
Polbewegung: Geodätische Raumbeobachtungen
Dokumentinformationen
Autor | Franziska Göttl |
instructor/editor | Univ.-Prof. Dr.-Ing. M. Schilcher |
school/university | Technische Universität München |
subject/major | Bauingenieur- und Vermessungswesen |
Dokumenttyp | Dissertation |
city_where_the_document_was_published | München |
Sprache | German |
Format | |
Größe | 5.23 MB |
Zusammenfassung
I.Kreiseltheorie und Referenzsysteme
Diese Arbeit untersucht die Erdrotation, insbesondere die Polbewegung und Tageslängenvariationen. Die physikalischen Grundlagen werden durch die Kreiseltheorie gelegt, welche die Rotation der Erde als rotierenden, elastischen Körper beschreibt. Die Beschreibung der Erdrotationsschwankungen erfordert die Definition von raumfesten (z.B. ICRF) und erdgebundenen Referenzsystemen (z.B. ITRS, ITRF2008, DTRF2008). Die Transformation zwischen diesen Systemen ist essentiell und wird durch die Polbewegung, Präzession und Nutation definiert. Die Love'schen Zahlen werden zur Berücksichtigung von Deformationen (Gezeiten, Rotations- und Auflastdeformationen) des Erdkörpers verwendet. Die Chandlerperiode spielt eine wichtige Rolle im Verständnis der Polbewegung.
1. Kreiseltheorie Physikalische Grundlagen der Erdrotation
Die Kreiseltheorie bildet die Grundlage zum Verständnis des Drehverhaltens der Erde. Sie ist ein Teilgebiet der Mechanik und umfasst sowohl die Kinematik (Bewegungsbeschreibung) als auch die Dynamik (Ursachen der Bewegung, Kräfte). Die Erde wird als rotierender Körper modelliert, wobei bei nicht-starren Körpern zusätzlich Deformationen berücksichtigt werden müssen. Die Translation (Bewegung um die Sonne) und Rotation (Drehung um die eigene Achse) der Erde können aufgrund der großen Distanzen zu anderen Himmelskörpern und der Verwendung geozentrischer Koordinatensysteme in der Geodäsie getrennt betrachtet werden. Die Erdbahn um die Sonne kann näherungsweise mit dem Zwei-Körper-Problem (Keplerproblem) berechnet werden. Die Erdrotation um ihre Rotationsachse, welche den Erdschwerpunkt enthält, ist eine rotatorische Bewegung, die mit dem Trägheitstensor mathematisch beschrieben wird. Dieser ist unabhängig vom Bezugssystem, seine Komponenten jedoch nicht. Die Hauptträgheitsmomente (A, B, C) repräsentieren die Trägheit des Körpers, während die Deviationsmomente (D, E, F) die Unwuchten aufgrund unsymmetrischer Massenverteilung widerspiegeln. Hauptträgheitsachsen sind Achsen, entlang derer keine Unwuchten auftreten (D=E=F=0). Die Berechnung der Trägheitsmomente erfolgt durch Integration über das Produkt der Massenelemente und dem Quadrat ihrer Distanzen zu den Koordinatenachsen. Die Instabilität der Figurenachse gegenüber externen Störungen wird hervorgehoben.
2. Referenzsysteme Raumfeste und Erdgebundene Systeme
Die Beschreibung von Bewegungen erfordert Referenzsysteme. Dreidimensionale kartesische Koordinatensysteme, definiert durch Ursprung, Basisvektoren und Maßstab, eignen sich am besten. Für die Erdrotation werden ein raumfestes und ein erdgebundenes Referenzsystem benötigt. Die Definition und Realisierung solcher Systeme ist eine zentrale Aufgabe der Geodäsie. Das Dokument beschreibt ein international anerkanntes raumfestes und ein erdgebundenes System sowie die Transformation dazwischen. Der Fokus liegt auf der Transformation, da diese die zeitliche Änderung der Erdorientierung widerspiegelt und eine geometrische Beschreibung der Erdrotationsschwankungen liefert. Satellitenbewegungen werden in raumfesten, Beobachtungsstationen in erdgebundenen Systemen beschrieben. Das Internationale Terrestrische Referenzsystem (ITRS) und sein Realisierung (ITRF) werden vorgestellt. Der Ursprung des ITRS liegt im Geozentrum, die Orientierung der Achsen ist mit dem terrestrischen Referenzsystem des BIH (Epoche 1984.0) konsistent. Die z-Achse verläuft durch den IERS Referenzpol (IRP), die x-Achse zeigt zum konventionellen Meridian von Greenwich. Die Bedingung „No-Net-Rotation“ (NNR) sorgt für ein quasi-ruhendes System. Die Realisierung des ITRS erfolgt durch die Berechnung von Stationskoordinaten und -geschwindigkeiten aus Entfernungsbeobachtungen mit geodätischen Raumverfahren. Die Kombination verschiedener Techniken (VLBI, SLR, GNSS) optimiert die Genauigkeit und Langzeitstabilität. Der ITRF muss regelmäßig neu bestimmt werden aufgrund tektonischer Plattenbewegungen. ITRF2008 als aktueller Standard wird erwähnt. Die Transformation zwischen dem terrestrischen Zwischenursprung (TIO) und dem ITRS wird über die Polbewegung beschrieben. Die Polbewegung, im Gegensatz zu Präzession und Nutation, kann aufgrund ihrer Komplexität nicht durch Modelle exakt beschrieben werden. Der IERS liefert tägliche Zeitreihen für die Polkoordinaten (xp, yp). Diese enthalten keine täglichen und subtäglichen Variationen aufgrund von Ozeangezeiten und halbtägiger Nutation. ∆UT1, xp und yp werden oft als Erdrotationsparameter (ERP) bezeichnet, was jedoch irreführend ist, da die Erdrotation auch Lageänderungen der Rotationsachse im Raum umfasst.
II.Geodätische Raumverfahren zur Erdrotationsbestimmung
Die Bestimmung der Erdrotationsparameter (ERPs) erfolgt mittels verschiedener geodätischer Raumverfahren: Satellite Laser Ranging (SLR), Very Long Baseline Interferometry (VLBI), Global Navigation Satellite Systems (GNSS), insbesondere GPS, und DORIS. Jedes Verfahren hat spezifische Stärken und Schwächen, die durch Kombination optimiert werden können. SLR ist wichtig für die geozentrische Lage, VLBI für die präzise Bewegung im Raum, und GNSS für die globale Abdeckung. Die Kombination der Daten erfolgt auf verschiedenen Ebenen (Beobachtungs-, Normalgleichungs- oder Parameterebene). Das Internationale Erdrotationsdienst (IERS) und der International Polar Motion Service (IPMS) spielen eine zentrale Rolle in der Datenverarbeitung und -bereitstellung.
1. Satellite Laser Ranging SLR
Die Erdrotation wird seit 1975 mit dem geometrischen Raumverfahren SLR (Satellite Laser Ranging) beobachtet. SLR basiert auf der präzisen Messung der Entfernung zwischen Bodenstationen und Satelliten mit Laserimpulsen. Die Genauigkeit liegt im Millimeterbereich. Die Verwendung von SLR ermöglicht eine immer genauere Bestimmung der Erdrotation und trägt wesentlich zur Realisierung der geozentrischen Lagerung des terrestrischen Referenzsystems bei. Die Auswahl kugelförmiger Satelliten (Ajisai, Etalon-1/-2, Lageos-1/-2, Stella, Starlett etc.) minimiert Störkräfte wie Atmosphärenwiderstand und Strahlungsdruck. Die kostengünstige Methode ermöglicht die Nutzung zahlreicher Satelliten (CHAMP, Envisat, GRACE-A/-B, Jason-1/-2 etc.), die Laserretroreflektoren tragen, zur Bestimmung ihrer Bahnen. In der Geodäsie wird SLR zur Bestimmung von Satellitenbahnen, des langwelligen Anteils des Gravitationsfeldes, Positionen und Geschwindigkeiten von Bodenstationen und zur Bestimmung von Erdrotationsparametern (EOP) eingesetzt. Der internationale SLR Service (ILRS) stellt Daten und Produkte zur Verfügung. Die Beobachtungsgleichung für SLR beinhaltet die Entfernung zwischen Bodenstation und Satellit, korrigiert um atmosphärische, relativistische und instrumentale Einflüsse sowie Messfehler. Die Position der Bodenstation wird unter Berücksichtigung tektonischer Plattenbewegungen (Modelle wie NNR-NUVEL-1A, APKIM), Gezeiten-, Auflast- und Rotationsdeformationen berechnet und in ein raumfestes Referenzsystem transformiert.
2. Very Long Baseline Interferometry VLBI
Seit 1984 wird die Erdrotation zusätzlich mit VLBI (Very Long Baseline Interferometry) beobachtet. VLBI nutzt die Interferometrie von Radiowellen von weit entfernten Quasaren, um die relativen Positionen von Bodenstationen und die Erdorientierung zu bestimmen. VLBI liefert Informationen über den Abstand zwischen VLBI-Stationen (Basislänge) und die Richtung zu den Quasaren. Ein Nachteil ist die hohe Kostenintensität und die begrenzte Anzahl von Bodenstationen, was eine nicht-optimale geometrische Verteilung zur Folge hat. Die Beobachtungen müssen daher sorgfältig geplant werden und finden nicht kontinuierlich statt. VLBI wird in der Astronomie, Geodäsie und Geophysik eingesetzt, um relative Positionen von Bodenstationen und Quasaren zu bestimmen sowie das raumfeste Referenzsystem und die zeitliche Änderung der Erdorientierung (Präzession, Nutation und UT1) zu erfassen. VLBI ist das einzige Raumbeobachtungsverfahren, welches eine präzise Bestimmung der Bewegung der Erde im Raum ermöglicht. Der International VLBI Service for Geodesy and Astrometry (IVS) stellt Daten und Produkte wie ICRF, TRF und EOP zur Verfügung. Die Laufzeitverzögerungen der Mikrowellensignale sind frequenzabhängig und können über die Anzahl freier Elektronen entlang des Signalweges bestimmt werden. Daher werden VLBI-Messungen auf mindestens zwei verschiedenen Frequenzen durchgeführt.
3. Global Navigation Satellite Systems GNSS und DORIS
Seit 1990 werden GNSS-Beobachtungen (z.B. GPS, GLONASS, Galileo) zur Bestimmung der Erdrotationsparameter eingesetzt. Das Funktionsprinzip wird am Beispiel von GPS erläutert: Mindestens 24 Satelliten senden Mikrowellensignale (L1=1575.42 MHz, L2=1227.60 MHz) mit aufmodulierten Codes und Daten. GPS-Empfänger bestimmen Pseudoentfernungen aus Zeit- oder Phasendifferenzen, die von Satelliten- und Empfängeruhrfehlern abhängen. Die Position einer Bodenstation ergibt sich aus der Schnittmenge von mindestens drei Kugeln um drei Satelliten mit bekannter Position, wobei eine vierte Messung zur Bestimmung des Uhrenfehlers benötigt wird. Das Hauptziel von GNSS ist die globale Positions- und Geschwindigkeitsbestimmung. Relativistische und instrumentale Einflüsse müssen bei der Auswertung berücksichtigt werden. Seit 1994 können auch Messungen des Dopplersystems DORIS verwendet werden. Die Kombination verschiedener geodätischer Raumverfahren ermöglicht die Nutzung verfahrensspezifischer Stärken und die Kompensation von Schwächen, dies kann auf Parameter-, Normalgleichungs- oder Beobachtungsebene erfolgen. Eine vollständig konsistente Kombination ist nur auf Beobachtungsebene möglich; die Kombination auf Normalgleichungsebene stellt eine gute Näherung dar, bietet aber weniger Möglichkeiten zur Fehleridentifizierung und -gewichtung. Die Arbeit analysiert drei EOP-Zeitreihen (IERS EOP 08 C04, ITRF2008, DTRF2008), die unterschiedliche Berechnungsstrategien und Datenkonsistenzen aufweisen.
III.Bestimmung geophysikalischer Anregungsmechanismen
Die Arbeit zielt darauf ab, geophysikalische Anregungsmechanismen der Polbewegung durch die Kombination von geometrischen, gravimetrischen und altimetrischen Raumbeobachtungen zu bestimmen. Die Analyse konzentriert sich auf die Trennung der integralen Effekte in Beiträge von Atmosphäre, Ozeanen und kontinentaler Hydrosphäre. Gravimetrische Daten (von GRACE-Missionen) liefern Informationen über Massenveränderungen, während altimetrische Daten (von Satelliten wie Jason-1/2, Topex/Poseidon, Envisat) Meereshöhenänderungen erfassen. Die Daten werden mithilfe von Filtern (z.B. DDK1-Filter) und Land-Ozean-Masken verarbeitet. Die sterische Meereshöhenänderung wird aus Temperatur- und Salzgehaltsdaten (WOA09, Ishii) abgeleitet.
1. Zielsetzung Präzisere Bestimmung geophysikalischer Anregungsmechanismen
Das Hauptziel der Arbeit ist die genauere Bestimmung geophysikalischer Anregungsmechanismen der Polbewegung durch die Kombination von geometrischen, gravimetrischen und altimetrischen Raumbeobachtungen. Bisherige Methoden, die hauptsächlich auf geophysikalischen Modellen basieren, erreichen dies nicht mit ausreichender Genauigkeit. Die Modellierung von Massenverlagerungen und -bewegungen in den einzelnen Erdsystemen (feste Erde, Atmosphäre, Ozeane, kontinentale Hydrosphäre, Kryosphäre, Biosphäre) ist schwierig, da die relevanten Zustandsgrößen nicht mit ausreichender Genauigkeit, räumlicher und zeitlicher Auflösung global beobachtet werden können. Die Kombination der geodätischen Raumbeobachtungsverfahren soll die Schwächen der einzelnen Verfahren ausgleichen und deren Stärken optimal nutzen, um die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der geschätzten Parameter zu erhöhen. Die verbesserten Erkenntnisse sollen zu einem besseren Verständnis geophysikalischer Prozesse und Zusammenhänge beitragen und die Erdsystemforschung unterstützen. Die Arbeit steht im Einklang mit den Zielen des Global Geodetic Observing System (GGOS) der Internationalen Assoziation für Geodäsie (IAG).
2. Datenquellen und Methoden Kombination verschiedener Raumbeobachtungen
Die Arbeit kombiniert geometrische, gravimetrische und altimetrische Raumbeobachtungen. Geometrische Beobachtungen stammen von Verfahren wie Satellite Laser Ranging (SLR), Very Long Baseline Interferometry (VLBI), Global Navigation Satellite Systems (GNSS) und DORIS. Gravimetrische Daten werden aus zeitvariablen Gravitationsfeldänderungen der Erde abgeleitet, hauptsächlich von der GRACE-Mission. Altimetrische Daten liefern Informationen über Meereshöhenänderungen und stammen von Satellitenaltimetern (z.B. Jason-1/2, Topex/Poseidon, Envisat). Die Kombination dieser Daten soll eine umfassendere und genauere Analyse der Erdrotation ermöglichen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Trennung der integralen geodätischen Messgrößen in die Beiträge der einzelnen Geofluide (Ozeane, kontinentale Hydrosphäre). Es wird untersucht, welche Filtertechniken (z.B. DDK1-Filter) und Land-Ozean-Masken am besten geeignet sind, um Störfaktoren zu reduzieren und die Gebiete realistisch zu trennen. Die Arbeit untersucht erstmals, ob sich der integrale Anregungsmechanismus der Polbewegung durch die Kombination der genannten Verfahren in die Einzelbeiträge verschiedener Erdsubsysteme aufspalten lässt. Ein Kombinationsmodell wird vorgestellt, um atmosphärische, ozeanische und hydrologische Masseneffekte sowie den integralen Bewegungseffekt zu bestimmen.
3. Auswertung und Analyse Filterung Masken und Trendreduktion
Die Auswertung der Daten umfasst die Anwendung von Filtertechniken zur Reduktion von Störfaktoren bei der Gravitationsfeldbestimmung und die Verwendung von Land-Ozean-Masken zur Trennung von Land- und Meeresgebieten. Die Wahl der optimalen Filtertechnik und Maske wird untersucht. Es wird beschrieben, wie die Meereshöhenänderungen (SLA) von den Satellitenaltimetern verwendet und um die sterische Meereshöhenänderung (SSLA) korrigiert werden. Die SSLA wird aus dreidimensionalen Temperatur- und Salzgehaltsfeldern der Ozeane (WOA09, Ishii) abgeleitet. Für die Berechnung des ozeanischen Masseneffekts werden die SLA-Daten von CLS und DGFI in Kombination mit den SSLA-Daten von WOA09 und Ishii verwendet. Die gravimetrisch bestimmten Drehimpulsfunktionen werden um den linearen Trend reduziert, um Masseneffekte des Erdkerns und Erdmantels zu minimieren und sich auf die Massenverlagerungen in den anderen Subsystemen zu konzentrieren. Die Ergebnisse werden in Form von Drehimpulsfunktionen dargestellt und die Genauigkeit anhand der RMS-Differenzen beurteilt. Die Unterschiede zwischen gravimetrischen und altimetrischen Lösungen für den ozeanischen Masseneffekt werden diskutiert, wobei die Verwendung teilweise gleicher Datensätze für den sterischen Effekt hervorgehoben wird.
IV.Kombinationsmodelle und Datenanalyse
Zur Bestimmung der atmosphärischen, ozeanischen und hydrologischen Masseneffekte sowie des integralen Bewegungseffektes werden Kombinationsmodelle entwickelt, die auf der Methode der kleinsten Quadrate basieren. Die Analyse der Drehimpulsfunktionen (χ1, χ2) ist zentral. Die Bestimmung von Varianzen und Kovarianzen des Rauschens in den Daten spielt eine wichtige Rolle für die Genauigkeit der Ergebnisse. Hierbei werden die klassische Methode und die NCH-Methode verglichen. Die Korrelation des Rauschens beeinflusst die Genauigkeit der Varianzschätzung. Die verwendeten Atmosphärenmodelle (NCEP, ECMWF) und Ozeanmodelle (ECCO, OMCT) werden im Detail beschrieben.
1. Kombinationsmodelle Ansätze zur Bestimmung verschiedener Effekte
Die Arbeit beschreibt Kombinationsmodelle zur Bestimmung des integralen Effekts, des integralen Masseneffekts, des ozeanischen Masseneffekts und des hydrologischen Masseneffekts auf die Erdrotation. Diese Modelle zielen darauf ab, die Schwächen einzelner Datenquellen auszugleichen und die jeweiligen Stärken zu kombinieren. Das Ziel ist die präzisere Bestimmung der einzelnen geophysikalischen Beiträge zur Polbewegung und Tageslängenänderung. Die Kombination der Daten erfolgt mit der Methode der kleinsten Quadrate, wobei die Gewichtung der Beobachtungen über die Kofaktormatrix festgelegt wird. Zusätzlich wird ein umfassenderes Kombinationsmodell vorgestellt, das atmosphärische, ozeanische und hydrologische Masseneffekte sowie den integralen Bewegungseffekt simultan bestimmt. Dieses Modell basiert auf der Verknüpfung von vier Einzelmodellen für den integralen Effekt, den integralen Masseneffekt, den ozeanischen Masseneffekt und den hydrologischen Masseneffekt. Die Kombination soll zu einem verbesserten Verständnis der komplexen Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Erdsystemen führen.
2. Empirische Varianzbestimmung Klassische Methode vs. NCH Methode
Ein wichtiger Aspekt der Datenanalyse ist die Bestimmung der Varianzen, Kovarianzen und Autokovarianzen der geodätisch bestimmten Drehimpulsfunktionen. Die Arbeit vergleicht zwei Methoden: die klassische Methode und die NCH-Methode. Simulationen zeigen, dass die zeitvariablen empirischen Varianzen weniger genau bestimmt werden können als konstante. Für hoch aufgelöste Zeitreihen mit geringem Rauschen und geringer Korrelation des Rauschens liefert die NCH-Methode deutlich genauere Ergebnisse als die klassische Methode. Bei geringerer Abtastung der Zeitreihen ist der Unterschied geringer. Die NCH-Methode geht von einer geringen Korrelation des Rauschens aus; ist diese Annahme nicht erfüllt, sind die Ergebnisse stark von der Wahl der Referenzzeitreihe abhängig. Da die Korrelation des Rauschens in den realen Daten nicht bekannt ist, werden die empirischen Varianzen mit beiden Methoden berechnet und die Ergebnisse verglichen. Es zeigt sich, dass die Korrelation des Rauschens in den geodätisch bestimmten Drehimpulsfunktionen nicht gering ist (0.31 bis 0.65). Aufgrund der geringen Abtastung der Zeitreihen (nur 72 Werte) konnten die Kovarianzen nicht adäquat bestimmt werden und wurden daher bei der Ausgleichung vernachlässigt. Dies führt zu zu optimistischen formalen Fehlern, die durch Skalierung in Abhängigkeit von der Korrelation des Rauschens korrigiert werden.
V.Vergleich mit Modellen und Validierung
Die geodätisch bestimmten Ergebnisse werden mit Modellergebnissen (z.B. aus den Modellen NCEP/ECCO/GLDAS und ECMWF/OMCT/LSDM) verglichen, um die Genauigkeit und Zuverlässigkeit zu validieren. Die geodätischen Kombinationslösungen werden mit den Modelllösungen und geodätisch reduzierten Lösungen verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Kombination von geodätischen Raumbeobachtungen eine verbesserte Bestimmung der geophysikalischen Anregungsmechanismen der Polbewegung ermöglicht. Der atmosphärische Masseneffekt lässt sich am genauesten bestimmen, während der integrale Bewegungseffekt mit den größten Unsicherheiten behaftet ist.
1. Modellbeschreibungen Atmosphären Ozean und Hydrologiemodelle
Die Arbeit vergleicht die geodätisch bestimmten Ergebnisse mit Modellen, um die Genauigkeit zu validieren. Für den Vergleich werden verschiedene geophysikalische Modelle verwendet: Für atmosphärische Effekte werden Daten des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) und des National Centers for Environmental Prediction (NCEP) herangezogen. Die ECMWF-Daten stammen aus operationellen Analysen mit einer horizontalen Auflösung von ca. 25 km (T799) und 91 vertikalen Schichten. Die NCEP-Daten werden im Kontext des ECCO-Ozeanmodells verwendet. Für ozeanische Effekte werden das barokline Ozeanzirkulationsmodell ECCO (Estimating the Circulation and Climate of the Ocean) und das barokline Modell OMCT (Ocean Model for Climate and Tides) verwendet. ECCO, ein quasiglobales Modell, wird durch Windschubspannungen, Meeresoberflächentemperaturen und Frischwasserzuflüsse (NCEP-NCAR Reanalysen) angetrieben und berücksichtigt keine isostatische Ausgleichsreaktion auf Luftdruckänderungen. OMCT ist ein freies Ozeanmodell, angetrieben durch Windschubspannungen, Meeresoberflächentemperaturen und Frischwasserzuflüsse (operationelle ECMWF Analysen), ohne Berücksichtigung von Luftdruckänderungen. Für hydrologische Effekte wird das Global Land Data Assimilation System (GLDAS) in Kombination mit NCEP und das Land Surface Discharge Model (LSDM) mit ECMWF verwendet. Die unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Auflösungen der Modelle werden berücksichtigt.
2. Vergleich der Ergebnisse Geodätische Lösungen vs. Modell und geodätisch reduzierte Lösungen
Die geodätischen Ergebnisse (Integraler Effekt, Integraler Masseneffekt, atmosphärische, ozeanische und hydrologische Masseneffekte, sowie der integrale Bewegungseffekt) werden mit den Modellergebnissen und geodätisch reduzierten Lösungen verglichen. Der Vergleich dient der Validierung sowohl der geodätischen als auch der Modell- und reduzierten Lösungen. Der atmosphärische Masseneffekt kann mit den Atmosphärenmodellen sehr genau (ca. 1 mas) bestimmt werden, während andere geophysikalische Anregungsmechanismen größere Unsicherheiten aufweisen (2 bis 8 mas). Die Unterschiede in den Ergebnissen verschiedener Modelle (NCEP/ECCO/GLDAS und ECMWF/OMCT/LSDM) werden hervorgehoben. Der Vergleich des integralen Masseneffekts zeigt, dass die Kombination geodätischer Lösungen zu einer Verbesserung der Übereinstimmung mit den Modellen führt. Die geodätische Einzel- und Kombinationslösung für den integralen Gesamteffekt weisen eine hohe Übereinstimmung auf (RMS-Differenzen im Mittel 0.31 mas für χ1 und 0.48 mas für χ2). Beim integralen Masseneffekt zeigt sich, dass die Kombination geodätischer Einzelmessungen die Übereinstimmung mit den Modellen verbessert. Für den ozeanischen Masseneffekt weisen die altimetrischen Lösungen eine höhere Übereinstimmung auf als die gravimetrischen, was jedoch auf die Verwendung teilweise gleicher Datensätze für den sterischen Effekt zurückzuführen ist. Der integrale Bewegungseffekt lässt sich durch Reduktion des integralen Effekts um die Masseneffekte besser bestimmen als durch die Kombination von atmosphärischen und ozeanischen Bewegungseffekten. Die formalen Fehler der kombinierten geodätischen Lösungen werden als Maß für die Genauigkeit verwendet und zeigen eine Verbesserung gegenüber den Modell- und reduzierten Lösungen.