstärkt online informieren. Politiker müssen sich daher verstärkt im Internet engagieren, um diese Wähler zu erreichen. Kurt Kister, Leiter der SZ-Parlamentsredaktion, wird zitiert, der den Einfluss des Internets auf die Bundestagswahl 2006 betont, obwohl er eine vollständige Dominanz des Internets in der politischen Entscheidungsfindung nicht erwartet. Der Text betont, dass das Internet es erlaubt, politische Inhalte und Kandidaten umfassender und tiefgehender darzustellen als klassische Medien. Das Internet fördert Basisdemokratie, indem es eine Interaktion zwischen Politikern und Bürgern ermöglicht. Der Abschnitt befasst sich mit dem wachsenden Einfluss des Internets auf die politische Kommunikation und plädiert für die unbeschränkte Zulassung von Volksentscheiden zu allen politischen Sachfragen, einschließlich Finanzen und Steuern. Die möglichen Auswirkungen auf die etablierte Konsenskultur werden diskutiert, wobei der Text zu dem Schluss kommt, dass die derzeitige Konsensfindung im politischen Prozess ineffektiv ist. Die Notwendigkeit einer umfassenderen direkten Demokratie im Kontext der digitalen Informationsgesellschaft und der politischen Landschaft wird hervorgehoben.
IV.E Government und E Democracy Chancen und Herausforderungen
Der Unterschied zwischen E-Government und E-Democracy wird beleuchtet. Während E-Government die Modernisierung der staatlichen Verwaltung fokussiert, konzentriert sich E-Democracy auf die Erweiterung der politischen Partizipation durch digitale Mittel. Der Text warnt vor einer oberflächlichen Behandlung des Themas und einer möglichen Kolonialisierung der Online-Öffentlichkeit durch etablierte Akteure. Der Artikel untersucht die Möglichkeiten und Grenzen von E-Voting unter Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten und der soziokulturellen Bedeutung des traditionellen Wahlgangs. Die Notwendigkeit von Online-Deliberation und die Qualifizierung des Online-Diskurses werden betont.
1. E Government und E Democracy Abgrenzung und Verwirrung
Der Text beginnt mit einer Abgrenzung der Begriffe E-Government und E-Democracy. Claus Leggewie und Christoph Bieber weisen auf die Entstehung dieser Begriffe im anglo-amerikanischen Raum hin, im Kontext des Aufstiegs von E-Business und E-Commerce Mitte der 90er Jahre. Die oft oberflächliche Verwendung der Begriffe führte zu einer Vermischung der Aufgabenfelder. Besonders das Arbeitsfeld E-Democracy leidet unter dieser Ungenauigkeit, insbesondere durch die Gleichsetzung mit E-Government im Zuge der Modernisierung staatlicher Verwaltung. Die Autoren stellen die entscheidende Frage nach den Unterschieden zwischen E-Government und E-Democracy: „Inwiefern unterscheiden sich ‚E-Government’ und ‚E-Democracy’? Was ist ein Teil wovon, in welches Verhältnis werden Input- und Output-Legitimation (Partizipation und Effizienz) gesetzt?“ (Leggewie/Bieber 2003, 134). Diese Unterscheidung ist zentral für die weitere Analyse, da sie die verschiedenen Aspekte der digitalen Transformation in der öffentlichen Verwaltung und im politischen Prozess beleuchtet.
2. Die Herausforderungen der E Democracy Ressourcen und Reichweite
Der Text analysiert die Herausforderungen der E-Democracy im Kontext der Online-Kommunikation. Es wird festgestellt, dass sich im Internet zwar politikbezogene Inhalte finden, aber keine genuin politische Domäne entstanden ist. Etablierte Akteure wie Parteien, Politiker, Parlamente, Regierungen und Verbände dominieren den Raum. Bürgerinitiativen oder Protestgruppen spielen eher eine Randrolle. Leggewie spricht von einer Kolonialisierung der Online-Öffentlichkeit durch reichweitenstarke Websites etablierter Medienanbieter. Technisch adäquate und inhaltlich konkurrenzfähige Online-Angebote erfordern einen erheblichen Ressourceneinsatz. Der Text betont, dass politische Online-Kommunikation nicht nur durch Kreativität und Interaktivität, sondern auch durch Reichweite, also „Quote machen“, bestimmt wird. Diese Dominanz etablierter Akteure stellt eine große Herausforderung für die Entwicklung einer echten E-Democracy dar, da sie den Zugang für neue Akteure und die freie Meinungsbildung erschwert. Der Abschnitt beleuchtet die Ungleichgewichte in der Online-Kommunikation und die Schwierigkeiten für neue politische Akteure, sich Gehör zu verschaffen.
3. E Government Scheinbild und Realität der Verwaltungsmodernisierung
Die Analyse von E-Government zeigt, dass die bisherigen Ansätze der Verwaltungsmodernisierung nicht erfolgreich waren. Viele Hochglanzprospekte konzentrieren sich auf den einfachen Zugang zu Online-Diensten für die „Gelegenheitskundschaft“ von Ämtern. Der viel wichtigere Nutzen von E-Government für marginalisierte Gruppen wie Arbeitslose, Behinderte, Sozialhilfeempfänger oder Ausländer, die ein großes Viertel der europäischen Bevölkerung ausmachen, wird vernachlässigt. Viele neue Akteure, die sich am E-Government beteiligen, kennen die Verwaltung und deren vergangene Informatisierungsprozesse nicht gut. Dies führt zu einem irreführenden Bild zukünftiger Arbeitsweisen im öffentlichen Dienst. Die Expertise der IT-Abteilungen in Verwaltungen wird häufig ignoriert, da die Politik eher auf „Marktschreier“ hört. Klaus Lenk wird zitiert, der die begrenzte Reichweite und die fehlende Berücksichtigung der Bedürfnisse marginalisierter Bevölkerungsgruppen als zentrale Probleme der aktuellen E-Government-Strategien beschreibt. Der Abschnitt kritisiert die oberflächliche und wenig effektive Umsetzung von E-Government-Projekten und betont die Notwendigkeit einer umfassenderen und inklusiveren Strategie.
4. Online Lernen und E Voting Herausforderungen und Alternativen
Der Abschnitt beleuchtet die Herausforderungen des Online-Lernens und von E-Voting. Beim Onlinelernen werden Selbstdisziplin, Zeitmanagement und Medienkompetenz als entscheidende Voraussetzungen genannt. Der Mangel an diesen Fähigkeiten führt oft zu Unzufriedenheit und Überforderung. Blended Learning, eine Kombination aus Online- und Präsenzunterricht, wird als Möglichkeit zur Verbesserung der Lernergebnisse empfohlen. Die Erfahrungen mit E-Voting in den USA, insbesondere die Probleme bei der Auswertung der Lochkarten, zeigen die technischen Risiken dieser Technologie. Ein Caltech/MIT-Report wird zitiert, der die Unzulänglichkeit von Internet-Wahlen für eine breite Anwendung betont, auf Grund der hohen Sicherheitsrisiken. Im Gegensatz dazu wird das deutsche E-Voting-System beschrieben, das auf qualifizierter Signatur, einem speziellen Wahlbetriebssystem, einem blinden Verschlüsselungsverfahren und informationeller Gewaltenteilung beruht. Das System soll manipulationssicher sein, wobei auch ARP-Spoofing als keine Gefahr angesehen wird. Die soziokulturelle Bedeutung des traditionellen Wahlgangs wird von Staudt hervorgehoben, jedoch wird E-Voting als langfristig mögliche Alternative betrachtet. Der Abschnitt erörtert spezifische Herausforderungen und Chancen im Bereich des Online-Lernens und E-Votings, die sowohl technische als auch soziokulturelle Aspekte betreffen.
V.Zusammenfassung und Ausblick
Zusammenfassend beschreibt der Text ein komplexes Zusammenspiel von Massenmedien, Politik und Interessengruppen, das zu einer oberflächlichen und veränderungsresistenten Gesellschaft führt. Expertenmeinungen werden oft ignoriert, was die Politikverdrossenheit verstärkt. Eine Reform des politischen Systems, z.B. durch die Stärkung direkter Demokratie, wird als notwendig erachtet, um die Bürgerbeteiligung zu erhöhen und die Mündigkeit der Bürger zu fördern. Die Notwendigkeit von umfassender Information und Aufklärung wird als entscheidend für eine funktionierende Demokratie hervorgehoben.
1. Zusammenfassung der zentralen Feststellungen
Die Zusammenfassung fasst die zentralen Ergebnisse des Dokuments zusammen. Die Gesellschaft wird als geprägt von einem „Kartell“ aus Medien, Politik, Wirtschaft und Interessenverbänden beschrieben. Das Hauptproblem liegt nicht in den Lügen und der politischen Agitation der Medien selbst, sondern in der daraus resultierenden Situation: Eine oberflächliche und veränderungsresistente Gesellschaft, in der Experten und kritische Stimmen in den Medien nicht ausreichend Gehör finden. Die politischen Vertrauenskrise, wirtschaftliche Unsicherheit und der Unmut in der Bevölkerung werden zwar thematisiert, führen aber nicht zu konkreten öffentlichen Diskussionen über eine Weiterentwicklung der gesellschaftlichen Ordnung oder mehr Bürgerbeteiligung. Dies wird als gravierendes Problem dargestellt, da Reformen und eine Anpassung an die Herausforderungen der Zeit dringend notwendig sind. Die bestehende Situation wird als verfahren und durch eine zunehmende Oberflächlichkeit und Veränderungsresistenz gekennzeichnet beschrieben, was zu einem Mangel an tiefgreifenden öffentlichen Debatten führt.
2. Ausblick Die Notwendigkeit von Reformen und direkterer Bürgerbeteiligung
Der Ausblick betont die Notwendigkeit von Reformen, um die beschriebenen Probleme zu lösen. Es wird argumentiert, dass es keinen Sinn macht, Volksentscheide auf bestimmte Themengebiete zu beschränken. Alle Sachfragen sollten der Volksabstimmung zugänglich sein, einschließlich Finanzen und Steuern. Die etablierte Konsenskultur im politischen Prozess wird zwar kritisch betrachtet, der potenziell negative Einfluss einer veränderten Entscheidungsfindung jedoch bezweifelt. Die derzeitige Konsensfindung wird als ineffektiv und ergebnislos beschrieben, was zu wenig effektiven und unhandlichen Gesetzen führt. Artikel 146 des Grundgesetzes wird als Möglichkeit zur Umsetzung von Reformen genannt. Die Ersetzung des Bundesrats durch einen volkserwählten Senat oder die Neugliederung der Länder werden als Beispiele für mögliche Reformen genannt. Es wird argumentiert, dass Deutschland mit der Einführung von Volksentscheiden nicht innovativ wäre, da viele Länder bereits solche Mechanismen auf nationaler Ebene nutzen. Die zunehmende Bedeutung von Volksentscheiden in Europa, vor allem im Kontext von EU-Beitritten und Euro-Referenden, wird hervorgehoben. Die Notwendigkeit von Reformen und direkterer Bürgerbeteiligung wird als entscheidend für die Lösung der aufgezeigten Probleme und die Stärkung der Demokratie angesehen.
3. Der Einfluss des Internets auf die politische Kommunikation
Der Ausblick beleuchtet den Einfluss des Internets auf die Politik und Medienlandschaft. Der zunehmende Einfluss des Internets wird als Chance zur Demokratisierung gesehen. Es wird betont, dass Politiker verstärkt das Internet nutzen müssen, um die neuen Wähler, die sich verstärkt online informieren, zu erreichen. Das Internet ermöglicht eine tiefgründigere Darstellung von Inhalten im Vergleich zu klassischen Medien und fördert eine kritischere Auseinandersetzung mit politischen Themen. Die zunehmende Nutzung des Internets durch Parteien und Politiker wird hervorgehoben. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass das Internet auch Risiken birgt, wie z.B. die zunehmende Überlagerung der neuen Medien durch die alten und die Gefahr der „virtual balkanization“. Die Notwendigkeit der Qualifizierung des Diskurses durch interaktive Medien wird betont, da die elektronischen Massenmedien nach wie vor mit Infotainment und Fehlinformationen arbeiten. Trotz der Chancen des Internets für eine verstärkte Bürgerbeteiligung und eine effizientere Kommunikation bleibt die Herausforderung, den Diskurs zu qualifizieren und eine konstruktive Online-Deliberation zu fördern. Die Notwendigkeit einer Anpassung an die veränderte Medienlandschaft und die Nutzung der Möglichkeiten des Internets zur Stärkung der Demokratie wird als zukunftsweisend dargestellt.