
Outbound-Tourismus & Nachhaltigkeit
Dokumentinformationen
Autor | Martin Balaš |
instructor/editor | Ulrike Wachotsch |
Schule | Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde |
subject/major | Nachhaltiger Tourismus |
Dokumenttyp | Themenpapier |
city_where_the_document_was_published | Dessau-Roßlau |
Sprache | German |
Format | |
Größe | 0.91 MB |
Zusammenfassung
I.Defizite bei der Nachhaltigkeitsmessung im Tourismus
Der vorliegende Text kritisiert die bestehenden Systeme zur Messung der Nachhaltigkeit im Tourismus, insbesondere im Hinblick auf den Ausreisetourismus (Outbound Tourism). Die gängige produktionsbasierte Perspektive (production-based perspective) berücksichtigt nicht das Verursacherprinzip (Polluter Pays Principle) und erfasst nicht die ökologischen, sozioökonomischen und soziokulturellen Auswirkungen des Konsums deutscher Touristen im Ausland. Es mangelt an umfassenden Nachhaltigkeitsanalysen (sustainability analysis tourism) aus der Perspektive des Quellmarktes, also Deutschlands. Die Entwicklung geeigneter Indikatoren für nachhaltigen Tourismus (indicators for sustainable tourism) ist daher essentiell, um die Wirkungen des Tourismus (tourism impacts) zu erfassen und nachhaltige Maßnahmen zu bewerten. Die UNWTO arbeitet zwar an einem globalen Rahmenwerk (MST), konzentriert sich aber bisher vorwiegend auf ökonomische und ökologische Kennzahlen.
1. Fehlende Berücksichtigung des Verursacherprinzips
Ein zentrales Problem der bestehenden Nachhaltigkeitsmessung im Tourismus ist das Fehlen einer verursacherseitigen Betrachtung. Das weit verbreitete 'Verursacherprinzip' wird in den Konzepten der UNWTO und anderen nationalen Indikatorensystemen nicht berücksichtigt. Folglich werden die ökologischen, sozioökonomischen und soziokulturellen Auswirkungen des touristischen Konsums von Inländern im Ausland nicht erfasst. Dies betrifft insbesondere den Ausreisetourismus, der, obwohl er Arbeitsplätze schafft und Armutsbekämpfung fördern kann, auch negative Folgen wie lokale Abhängigkeiten, steigende CO2-Emissionen, Nutzungsdruck auf Natur und Landschaft sowie menschenrechtliche Verstöße mit sich bringen kann. Eine umfassende Nachhaltigkeitsanalyse aus der Perspektive des Quellmarktes fehlt bislang. Die derzeitigen Kennzahlen basieren meist auf produktionsbasierten Sichtweisen (Inlandsprinzip oder Inländerprinzip), die die Auswirkungen touristischer Aktivitäten zwar destinationsfokussiert betrachten, aber die Gesamtfolgen nicht ausreichend erfassen.
2. Mangel an geeigneten Indikatoren und Bewertungsinstrumenten
Die Entwicklung von Indikatoren für nachhaltigen Tourismus ist von grundlegender Bedeutung, sowohl für die Forschung als auch für die Praxis. Ohne diese Instrumente bleibt Nachhaltigkeit ein willkürliches Konzept, da Auswirkungen nicht erfasst und der Erfolg von Maßnahmen nicht bewertet werden kann. Die Anwendung von Kennzahlen zur Erfolgsmessung wird in der Literatur zwar ausführlich diskutiert (z.B. Niavis et al. 2019, UNWTO 2004, 2017), und die Komplexität der Messung ist bekannt (Torres-Delgado und Saarinen 2014, Asmelash und Kumar 2019). Die meisten bestehenden Nachhaltigkeitsmesssysteme konzentrieren sich jedoch auf tourismuspolitische Belange auf lokaler oder nationaler Ebene, ohne konkrete Datenquellen zu nennen und oft nur Empfehlungen für Indikatoren abzugeben. Es fehlt an einer ganzheitlichen Perspektive, die die Auswirkungen des Tourismus aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Dies wird in verschiedenen Publikationen (z.B. Cernat und Gourdon 2012; Asmelash und Kumar 2019) kritisiert, die die mangelnde Anwendung und Evaluierung vorhandener Systeme bemängeln und die Sinnhaftigkeit von Indikatoren ohne Zielbezug in Frage stellen (Moscardo und Murphy, 2014; Ko, 2005).
3. Fokus auf Incoming statt Outbound Tourismus
Bisherige Studien konzentrieren sich überwiegend auf den Incoming-Tourismus, entweder aus destinationsspezifischer Sicht oder einer produktionsbasierten Perspektive. Der Ausreisetourismus, also der Tourismus aus der Perspektive eines Quellmarktes wie Deutschland, wird vernachlässigt. Obwohl Initiativen wie die UNWTO-Initiative „Measuring the Sustainability of Tourism“ und das deutsche Tourismus-Nachhaltigkeits-Satellitensystem (TSSA) Fortschritte bringen, fehlt immer noch eine umfassende Betrachtung der Auswirkungen von Auslandsreisen eines Landes. Regionale Ansätze (z.B. INRouTe 2017; Epler Wood, Milstein, Ahamed-Broadhurst 2019) befinden sich größtenteils noch auf konzeptioneller Ebene. Die fehlende Berücksichtigung des Ausreisetourismus führt zu einer unvollständigen Erfassung der Emissionen, da beispielsweise der steigende Anteil ausländischer Fluggesellschaften am deutschen Luftverkehr (45% im Jahr 2017 laut BDF 2018) in produktionsbasierten Analysen oft nicht berücksichtigt wird. Dies führt zu einer Unterschätzung der tatsächlichen Emissionen im Zusammenhang mit dem touristischen Konsum von Flugverkehrsleistungen.
II.Ökonomische Auswirkungen des deutschen Ausreisetourismus
Der deutsche Ausreisetourismus (outbound tourism) generiert erhebliche ökonomische Wirkungen (economic effects) im Ausland, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern. Im Jahr 2015 belief sich das Reisequellmarktvolumen auf 83,3 Milliarden Euro, wovon 44,7 Milliarden Euro für touristische Leistungen im Ausland ausgegeben wurden. Die Studie analysiert direkte, indirekte und induzierte Effekte, z.B. Arbeitsplatzschaffung. Laut IDW (2015) schafft jeder deutsche Tourist direkt 0,07 und indirekt/induziert 0,10 Arbeitsplätze in Entwicklungs- und Schwellenländern. Die Corona-Krise hat zu erheblichen Umsatzeinbußen im Tourismus geführt, besonders für Reisebüros und Reiseveranstalter, die stark vom Auslandsreiseverkehr abhängig sind.
1. Umfang der Ausgaben und deren Verteilung
Der deutsche Ausreisetourismus generiert enorme ökonomische Auswirkungen. Im Jahr 2015 belief sich das gesamte Reisequellmarktvolumen für Urlaubs- und Privatreisen mit mindestens einer Übernachtung auf 83,3 Milliarden Euro. Der Löwenanteil davon, nämlich 44,7 Milliarden Euro, wurde für Tourismusleistungen im Ausland ausgegeben. Europa war mit 26,2 Milliarden Euro das bevorzugte Reiseziel, gefolgt von Fernzielen (11,1 Milliarden Euro) und dem außereuropäischen Ausland (6,4 Milliarden Euro). Die Buchungskanäle zeigen dabei Unterschiede: Direktbuchungen bei deutschen Leistungsträgern, besonders Unterkünften, beliefen sich auf 9,5 Milliarden Euro. Fernziele und der außereuropäische Mittelmeerraum machten nur 14% bzw. 2,9 Milliarden Euro der Buchungen bei Leistungsträgern aus. Reisebüros vermittelten hauptsächlich Auslandsreisen (19,8 Milliarden Euro), während nur 5% bzw. 1,1 Milliarden Euro auf deutsche Reiseleistungen entfielen. Ähnlich verhielt es sich bei Reiseveranstaltern: 81% der Ausgaben (9,3 Milliarden Euro) betrafen ausländische Reisen, lediglich 2,2 Milliarden Euro den deutschen Markt. Die verbleibenden 22% der Gesamtausgaben wurden während der Reise für Waren und Dienstleistungen wie Reiseproviant, Eintritte, Souvenirs oder die Betriebskosten des eigenen PKWs verwendet. Ein Viertel der gebuchten Ausgaben (14 Milliarden Euro) entfiel auf Tourismusaktivitäten innerhalb Deutschlands.
2. Arbeitsplatzeffekte des Ausreisetourismus
Der Ausreisetourismus hat signifikante Auswirkungen auf die Beschäftigung, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern. Laut IDW (2015) schafft jeder deutsche Tourist im Durchschnitt direkt 0,07 und indirekt/induziert 0,10 Arbeitsplätze in diesen Ländern. Das bedeutet, dass etwa 15 deutsche Touristen benötigt werden, um einen Arbeitsplatz im Tourismus direkt zu schaffen. Berücksichtigt man alle Effekte, sind es etwa sechs Touristen pro Arbeitsplatz. Insgesamt führten die touristischen Konsumausgaben aus Deutschland rechnerisch zu einer Beschäftigung von 1,8 Millionen Personen (in Entwicklungs- und Schwellenländern), wenn alle indirekten und induzierten Effekte einbezogen werden. Ein direkter Vergleich zu Beschäftigtenzahlen in anderen Ländergruppen ist aufgrund fehlender Daten in der Studie nicht möglich. Im Vergleich dazu schafft der Tourismus in Deutschland eine direkte Beschäftigung von 2,92 Millionen Personen und Gesamteffekte von 4,93 Millionen Beschäftigten.
3. Auswirkungen der Corona Krise auf den deutschen Ausreisetourismus
Die Corona-Krise hatte verheerende Auswirkungen auf den deutschen Ausreisetourismus und die damit verbundenen ökonomischen Effekte. Grenzschließungen und Reisebeschränkungen führten zu erheblichen Umsatzeinbußen für touristische Akteure. Der Auslandsreiseverkehr wurde besonders stark getroffen, was laut Prognosen auch das gesamte Jahr 2020 betreffen wird. Diese Entwicklung ist existenzbedrohlich für viele Unternehmen, insbesondere für Reisebüros und Reiseveranstalter, die fast ausschließlich vom Auslandsreiseverkehr leben. Der Deutsche Reiseverband (DRV) prognostizierte bis Anfang Juni 2020 Umsatzausfälle von 10,8 Milliarden Euro für Reisebüros und Reiseveranstalter – etwa ein Drittel aller deutschen Reiseausgaben für ausländische Tourismusaktivitäten. Reisebüros sind besonders gefährdet, da sie kaum deutsche Tourismusleistungen verkaufen. Auch nach der Wiedereröffnung der Geschäfte werden erhebliche Umsatzeinbußen erwartet, wie Umfragen des DRV belegen. Eine vollständige Erholung des internationalen Tourismus wird erst ab 2023 erwartet (Quelle: Kompetenzzentrum Tourismus 2020).
III.Ökologische Auswirkungen des deutschen Ausreisetourismus
Der Text untersucht die CO2-Emissionen (CO2 emissions tourism) des deutschen Tourismus. Globale Schätzungen der tourismusbedingten Emissionen (tourism-related emissions) belaufen sich auf 2,5-3% des globalen CO2-Ausstoßes. Die Studie von Lenzen et al. (2018) analysiert die gesamte touristische Wertschöpfungskette und zeigt, dass der Tourismus als Luxusgut betrachtet werden kann, dessen Konsum mit steigenden Einkommen überproportional zunimmt. Eine separate Studie des Umweltbundesamtes ermittelte die klimawirksamen Emissionen des deutschen Reiseverkehrs. Eine Fallstudie von PwC analysierte die betriebsspezifischen Umweltkosten eines TUI-Hotels in Zypern (2,3 Millionen Euro Umweltkosten, davon 1,4 Millionen Euro durch Treibhausgasemissionen).
1. Umfang der globalen CO2 Emissionen durch Tourismus
Schätzungen der globalen CO2-Emissionen durch Tourismusaktivitäten belaufen sich auf 1,17 Gigatonnen CO2 für 2005 (UNWTO 2005, Peeters und Dubois 2010) und 1,12 Gigatonnen für 2010 (Gössling und Peeters 2015). Dies entspricht etwa 2,5-3% des gesamten globalen CO2-Ausstoßes. Diese Analysen berücksichtigen jedoch nur direkte, tourismusbedingte Emissionen in einzelnen Wirtschaftsbereichen und vernachlässigen vor- und nachgelagerte Aktivitäten wie Lebensmittelproduktion, den Bau und Erhalt touristischer Infrastrukturen oder den Einzelhandel. Diese Aktivitäten sind für den Tourismuskonsum von großer Bedeutung und werden in den genannten Studien nicht erfasst, was zu einer Unterschätzung der tatsächlichen CO2-Bilanz führt. Die Studie von Lenzen et al. (2018), „The carbon footprint of global tourism“, liefert detailliertere Erkenntnisse zur Klimawirkung globaler touristischer Aktivitäten über die gesamte Wertschöpfungskette. Sie zeigt, dass Tourismus als Luxusgut betrachtet werden kann, dessen Konsum von wohlhabenden Bevölkerungsschichten dominiert wird und mit steigendem Einkommen die Treibhausgasemissionen überproportional zunehmen.
2. Emissionen des deutschen Outbound Tourismus
Die Erfassung der direkten und indirekten touristischen Emissionen im Ausland gestaltet sich aufgrund mangelnder Datenlage als schwierig. Die Berechnung der Emissionen deutscher Inlandsreisen wird in einem separaten Themenpapier behandelt, während die Erfassung der Emissionen im Ausland im Rahmen des Projekts nicht durchgeführt werden konnte. Deutsche Touristen verursachen im Ausland deutlich mehr Emissionen als ausländische Touristen in Deutschland. Dies kann auf unterschiedliche Energieeffizienz im Inland im Vergleich zu den Reiseländern oder auf besonders emissionsintensive Auslandsreisen der Deutschen zurückzuführen sein. Wird ein Inlandskonzept angewendet, das alle Emissionen der jeweiligen Destination zuordnet, liegt Deutschland sogar auf Platz zwei der Länder mit den höchsten tourismusbezogenen Emissionen pro Tourist. In Deutschland wurden 2013 durchschnittlich 4 Tonnen CO2-Äquivalente pro Tourist ausgestoßen, hauptsächlich durch den Verkehrssektor. Die relative Ressourcenentkopplung wird durch das enorme Wachstum des globalen Reiseverkehrs zunichtegemacht, wobei der Tourismus sogar größere wachstumsbedingte Emissionssteigerungen aufweist als andere Wirtschaftssektoren. Eine Trendwende ist laut den Autoren nicht absehbar. Publikationen wie Gössling, Scott und Hall (2020) fordern angesichts der Corona-Krise ein dringendes Überdenken des Volumenwachstums im Tourismus.
3. Betriebsspezifische Tourismuswirkungen Fallstudie TUI Hotels Zypern
Im Gegensatz zu Studien, die den deutschen Tourismus gesamt betrachten, analysiert eine Fallstudie die betriebsspezifischen Auswirkungen von TUI-Hotels auf Zypern. PwC quantifizierte die Umweltkosten der untersuchten TUI-Hotels auf 2,3 Millionen Euro (4 Euro pro Gästeübernachtung). 1,4 Millionen Euro davon (2,50 Euro pro Gästenacht) entfallen auf Treibhausgasemissionen, wobei 40% auf indirekte und induzierte Auswirkungen zurückzuführen sind. Zusätzliche Umweltkosten von 1,9 Millionen Euro entstehen durch den Luftverkehr nach und von Zypern, die aufgrund von Scope-Zuteilungen nicht in die Gesamtrechnung einbezogen wurden. Mit Einbezug dieser Kosten beliefen sich die Gesamtkosten auf 4,2 Millionen Euro, wovon über 80% auf Flugemissionen entfallen. Die Hotels produzierten durchschnittlich 1,8 kg Abfall pro Kunde und Nacht (mehr als der zypriotische Durchschnitt von 1,4 kg pro Tag), recycelten aber 25% davon (gegenüber 20% im zypriotischen Durchschnitt). Weitere 25 kg Abfall pro Gästenacht fallen in den Lieferketten an. Die Umweltkosten der Wassernutzung waren mit 6.000 Euro vergleichsweise gering. Die Hotels verbrauchten durchschnittlich 340 Liter Wasser pro Kundennacht (mehr als der zypriotische Durchschnitt von 264 Litern pro Tag). Die Studie verdeutlicht, wie die Verkehrsmittelwahl die Gesamtemissionen von Urlaubsreisen dominiert, wobei die Bahn selbst bei größeren Entfernungen die niedrigsten Emissionswerte aufweist.
IV.Soziokulturelle Auswirkungen des Tourismus
Die Studie untersucht auch die soziokulturellen Auswirkungen des Tourismus, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern. Es wird ein u-förmiger Zusammenhang zwischen Touristenankünften und Biodiversität sowie Einkommensungleichheit beobachtet. Die Studie weist auf die methodischen Herausforderungen hin, systemische Zusammenhänge zu erfassen und die Komplexität des Tourismus-Systems (tourism system) zu berücksichtigen. Soziale Faktoren werden in bisherigen Analysen oft unzureichend berücksichtigt, was auch von der VERBRAUCHER-INITIATIVE (2018) bestätigt wird. Die Studie betont, dass die Auswirkungen des Tourismus stark vom jeweiligen Länderkontext abhängen.
1. Tourismus und Biodiversität
Der Text beschreibt einen u-förmigen Zusammenhang zwischen Touristenankünften und Biodiversität (IDW 2015, S. 128). Ein Anstieg der Touristenankünfte führt zunächst zu einem Rückgang der biologischen Vielfalt, ab einem bestimmten Punkt steigt sie jedoch wieder an. Für die Messung wurde der „GEF Benefits Index for Biodiversity“ verwendet, der als eher schwaches Vergleichsmaß beschrieben wird. Tiefere Interpretationen zu diesem komplexen Zusammenhang bleiben im Text aus.
2. Tourismus und Armut
Ein weiterer Aspekt ist der Einfluss des Tourismus auf die Armutsquote. Zunehmende Touristenankünfte scheinen mit einem Rückgang der Armutsquote korreliert zu sein. Dieser Effekt ist jedoch nicht statistisch signifikant und die Unsicherheiten in den Daten lassen keine allgemeingültigen Schlussfolgerungen zu (IDW 2015, S. 97f.). Die Komplexität und die vielfältigen Einflussfaktoren, die den Zusammenhang zwischen Tourismus und Armut prägen, werden angedeutet, jedoch nicht detailliert analysiert.
3. Tourismus und Einkommensungleichheit
Zwischen der Einkommensungleichheit (gemessen durch den Gini-Koeffizienten) und den touristischen Ankünften besteht ebenfalls ein u-förmiger Zusammenhang (IDW 2015, S. 101f.). Zunächst sinkt die Ungleichheit mit steigenden Touristenankünften, um dann bei weiterem Wachstum wieder zuzunehmen. Auch hier werden die komplexen Wechselwirkungen zwischen Tourismus und Einkommensverteilung nur oberflächlich dargestellt, ohne vertiefende Analysen der zugrundeliegenden Mechanismen. Die Studie betont die Schwierigkeiten, eindeutige kausale Zusammenhänge zwischen touristischer Frequentierung und gesellschaftlichen Prozessen herzustellen, da statistische Verfahren die Komplexität des Systems nicht vollständig abbilden können.
4. Methodische Herausforderungen und Limitationen
Die Studie analysiert 13 Bereiche, die in die Gruppen Bürger, Staat, Umwelt und Infrastruktur eingeteilt wurden, und wendet statistische Verfahren an, um Zusammenhänge zu identifizieren. Die Ergebnisse werden als statistische Einheiten dargestellt, ohne Verbindungen zwischen den Bereichen herzustellen. Die Studie räumt ein, dass die angewandten statistischen Verfahren die Komplexität des touristischen Systems nicht vollständig erfassen können. Die Auswirkungen des Tourismus werden stark durch die politische Situation, die soziale Struktur des jeweiligen Landes und verschiedene Interessensgruppen beeinflusst. Eine detaillierte Beurteilung der Auswirkungen ist daher nur im jeweiligen Länderkontext möglich (vgl. IDW 2015, S. 150). Oftmals spielen andere Einflussfaktoren eine größere Rolle als der Tourismus selbst. Die Ergebnisse zu den gesellschaftlichen Effekten sollten daher mit großer Vorsicht interpretiert werden, da sie nur eine eingeschränkte Aussagekraft besitzen und keine systemischen Zusammenhänge abbilden.
5. Mangelnde Berücksichtigung sozialer Faktoren in bisherigen Analysen
Der Text kritisiert die unzureichende Berücksichtigung sozialer Faktoren in bisherigen Analysen der Nachhaltigkeitswirkungen des Tourismus. Der soziale Bereich der Nachhaltigkeit wird nur ungenügend, wenn überhaupt, in die Analysen aufgenommen. Diese Feststellung wird durch andere Studien, wie beispielsweise die der VERBRAUCHER-INITIATIVE (2018), bestätigt. Die mangelnde Einbeziehung sozialer Aspekte in tourismusspezifische Nachhaltigkeitskriterien und Zertifizierungen ist ein gravierender Mangel, der die Gesamtbeurteilung der Nachhaltigkeit beeinträchtigt. Keine der untersuchten Studien erlaubt eine umfassende Bewertung der Nachhaltigkeitswirkungen des deutschen Ausreiseverkehrs; es werden entweder Ländergruppen oder nur einzelne Nachhaltigkeitsaspekte betrachtet.
V.Fazit und Ausblick
Es fehlt an einer standardisierten Methodik zur umfassenden Erfassung der Nachhaltigkeitswirkungen (sustainability impacts) des deutschen Ausreiseverkehrs. Die Corona-Krise hat zu veränderten Nachfragemustern geführt und zeigt sowohl Herausforderungen als auch unbeabsichtigte positive Nebeneffekte wie den Rückgang der Flugemissionen auf. Zukünftig wird die Sensibilität für Themen wie Overtourism zunehmend wichtig werden.
1. Zusammenfassung der Forschungslücken
Der Text fasst zusammen, dass es bislang keine standardisierte Methodik zur Erfassung der Nachhaltigkeitswirkungen des deutschen Ausreiseverkehrs gibt. Die bestehenden Studien fokussieren entweder bestimmte Ländergruppen oder einzelne Nachhaltigkeitsaspekte, insbesondere ökologische Faktoren. Der soziale Bereich der Nachhaltigkeit wird dabei oft unzureichend berücksichtigt, was auch in anderen Studien (z.B. VERBRAUCHER-INITIATIVE 2018) bestätigt wird. Die UNWTO arbeitet zwar an einem globalen statistischen Rahmenwerk (MST), das aber vor allem ökologische und ökonomische Kennzahlen umfasst und bestimmte Umweltfragen wie Biodiversität außen vor lässt. Die fehlende ganzheitliche Perspektive und die mangelnde Datengrundlage erschweren eine umfassende Bewertung der Nachhaltigkeitswirkungen des Tourismus.
2. Auswirkungen der Corona Krise
Die Corona-Krise und die damit verbundenen Nachfrageveränderungen im internationalen Tourismus werden die Wirkungen auf Auslandszielmärkte stark verändern. Die hohe Beschäftigungswirkung des Auslands-Tourismus in Entwicklungs- und Schwellenländern wird durch die Krise herausgefordert. Gleichzeitig ergeben sich unbeabsichtigte positive Nebeneffekte: Der Rückgang der Flugbewegungen führt zu einem tatsächlichen Emissionsrückgang im Flugverkehr, und es wird von einer verzögerten Erholung des Flugverkehrs und damit von reduzierten Emissionen in den nächsten Jahren ausgegangen. Die Sensibilität für das Thema Overtourism könnte durch die Krise zunehmen und für einige Destinationen zu einem Wettbewerbsnachteil werden, da große Menschenansammlungen weiterhin vermieden werden sollen.
Dokumentreferenz
- Measuring Tourism’s Impact a Pilot Study in Cyprus (Price Waterhouse Coopers; the Travel Foundation)
- Klimawirksame Emissionen des deutschen Reiseverkehrs (Institut für Verkehrsforschung (DLR); Institut für Verkehrswesen (KIT); Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH (ifeu); Kantar TNS)
- Entwicklungsfaktor Tourismus (Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH (IDW))
- Nachhaltigkeit im Tourismus: Entwicklungen, Ansätze und Begriffsklärung (Balas, M.; Strasdas, W.)