Wasserzeichendatenbank "Piccard" und "Einbanddatenbank" : ein Vergleich ihrer Suchfunktionen

Wasserzeichen Datenbank Vergleich

Dokumentinformationen

Autor

Dana Wipfler

instructor Prof. Dr. Peter Vodosek
Schule

Hochschule der Medien Stuttgart

Fachrichtung Bibliotheks- und Medienmanagement
Dokumenttyp Diplomarbeit
Ort Stuttgart
Sprache German
Format | PDF
Größe 1.71 MB

Zusammenfassung

I.Die Entwicklung der Papierherstellung in Europa und die Bedeutung von Wasserzeichen

Die Erfindung des Papiers in China verbreitete sich über das Arabische Reich nach Europa. Erste Papiermühlen entstanden im 9. Jahrhundert in Spanien. Der steigende Papierbedarf, angetrieben durch den Buchdruck, die Reformation und die graphischen Künste, führte zur Ausbreitung der Papierproduktion. Wasserzeichen, in das Papier eingearbeitete Markierungen, dienten schon früh als Hinweis auf Provenienz und Produktionszeitraum. Ihre Analyse ermöglicht die genaue Datierung von Dokumenten.

1. Die Verbreitung des Papiers in Europa

Die Erfindung des Papiers in China während der Han-Dynastie (202 v. Chr. – 220 n. Chr.) fand über das expandierende Arabische Reich ihren Weg nach Westen. Über Spanien und Sizilien gelangte es nach Europa, wobei erste nachweisliche Anwendungen in Spanien bereits im 9. Jahrhundert stattfanden. Anfangs wurde Papier importiert, bevor die arabische Produktionstechnik übernommen und die eigene Papierherstellung in Europa etabliert wurde. Vor der Etablierung deutscher Papiermühlen erfolgte der Import hauptsächlich aus Italien. Zur Zeit Stromers sollen bereits 30 bis 40 weitere Papiermühlen in Europa existiert haben. Die Nachfrage konzentrierte sich zunächst auf Handelsplätze, Fürstenhöfe und Universitäten. Der enorm steigende Bedarf wurde durch die Erfindung des Buchdrucks, die Reformation und den Aufschwung der graphischen Künste im Humanismus befeuert. Diese Entwicklungen wären ohne die Verfügbarkeit von Papier in diesem Ausmaß nicht denkbar gewesen. Trotzdem hatte Papier anfänglich Schwierigkeiten, sich gegen den etablierten Beschreibstoff Pergament durchzusetzen. Die Papierherstellung war mit unangenehmen Gerüchen verbunden, was zu einer räumlichen Ausgrenzung, oft außerhalb der Stadtmauern, führte.

2. Die Herstellungstechnik und die Entstehung von Wasserzeichen

Der Papierherstellungsprozess beinhaltete das Vermischen von Fasern mit Wasser in einer Bütte (Stein- oder Holzwanne). Mittels eines Drahtsiebs mit hölzernem Rahmen wurde die Masse abgeschöpft. Vertikale Drähte (Bodendrähte oder Rippdrähte) und horizontale Drähte (Binde- oder Kettendrähte) bildeten das Sieb. Das Wasser floss durch die Maschen ab, während die Fasern verfilzten. Oft wurden mehrere Siebe parallel eingesetzt. Nach dem Abpressen und Trocknen auf Filz hingen die Papierbögen zum endgültigen Trocknen auf Leinen in luftigen Dachkammern. Charakteristisch für die Papierproduktion im westlichen Abendland sind Wasserzeichen oder Papierzeichen. Diese entstanden durch das Annähen einer feinen Drahtfigur auf die Innenseite des Schöpfsiebs, wodurch sich die Figur später auf dem Papier abzeichnete. Verdickungen oder dünnere Stellen im Papier zeigen die Befestigungspunkte des Drahts an. Diese Wasserzeichen sind bei genauer Betrachtung gegen das Licht erkennbar.

3. Wasserzeichen als Mittel der Datierung und Provenienzforschung

Seit dem 18. Jahrhundert werden Versuche unternommen, Schriftstücke anhand von Wasserzeichen zu datieren. Der erste Versuch, Alter und Herkunft von Urkunden mittels Wasserzeichen zu bestimmen, wird dem polnischen Professor Johann Samuel Hering im Jahr 1736 zugeschrieben (Gerhard Piccard). Entscheidend für die Papierforschung waren jedoch erst umfangreiche Wasserzeichensammlungen, die durch Vergleichsmöglichkeiten Rückschlüsse auf Alter, Provenienz und Produktionsstätte erlaubten. Dies ermöglichte präzise Datierungen in der Buchforschung und anderen wissenschaftlichen Disziplinen. Die größte Sammlung vor Briquets Werk war die Sammlung Lichačev (4.258 Abbildungen, 1899, St. Petersburg).

II.Wichtige Wasserzeichensammlungen Briquet und Piccard

Charles Moïse Briquet's "Les filigranes" (1907) ist eine wegweisende Sammlung von Wasserzeichen-Abbildungen aus verschiedenen europäischen Ländern (Italien, Frankreich, Deutschland, Österreich, Ungarn, Schweiz, Belgien und den Niederlanden), mit 16.112 Abbildungen. Gerhard Piccard schuf nach dem Zweiten Weltkrieg eine umfangreiche Wasserzeichenkartei, die heute als digitale Datenbank (Wasserzeichenkartei Piccard) im Hauptstaatsarchiv Stuttgart zugänglich ist und über 95.000 Karteikarten mit Papierzeichen umfasst. Beide Sammlungen sind essenziell für die Datierung und Provenienzforschung von Dokumenten auf Papier.

1. Die Sammlung Briquet Les Filigranes

Die im Jahr 1907 erschienene Sammlung "Les Filigranes" des französischen Papierhistorikers und Wasserzeichenforschers Charles Moïse Briquet (geboren 1839 in Genf) gilt bis heute als unverzichtbares Hilfsmittel in der Wasserzeichenforschung. Briquet, dessen Familie seit Generationen im Papierhandel tätig war, entwickelte ein großes Interesse an Papier und dessen Wasserzeichen, insbesondere im Kontext der Schweizer Papiergeschichte und des Schweizer Papierhandels. Seine Forschungsarbeit umfasste einen Großteil Europas (außer England, Russland, Skandinavien, Spanien, Türkei und Griechenland), konzentrierte sich jedoch auf die Zeit bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts (Ende der Renaissance). Aufgrund beginnender Erblindung schloss er seine Sammlung 1905 ab. Die 1907 veröffentlichte Sammlung enthielt aus verlegerischen Gründen nur einen Teil seiner insgesamt 44.000 Zeichnungen. Das älteste Wasserzeichen stammt aus dem Jahr 1282 und wurde in Italien verwendet. Die Sammlung umfasst 16.112 Abbildungen von Wasserzeichen in Originalgröße und beinhaltet detaillierte Beschreibungen der Motive, ihrer Verwendung, des Zeitraums und der Regionen, in denen sie auftraten, sowie Angaben zur Papier- und Wasserzeichenqualität und deren künstlerischer Bedeutung. Briquet untersuchte auch die Entwicklung der Wasserzeichenformen im Laufe der Zeit und unterschied zwischen "variétés similaires", "variétés identiques" und "variétés divergentes" um Ähnlichkeiten zu kategorisieren. Er schätzte die Lebensdauer eines Schöpfsiebs auf zwei Jahre und berücksichtigte bei der Analyse die arbeitsteilige Herstellung von Papier.

2. Die Sammlung Piccard Wasserzeichenkartei und Datenbank

Die Wasserzeichenkartei "Piccard", heute als digitale Datenbank verfügbar, ist ein bedeutendes Werk des deutschen Wasserzeichenforschers Gerhard Piccard (geboren 1909 als Gerhard August Karl Bickert in Berlin). Piccard, der zunächst eine musikalische Karriere anstrebte, widmete sich nach dem Zweiten Weltkrieg der Wasserzeichenforschung. Zwischen 1947 und 1974 untersuchte er über 80 europäische Archive. Seine Sammlung, die 1951 dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart übergeben wurde, enthielt über 95.000 Karteikarten und 25.000 weitere Durchzeichnungen. Bis zu seinem Tod 1989 erweiterte er seine Sammlung stetig. Die Karten wurden in sogenannten "Findbüchern" der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das Hauptstaatsarchiv digitalisierte die Sammlung, wobei die hierarchische Ordnung Piccards beibehalten wurde. Die Digitalisierung umfasste auch die noch nicht veröffentlichten Bestände. Zusätzlich zu den Findbüchern verwaltet das Landesarchiv Stuttgart weitere 37.000 Karteikarten. Die Digitalisierung der Sammlung wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert und ermöglicht eine effizientere Suche und Konservierung der wertvollen Daten. Die ersten Findbücher dienten als interne Findbehelfe, spätere Ausgaben bieten maßstabsgetreue Abbildungen für den direkten Vergleich.

III.Die Erforschung von Bucheinbänden und ihre digitalen Ressourcen

Die Erforschung von Bucheinbänden, insbesondere gotische Einbände und Renaissance-Einbände, konzentriert sich auf die Analyse von Stempeln. Wichtige Sammlungen sind die von Ernst Kyriss (ca. 20.000-25.000 Stempel-Durchreibungen), die Sammlung Schwenke (gotische Stempel und Einbanddurchreibungen) und die Sammlung München der Bayerischen Staatsbibliothek. Diese Sammlungen werden zunehmend digitalisiert und in einer Einbanddatenbank zugänglich gemacht, um die Forschung zu vereinfachen und die Provenienz von Büchern zu ermitteln. Die belgisch-niederländische "Bucheinband-Gesellschaft" trägt ebenfalls zur Erforschung bei.

1. Die Entwicklung des Bucheinbands und frühe Techniken

Frühe Bucheinbände bestanden aus übereinander geklebten Papyrusblättern, die zu einem Karton zusammengebunden und mit Leder (Rind-, Schwein-, Wild- oder Ziegenleder) überzogen wurden. Der Einband diente dem Schutz und der Stabilität des Buches, aber auch der Dekoration. Der Stil des Einbands spiegelte den Geschmack und die finanziellen Möglichkeiten des Besitzers wider, weniger den Inhalt des Buches. Mönche waren lange Zeit die Hauptanfertiger von Bucheinbänden, da die meisten Bücher religiösen Inhalts waren und Kirche und Bildung eng verbunden waren. Bücher wurden nicht immer gebunden verkauft; oft erst der spätere Besitzer ließ den Buchblock einbinden. Häufige Besitzerwechsel führten zu wiederholtem Binden und Verlust des ursprünglichen Charakters. Ein charakteristisches Merkmal früher Einbände sind Buckel-Metallbeschläge, die das liegende Aufbewahren ermöglichten und vor Abnutzung und Feuchtigkeit schützten. Die liegende Aufbewahrung führte oft zu bemalten oder verzierten Buchschnitten. Erst mit dem steigenden Buchdruck nach der Erfindung der Drucktechnik wurde die heute übliche stehende Aufbewahrung gängiger.

2. Buchbinderwerkstätten der Buchhandel und Einbandstempel

Mit der Gründung von Universitäten und Bibliotheken und dem aufstrebenden Bürgertum entstanden weitere Buchbinderwerkstätten. Studenten mussten ihre Lehrbücher selbst organisieren, was zu einer erhöhten Nachfrage nach Kopien und Einbänden führte. Der Buchhandel erlebte einen Aufschwung; Drucker wie Aldus Manutius begannen, Bücher benutzungsfertig gebunden zu verkaufen. Diese frühen Verkaufseinbände waren oft schlicht verziert, mit neutralen Motiven und manchmal dem Buchtitel auf der Ansichtseite. Die Entwicklung der Einbandgestaltung erfolgte durch die Kombination verschiedener Techniken und Stile. Wichtige Hinweise zur Entstehung eines Einbandes liefern wiederverwendetes Material (z.B. beschriftetes Papier zur Versteifung), das verwendete Material selbst, handschriftliche Vermerke, Eingravierungen auf Schließen und Einbandschmuck. Beliebte Motive waren Ornamente, Pflanzen (Rosen, Lilien, Blätter), Tiere (oft symbolträchtig für Heilige oder Evangelisten), religiöse Symbole und Fabelwesen (z.B. Einhorn). Die Stempel wurden mit viel Kraft in vorbereitete Deckelflächen eingedrückt, wobei regionale Unterschiede in der Gestaltung der Flächen und der Stempel selbst existierten.

3. Die Sammlung Kyriss und die Einbanddatenbank

Ernst Kyriss (geboren 1881), ein studierter Bauingenieur, widmete sich nach Aufgabe seines Berufs der Kunstgeschichte und der Erforschung von Bucheinbänden, insbesondere gotischer und Renaissance-Einbände. Ab 1929 erstellte er ca. 20.000 bis 25.000 Blätter mit Stempeldurchreibungen aus Bibliotheken in Süddeutschland, dem restlichen Deutschland, der Schweiz und Österreich. Sein Werk umfasst ca. 186 Buchbinderwerkstätten und 1.711 Stempel. Nach seinem Tod 1974 verwaltete die Württembergische Landesbibliothek seine Sammlung (über 400 Mappen und 113 Ringbücher). Sie beteiligte sich 2001 an der "Einbanddatenbank", einem Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft, das weitere Sammlungen (Schwenke, Wolfenbüttel, München) beinhaltet. Die Einbanddatenbank soll unveröffentlichtes Material erschließen, was oft aufwendige Recherche erfordert. Die Datenbank ermöglicht die Suche nach Stempeln anhand verschiedener Kriterien (Werkstatt, Werkzeug, Buchbinderische Einheit) und bietet Verknüpfungen zu anderen relevanten Daten. Die "interne Kyriss-Nummer" wurde eingeführt, um die große Anzahl an Stempeln in der Datenbank zu verwalten.

IV.Digitale Datenbanken und zukünftige Kooperationen

Die digitalen Datenbanken (Wasserzeichenkartei Piccard, Einbanddatenbank, "Watermarks in Incunabula") ermöglichen die Suche nach Wasserzeichen und Einband-Stempeln anhand von Motiven, Daten, Orten und anderen Kriterien. Künftige Kooperationen zwischen verschiedenen Projekten und Institutionen (z.B. Zusammenarbeit zwischen der Wasserzeichenkartei Piccard, der Einbanddatenbank und "Watermarks in Incunabula") zielen auf eine gemeinsame Datenbank, eine vereinheitlichte Terminologie und verbesserte Suchfunktionen ab, um die Inkunabelforschung zu fördern. Dies beinhaltet auch die Vernetzung internationaler Sammlungen.

1. Bestehende digitale Datenbanken Funktionen und Möglichkeiten

Die Wasserzeichenkartei "Piccard" im Hauptstaatsarchiv Stuttgart und die Einbanddatenbank bieten digitale Zugänge zu umfangreichen Sammlungen. Die Wasserzeichenkartei, basierend auf der Arbeit von Gerhard Piccard, enthält über 95.000 Karteikarten und 25.000 Durchzeichnungen, die nach und nach digitalisiert werden. Die Suche in der Wasserzeichenkartei liefert Informationen zum gesuchten Motiv, bietet aber bisher nur begrenzte Verknüpfungen. Im Gegensatz dazu ermöglicht die Einbanddatenbank detailliertere Recherchen. Sie verbindet Informationen zu Stempeln mit Angaben zur Werkstatt, zum Buchbinder und zur "Buchbinderischen Einheit" (bibliographische Daten zum Einband). Die Datenbank erlaubt die Verknüpfung von Stempeln mit gleichem Motiv und bietet Zugriff auf alle Stempel eines bestimmten Einbandes. Sowohl die Einbanddatenbank als auch die Wasserzeichenkartei erlauben die Suche nach Abbildungen, die auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt werden können. Beide Datenbanken bieten einen Sucheinstieg über terminologische und bildliche Indizes sowie Suchmasken. Die Einbanddatenbank differenziert zusätzlich zwischen Einzelstempeln, Rollen und Platten. Die Bildersuche in der Wasserzeichenkartei ist für die Suche nach mehreren Zeichen hintereinander etwas umständlicher.

2. Kooperationen und zukünftige Entwicklungen der Datenbanken

Das belgisch-niederländische Projekt "Watermarks in Incunabula" (WILC) bietet eine weitere digitale Datenbank mit über 16.000 Abbildungen von Wasserzeichen in Inkunabeln. Die Datenbank ist öffentlich zugänglich und erlaubt neben der bildlichen und terminologischen Suche auch die Suche nach Drucker, Druckort, Druckdatum, Papiergrößen und der Position des Wasserzeichens. Eine wichtige Zielsetzung ist die Zusammenarbeit der drei Projekte (Wasserzeichenkartei Piccard, Einbanddatenbank und WILC). Eine gemeinsame, mehrsprachige Terminologie soll die Suche vereinfachen. Eine Fachkonferenz im November 2004 in Stuttgart diente dem Austausch und der Planung zukünftiger Kooperationen. Geplant ist die Erweiterung der Suchfunktionen und die Vernetzung mit weiteren, kleineren Sammlungen, um eine umfassendere und effizientere Recherche zu ermöglichen. Es wird angestrebt, auch die englische "Database of Bookbindings" durch eine gemeinsame, übergeordnete Suchebene einzubinden. Die Zusammenarbeit der Württembergischen Landesbibliothek (WLB) mit INKA (Gesamtkatalog der Wiegendrucke) dient als Beispiel für eine erfolgreiche datenbankübergreifende Zusammenarbeit. Auch die Sammlung Geldner der Bayerischen Staatsbibliothek und weitere internationale Projekte sollen in die Einbanddatenbank integriert werden. Die Vorarbeiten für die Zusammenarbeit mit Belgien und den Niederlanden sind bereits im Gange, inklusive der Übersetzung von Thesauri ins Französische und Niederländische.