„Zukunft? Jugend fragen! 2019“

Jugend & Nachhaltigkeit: Studie 2019

Dokumentinformationen

Autor

Maike Gossen

instructor/editor Dr. Angelika Gellrich
school/university Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), Berlin; Holzhauerei, Mannheim; Institut für Berufliche Bildung und Arbeitslehre der Technischen Universität Berlin
subject/major Umweltwissenschaften, Sozialwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften
Dokumenttyp Teilbericht
city_where_document_was_published Dessau-Roßlau
Sprache German
Format | PDF
Größe 1.42 MB

Zusammenfassung

I.Einstellungen und Verhaltensweisen junger Menschen zum Klimaschutz

Die Jugendstudie "Zukunft? Jugend fragen! 2019" untersuchte die Einstellungen und das Verhaltensweisen junger Menschen (14-22 Jahre) zum Thema Nachhaltigkeit. Die Studie, durchgeführt vom IÖW mit Partnern, ergab ein hohes Umweltbewusstsein, wobei Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit als zentrale Anliegen genannt wurden. Eine Mehrheit sieht einen Zusammenhang zwischen Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit, insbesondere bezüglich zukünftiger Generationen und internationaler Gerechtigkeit. Konsumverhalten spielt eine große Rolle: Während umweltschonender Konsum (z.B. Vermeidung von Plastikmüll, Kauf von Bio-Lebensmitteln) wichtig ist, dominieren auch beschleunigte und statusorientierte Konsummuster (Reisen, Online-Shopping, Kauf von Kleidung und Technik). Die Bedeutung von Reisen nahm im Vergleich zur Studie 2017 ab (84% vs 72% gaben an, Reisen seien sehr oder eher wichtig). Fast 90% erwarten negative Folgen für zukünftige Generationen ohne Klimaschutzmaßnahmen. Die Zufriedenheit mit dem Engagement der wichtigsten Akteure (Einzelpersonen, Bundesregierung, Industrie) für den Klimaschutz ist gering, während die Zufriedenheit mit Umweltverbänden hoch ist.

1. Umweltbewusstsein und Gerechtigkeit

Die Studie zeigt ein stark ausgeprägtes Umweltbewusstsein bei jungen Menschen (14-22 Jahre). Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit werden als zentrale Anliegen genannt. Die Mehrheit der Befragten sieht einen klaren Zusammenhang zwischen effektivem Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit, insbesondere in Bezug auf zukünftige Generationen und internationale Gerechtigkeit. Es wird als unfair empfunden, dass sich einkommensschwächere Menschen umweltfreundliche Produkte oft nicht leisten können. Fast 90% der Befragten erwarten negative Folgen für zukünftige Generationen, falls keine ausreichenden Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden. Etwa 80% stimmen der Aussage zu, dass Klimaschutz positive Auswirkungen auf Aspekte der sozialen Gerechtigkeit hat, wie gesunde Lebensbedingungen, eine lebenswerte Umwelt und die Vermeidung von Fluchtursachen.

2. Konsumverhalten Nachhaltig vs. Statusorientiert

Die Studie analysiert das Konsumverhalten der Jugendlichen und differenziert zwischen umweltschonendem Konsum und statusorientiertem Konsum. Umweltschonender Konsum umfasst beispielsweise die Vermeidung von Plastikmüll, den Kauf von Bio-Lebensmitteln und fair gehandelten Produkten. Hier zeigen sich positive Einstellungen: Mehr als drei Viertel der Befragten finden die Reduktion von Plastikverpackungen und den Kauf von Plastikgegenständen wichtig, über 70% legen Wert auf faire und ökologisch erzeugte Produkte. Der Anteil, der eine vegetarische oder vegane Ernährung für wichtig hält, ist deutlich geringer. Im Gegensatz dazu steht der beschleunigte und statusorientierte Konsum, der Reisen, Online-Shopping und den Kauf von Kleidung und Technik umfasst. Diese Konsummuster haben für viele junge Menschen eine hohe Bedeutung, wobei die Bedeutung von Reisen im Vergleich zur Studie 2017 (BMUB 2018) abgenommen hat (von 84% auf 72%). Suffizienz-orientierte Verhaltensweisen wie Sharing und Gebrauchtkauf werden ebenfalls untersucht; 81% der Befragten gaben an, Sharing bereits praktiziert zu haben, fast 58% haben Kleidung gebraucht gekauft. Die Studie betont die Notwendigkeit, Anreize für umweltfreundliches Verhalten zu schaffen, wobei die kostenmäßige Gleich- oder Besserstellung von umweltfreundlichen Produkten als besonders wirksam angesehen wird.

3. Digitalisierung und Nachhaltigkeit

Ein weiterer Schwerpunkt der Studie liegt auf der Rolle der Digitalisierung für Umwelt- und Klimaschutz. Obwohl junge Menschen digitale Geräte intensiv nutzen, bleiben die Zusammenhänge zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit in ihrer Wahrnehmung oft abstrakt. Es werden sowohl Chancen als auch Risiken gesehen: Rund 75% der Befragten machen sich Sorgen über den Verlust des Kontakts zur Natur durch die Digitalisierung, die Umweltbelastung durch Onlineshopping und die Konsumsteigerung durch die ständige Verfügbarkeit digitaler Güter. Gleichzeitig erkennen viele die positiven Aspekte der Digitalisierung für den Umweltschutz. Die Fokusgruppendiskussionen zeigten eine differenzierte Sichtweise: Die Jugendlichen erkennen sowohl positive als auch negative Folgen der Digitalisierung und zeigen Offenheit gegenüber den sich entwickelnden Zusammenhängen. Die Nutzung digitaler Medien wird als gewohnheitsmäßiges Verhalten beschrieben, über das im Alltag wenig nachgedacht wird.

4. Einflussfaktoren auf nachhaltiges Verhalten

Die Studie untersucht verschiedene Faktoren, die das nachhaltige Verhalten junger Menschen beeinflussen. Neben den Einstellungen spielen finanzielle Möglichkeiten eine wichtige Rolle, besonders im jungen Alter. Die Verfügbarkeit nachhaltiger Alternativen, Informationen und Labels sowie das Verhalten des sozialen Umfelds beeinflussen die Kaufentscheidungen ebenfalls. Der Wohnort hat einen Einfluss, insbesondere im Bereich der Mobilität, auf die Möglichkeit, nachhaltiges Verhalten auszuüben. Ob nachhaltige Verhaltensweisen einen symbolischen Wert für die eigene Lebensführung haben, hängt stark vom jeweiligen Jugendtyp ab. Schließlich wird betont, dass beschleunigte und statusorientierte Konsummuster (Reisen, Online-Shopping, Kauf von Kleidung und Technik) sowohl aktuell als auch zukünftig eine hohe Bedeutung für junge Menschen haben, was mit der globalisierten Lebenswelt und Werten wie Weltläufigkeit und Entdeckertum zusammenhängt.

II. Handlungsrelevantes Umweltwissen und Informationsverhalten

Die Studie untersuchte das handlungsrelevante Umweltwissen der Jugendlichen. In einem Multiple-Choice-Test erreichten die Teilnehmer durchschnittlich etwas mehr als die Hälfte der richtigen Antworten. Wissen zu Themen wie Waschmittel, Treibhauseffekt und Bienensterben war besser als zu Getränkeverpackungen und Haushaltsenergieverbrauch. Informationsquellen sind vor allem soziale Netzwerke, Dokumentationen und das Internet, während Bildungseinrichtungen eine untergeordnete Rolle spielen. Etwa 80% der Befragten kennen Fridays for Future, 23% beteiligten sich an den Klimastreiks.

1. Messung des handlungsrelevanten Umweltwissens

Im Rahmen der Studie wurde ein Instrument zur Erfassung handlungsrelevanten Umweltwissens entwickelt und getestet. Es bestand aus neun Multiple-Choice-Fragen zu den Themenbereichen allgemeiner Konsum, Energie, Ernährung, Mobilität, Internet/Digitalisierung und Kleidung. Die Befragten der repräsentativen Online-Erhebung konnten durchschnittlich etwas mehr als die Hälfte der Fragen richtig beantworten. Die Ergebnisse zeigten deutliche Unterschiede im Wissensstand: Fragen zur Problematik von Waschmitteln, Abhilfemaßnahmen gegen den Treibhauseffekt, Ursachen des Bienensterbens und der Klima-Relevanz von Rindfleisch wurden am häufigsten richtig beantwortet. Dagegen fielen die Ergebnisse bei Fragen zu umweltschädlichen Getränkeverpackungen und dem Energieverbrauch im Haushalt deutlich schlechter aus. Dies deutet darauf hin, dass das handlungsrelevante Umweltwissen der Jugendlichen in einigen Bereichen noch ausbaufähig ist und ein Bedarf an der Vermittlung von alltagsrelevantem und handlungsnahem Wissen besteht.

2. Informationsverhalten und Wissensquellen

Die Studie beleuchtet auch die Informationsquellen, die junge Menschen zur Bildung ihres Umweltwissens nutzen. Es zeigt sich, dass soziale Netzwerke die wichtigste Informationsquelle darstellen. Dokumentationen im Fernsehen und Internet werden ebenfalls häufig genannt, während Bildungseinrichtungen erst an dritter Stelle rangieren. Dies deutet darauf hin, dass klassische Lehr- und Lernangebote im Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung noch nicht ausreichend genutzt werden oder nicht die gewünschten Informationen liefern. Die Jugendlichen selbst betonen die Wichtigkeit einer adäquaten Vermittlung von Informationen für den Aufbau von Wissen und Kompetenzen im Bereich Umwelt und Klima. Die Studie unterstreicht damit die Notwendigkeit, die Wissensvermittlung zu Umweltthemen zu verbessern und attraktive und leicht zugängliche Informationsangebote für junge Menschen zu schaffen, die über die Möglichkeiten von sozialen Netzwerken und Online-Dokumentationen hinausgehen.

3. Fridays for Future und Umweltengagement

Die Studie stellt einen Zusammenhang zwischen dem Bekanntheitsgrad und der Partizipation an der Fridays for Future Bewegung und dem Umweltbewusstsein der jungen Menschen her. 80% der Befragten kannten Fridays for Future zum Zeitpunkt der Erhebung im Frühsommer 2019, und 23% beteiligten sich an den Klimastreiks. Von denjenigen, die bereits an den Streiks teilnahmen, wollen fast alle (90%) sich auch in Zukunft für den Klimaschutz im Rahmen von Fridays for Future engagieren. Unter denjenigen, die zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht teilgenommen hatten, könnte sich fast die Hälfte (46%) eine zukünftige Beteiligung vorstellen. Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Fridays for Future Bewegung für das Umweltengagement junger Menschen und zeigen ein hohes Maß an Bereitschaft zur zukünftigen Beteiligung am Klimaschutz. Es wird deutlich, dass die Bewegung einen wichtigen Einfluss auf das Umweltbewusstsein und -engagement der jungen Generation hat und als ein wichtiger Faktor für die Verbreitung von Umweltwissen und -bewusstsein gilt. Die Studie unterstreicht damit die Bedeutung von gesellschaftlichen Bewegungen für die Sensibilisierung junger Menschen für Umweltthemen.

III.Partizipative Forschungsmethoden und Ergebnisse

Die partizipative Forschung umfasste einen Jugendprojektbeirat (10 Mitglieder), eine Online-Community und Fokusgruppen. Der Beirat war aktiv in den Forschungsprozess eingebunden und entwickelte gemeinsam mit weiteren Jugendlichen eine jugendpolitische Agenda mit Forderungen an die Umweltpolitik. Die Online-Befragung (1007 Teilnehmer, aproxima/Norstat) lieferte repräsentative Daten. Qualitative Methoden wie Fokusgruppen ergänzten die quantitativen Daten und ermöglichten einen detaillierteren Einblick in die Perspektive der Jugendlichen. Die Studie zeigt eine reflektierte, klimabewusste und engagierte Jugend, die sich selbst als wichtigen Akteur im Klimaschutz sieht.

1. Partizipatives Forschungsdesign und der Jugendprojektbeirat

Die Jugendstudie "Zukunft? Jugend fragen! 2019" zeichnet sich durch ein partizipatives Forschungsdesign aus. Kernstück war die kontinuierliche Einbindung eines Jugendprojektbeirats mit zehn engagierten jungen Menschen. Diese waren nicht nur Teilnehmer, sondern aktiv in den Forschungsprozess eingebunden; sie erhielten Einblicke in wissenschaftliches Arbeiten und repräsentierten die junge Zielgruppe. Der Beirat trug maßgeblich zur Entwicklung des Forschungsdesigns bei und arbeitete gemeinsam mit weiteren Jugendlichen an der Erarbeitung einer jugendpolitischen Agenda mit Forderungen an die Umweltpolitik. Dieser partizipative Ansatz gewährleistete die kontinuierliche Beteiligung der Zielgruppe und lieferte wertvolle Hinweise für eine an den Bedürfnissen und Erwartungen junger Menschen ausgerichtete Umwelt- und Klimapolitik. Die Studie betont den Mehrwert dieser partizipativen Herangehensweise sowohl für die Qualität der Forschungsergebnisse als auch für die persönliche Entwicklung der beteiligten Jugendlichen, indem sie ihnen ein Sprachrohr in die Politik gab.

2. Methoden der Datenerhebung Repräsentativbefragung und qualitative Methoden

Die Studie kombinierte quantitative und qualitative Methoden der Datenerhebung. Eine repräsentative Online-Befragung mit 1007 jungen Menschen (durchgeführt von aproxima mit dem Norstat-Panel) bildete die Grundlage der quantitativen Daten. Die Stichprobe war in den meisten Parametern repräsentativ für die deutsche Jugend, jedoch gab es Abweichungen bei der formalen Bildung, die durch eine nachträgliche Gewichtung korrigiert wurden. Zusätzlich zu der Online-Befragung wurden qualitative Erhebungsmethoden eingesetzt: Fokusgruppen und eine Online-Community. Die Fokusgruppen ermöglichten vertiefende Einblicke in die Denk- und Handlungsweisen der Jugendlichen, während die Online-Community einen kontinuierlichen Austausch und die Erhebung von Meinungen über einen längeren Zeitraum erlaubte. Die Kombination aus quantitativen und qualitativen Methoden ermöglichte eine umfassendere und differenzierte Analyse der Einstellungen und des Verhaltens junger Menschen zum Thema Umwelt- und Klimaschutz.

3. Ergebnisse der partizipativen Forschung und die jugendpolitische Agenda

Die Ergebnisse der Studie zeigen eine reflektierte, klimabewusste und engagierte Jugend. Die Jugendlichen sehen sich selbst als wichtige Akteure im Klimaschutz, noch vor der Industrie und der Bundesregierung. Die Zufriedenheit mit dem Engagement von Umweltverbänden ist hoch, während die Zufriedenheit mit dem Handeln der Bundesregierung, der Industrie und Einzelpersonen gering ist. Die Online-Community erwies sich als geeignete Methode, um die Mediennutzung der Zielgruppe zu berücksichtigen. Moderierte Chatformate neben Foren und Einzelaufgaben wurden gut angenommen. Die Fokusgruppen zeigten eine Distanz zur etablierten Parteipolitik. Der Jugendprojektbeirat erarbeitete gemeinsam mit weiteren jungen Menschen Forderungen an die Umweltpolitik, die als jugendpolitische Agenda dokumentiert wurden. Diese Agenda dient als Empfehlung an die Umweltpolitik und zeigt, welche Themen und Maßnahmen aus Sicht der jungen Generation in den kommenden Jahren dringend bearbeitet werden sollten. Die Studie demonstriert, wie partizipative Methoden wichtige Erkenntnisse liefern und den Jugendlichen ein Sprachrohr in die Politik geben können.

Dokumentreferenz

  • Umweltbundesamt