
Gender & Urbaner Umweltschutz
Dokumentinformationen
Autor | Prof. Dr. Jana Rückert-John |
Schule | Universität Bremen, ISIconsult - Institut für Sozialinnovation Consulting (UG), Berlin, GenderCC – Women for Climate Justice e.V., Berlin |
Fachrichtung | Umweltwissenschaften, Sozialwissenschaften, Nachhaltigkeitsforschung |
Unternehmen | Umweltbundesamt |
Ort | Dessau-Roßlau |
Dokumenttyp | Abschlussbericht einer Vorlaufforschung |
Sprache | German |
Format | |
Größe | 1.87 MB |
Zusammenfassung
I.Forschungsbedarf Gender und nachhaltige Stadtentwicklung
Das Projekt untersuchte den aktuellen Forschungsstand zu Genderaspekten im Kontext von urbanem Umweltschutz und nachhaltiger Stadtentwicklung. Es konzentrierte sich auf die Bedürfnisfelder Wohnen, Mobilität, Bekleidung und Ernährung, sowie die Querschnittsthemen gemeinschaftlicher Konsum und Digitalisierung. Die Analyse enthüllte erhebliche Forschungsdefizite bezüglich des Einflusses von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen auf den Erfolg von umweltpolitischen Maßnahmen. Besonders hervorgehoben wurden die ungleiche Verteilung von Care-Arbeit, Einkommen und geschlechtsspezifische Konsum- und Ernährungspraktiken. Die Studie identifizierte Forschungslücken und entwickelte Forschungsempfehlungen zur Verbesserung der sozial-ökologischen Transformation hin zu einer nachhaltigen und geschlechtergerechten Gesellschaft.
1. Forschungsziele und Methodik
Das zentrale Ziel des Forschungsprojekts bestand darin, den aktuellen Forschungsstand zur Bedeutung von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen für eine umweltgerechte und nachhaltige Gestaltung urbaner Lebensbereiche zu ermitteln. Der Fokus lag auf den Bedürfnisfeldern Wohnen, Mobilität, Bekleidung und Ernährung, sowie den Querschnittsthemen gemeinschaftlicher Konsum und Digitalisierung. Zur Erreichung dieses Ziels wurden eine systematische Literaturrecherche und -analyse nationaler und internationaler Forschungsergebnisse durchgeführt (Arbeitspaket 1, AP1). Zusätzlich wurden Genderanalysen ausgewählter Programme im Bereich der Stadtentwicklung, wie z.B. das Nationale Programm für nachhaltigen Konsum, ein Abfallvermeidungsprogramm und das Städtebauförderprogramm 'Soziale Stadt', durchgeführt (Arbeitspaket 2, AP2). Die Ergebnisse dieser Analysen dienten als Grundlage zur Ableitung von Forschungsdefiziten und -empfehlungen (Arbeitspaket 3, AP3), um sozial-ökologische Transformationen in Richtung einer nachhaltigen und geschlechtergerechten Gesellschaft zu unterstützen. Die Methodik umfasste somit sowohl Literaturanalysen als auch die Anwendung von Genderanalysen auf bestehende Programme. Es ging darum, die Interdependenzen von Gender und Umweltaspekten in den verschiedenen Lebensbereichen zu untersuchen und Handlungsempfehlungen für eine geschlechtergerechte Umweltpolitik abzuleiten.
2. Identifizierte Forschungsdefizite und Forschungslücken
Die durchgeführten Analysen deckten erhebliche Forschungslücken auf. Es zeigte sich, dass der Einfluss von geschlechtsspezifischen Zuständigkeiten und Ungleichheiten, wie der ungleichen Verteilung von Care-Arbeit und Einkommen oder geschlechtsspezifischen Konsum- und Ernährungspraktiken auf den Erfolg von umweltpolitischen Maßnahmen bisher nur unzureichend untersucht wurde. Die Literaturanalyse zeigte, dass Genderaspekte in vielen Bereichen der umweltbezogenen Forschung und Politik vernachlässigt werden, obwohl sie für eine erfolgreiche und gerechte Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen essentiell sind. Konkret wurden Defizite in der Berücksichtigung von Gender in den Bereichen energetische Gebäudesanierung, Energiekonsum im Haushalt, Stadtentwicklung und Wohnungsmarktdiskriminierung festgestellt. Auch beim Thema gemeinschaftlicher Konsum und der Digitalisierung wurde ein Mangel an gender-sensitiver Forschung deutlich. Die Studie hob hervor, dass die Beziehung zwischen Geschlecht und anderen sozialen Faktoren wie Einkommen, Alter und Migrationshintergrund für ein umfassendes Verständnis von Ressourcenverbrauch und Umweltverhalten essentiell ist, aber oft vernachlässigt wird. Die Analyse identifizierte somit systematisch Bereiche, in denen zukünftige Forschung dringend notwendig ist, um ein umfassenderes und gerechteres Bild der Zusammenhänge zwischen Gender und Nachhaltigkeit zu erzeugen.
3. Forschungsempfehlungen für eine Gender sensitive Umweltpolitik
Auf Basis der identifizierten Forschungsdefizite wurden konkrete Forschungsempfehlungen formuliert, um die Berücksichtigung von Genderaspekten in der Umweltpolitik zu verbessern. Die Empfehlungen fokussierten auf die Bereiche Smart Homes, Wohnflächenverbrauch, nachhaltige Bekleidungspraktiken, gemeinschaftlicher Konsum (insbesondere Cohousing) und die Integration von Genderperspektiven in die Digitalisierung städtischer Infrastrukturen. Ein zentraler Aspekt betraf die Notwendigkeit, Verteilungsfragen und mögliche ungerechte Folgen von Umweltmaßnahmen für verschiedene soziale Gruppen (z.B. Alleinerziehende, einkommensschwache Haushalte) zu antizipieren und zu adressieren. Die Forschung sollte die Interdependenzen von Gender mit anderen sozialen Faktoren wie Einkommen, Alter und Migrationshintergrund berücksichtigen, um zielgruppenspezifische Maßnahmen zu entwickeln. Die Studie betonte den Mehrwert von Genderperspektiven als Frühwarnsystem für nicht intendierte negative Folgen von Umweltmaßnahmen. Die Integration von Gender Mainstreaming-Zielen in die Forschung und Politik wurde als essentiell für eine nachhaltige und gerechte Entwicklung angesehen. Die Empfehlungen zielten somit darauf ab, die Forschung praxisrelevanter zu gestalten und die Umweltpolitik gerechter und effektiver zu machen.
II.Genderaspekte im Bedürfnisfeld Wohnen
Im Bereich Wohnen wurden die Themen Rohstoffverbrauch, CO2-Ausstoß und Flächenverbrauch untersucht. Die Analyse zeigte, dass die Rolle des Geschlechts bei energetischen Sanierungen, dem Energiekonsum und der Stadtentwicklung bisher unzureichend berücksichtigt wird. Forschungsbedarf besteht insbesondere bei Smart Homes, dem Wohnflächenverbrauch und den Zusammenhängen zwischen Geschlecht, Einkommen, Alter, Migration und demografischer Entwicklung. Die wachsende Wohnfläche pro Kopf schwächt Effizienzmaßnahmen, wobei die Zunahme von Einpersonenhaushalten, oft fälschlicherweise nur älteren Frauen zugeschrieben, ein wichtiger Faktor ist.
1. Eingrenzung des Forschungsfeldes und identifizierte Themen
Um die Komplexität des Themas Wohnen im Kontext von Gender und Nachhaltigkeit zu reduzieren, fokussierte die Studie auf drei Aspekte: Rohstoffverbrauch (Baumaterial), CO2-Ausstoß (Energieeffizienz von Gebäuden) und Flächenverbrauch. Diese Eingrenzung erfolgte in Anlehnung an die Methodik des Umweltbundesamtes (UBA) von 2010. Die Literaturrecherche identifizierte daraufhin drei zentrale Themenfelder, die aus Geschlechterperspektive besonders relevant sind: Erstens, Bauen und energetische Sanierung im Gebäudebestand, wobei die Rolle des Geschlechts bei Entscheidungsfindung und Umsetzung energetischer Modernisierungen untersucht wurde. Zweitens, der Energiekonsum, mit Fokus auf geschlechtsspezifische Unterschiede im Verbrauch, möglichen biologischen Ursachen und Praktiken energieeffizienten Verhaltens. Drittens, Urbanisierung, nachhaltiges Wohnen und Stadtentwicklung, inklusive Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, Gentrifizierung und Wohnbedürfnissen in verschiedenen Lebensphasen. Besonders im dritten Themenfeld zeigte sich ein schwacher Umweltbezug in der Literatur, obwohl dieses Thema bereits seit langem genderperspektivisch betrachtet wird. Umgekehrt werden in der umweltbezogenen Forschung soziale Aspekte oft beachtet, Genderaspekte hingegen vernachlässigt. Diese Diskrepanz unterstreicht den Bedarf an einer ganzheitlicheren Betrachtung.
2. Forschungsbedarf und Empfehlungen zu Smart Homes und Wohnflächenverbrauch
Als besonders relevant für zukünftige Forschung wurden die Themen 'Smart Homes' und Wohnflächenverbrauch identifiziert, da es hier nur ansatzweise genderreflektierte Forschung gibt. Der stetig wachsende Pro-Kopf-Wohnflächenverbrauch führt zu erhöhtem Ressourcenverbrauch und konterkariert Einsparungen durch Energieeffizienzmaßnahmen. Die zunehmende Zahl von Einpersonenhaushalten wird oft mit älteren Frauen in Verbindung gebracht, während die Zunahme bei jungen Männern weniger Beachtung findet. Die Studie empfiehlt, genderreflektierte Forschungsfragen auf die Verbindungen von Geschlecht mit anderen sozialen Faktoren wie Einkommen, Alter, Migrationshintergrund und demografischer Entwicklung zu konzentrieren. Es sollte untersucht werden, welche Rolle Suffizienz- und Nachhaltigkeitskriterien bei Wohnungsentscheidungen spielen und ob dabei Geschlechterunterschiede erkennbar sind. Die Analyse der Wohnflächennutzung sollte somit nicht nur den demografischen Wandel, sondern auch soziale Ungleichheiten und die damit verbundenen Ressourcenverbräuche berücksichtigen, um wirksame und gerechte Strategien für nachhaltiges Wohnen zu entwickeln.
III.Gender und nachhaltiger Konsum im Bereich Bekleidung
Das Bedürfnisfeld Bekleidung mit seiner Fast Fashion-Dynamik erfordert eine deutliche Reduktion des Produktions- und Konsumniveaus. Die Literaturanalyse identifizierte Forschungsbedarf in den Bereichen nachhaltige Nachfrage, nachhaltige Kleidungspraktiken, Abfallbehandlung, Sharing-Ökonomien und übergreifenden Genderanalysen. Ein Drittel der Studien fokussiert auf Kaufverhalten, während der Umgang mit Kleidung und Entsorgung weniger Beachtung finden. Besonders im Kontext von Smart Cities fehlt Forschung, die Gender mit weiteren sozialen Aspekten wie Alter, Bildung und Einkommen verbindet.
1. Herausforderung Reduktion von Produktion und Konsum
Das Bedürfnisfeld Bekleidung ist durch eine anhaltende und durch 'Fast Fashion' verstärkte Produktions- und Konsumdynamik gekennzeichnet. Die zentrale, bislang ungelöste Herausforderung besteht darin, das Produktions- und Konsumniveau deutlich zu reduzieren, um die Umweltbelastung zu verringern. Die systematische Literaturanalyse identifizierte fünf Themenschwerpunkte, die Genderaspekte im Zusammenhang mit nachhaltigerem Konsum berücksichtigen: Erstens, die Nachfrage nach nachhaltigeren Kleidungsangeboten ('anders konsumieren'). Zweitens, der nachhaltigere Umgang mit Kleidung und nachhaltigere Kleidungspraktiken. Drittens, die Abfallbehandlung und Entsorgung von Kleidung. Viertens, neue Nutzungsstrategien und Sharing-Modelle im Bereich Bekleidung. Fünftens, übergreifende Genderanalysen des gesamten Bedürfnisfeldes. Es fällt auf, dass mehr als ein Drittel der untersuchten Studien das Kauf- und Nachfrageverhalten untersucht, also auf die Vermarktung nachhaltigerer Bekleidung fokussiert ist. Der Umgang mit Kleidung und das Entsorgungsverhalten werden an zweiter Stelle behandelt, während Strategien zur Nutzungsdauerverlängerung oder Sharing-Modelle seltener betrachtet werden.
2. Forschungsbedarf Genderdimensionen und Smart Cities
Im Kontext von 'Smart Cities' zeigte sich erheblicher Forschungsbedarf, insbesondere bezüglich der Genderdimension 'Gestaltungsmacht'. Es fehlt an Forschung, die Genderaspekte mit weiteren sozialen Aspekten wie Alter, Bildung und Einkommen in Bezug auf Umweltwirkungen verbindet. Die Studie formuliert zentrale Forschungsfragen: Wie können die Bedürfnisse unterschiedlicher Gruppen bei der Entwicklung neuer Stadtkonzepte erfüllt werden? Wie kann Diversität in allen Entwicklungsschritten besser berücksichtigt werden, insbesondere in partizipativen Prozessen? Wie kann die Digitalisierung städtischer Infrastrukturen zu kurzen, sicheren und umweltfreundlichen Wegen für alle Geschlechter beitragen? Bezüglich der Genderdimension 'Versorgungsökonomie' fehlen Untersuchungen zum Einfluss 'smarter' Haushaltsgeräte auf die partnerschaftliche Arbeitsteilung im Haushalt. Offene Fragen betreffen die Auswirkungen der Automatisierung von Haushaltsaufgaben auf die Arbeitszeitverteilung, den Ressourcenverbrauch und die Umwelt. Der Einfluss digitaler Angebote, wie Feedbacksysteme, auf den Umgang mit Ressourcen und den Ressourcenverbrauch der verschiedenen Haushaltsmitglieder und die Rolle von Geschlechterrollen müssen ebenfalls untersucht werden. Diese Lücken in der Forschung unterstreichen den Bedarf an einer intersektionalen Perspektive, die verschiedene soziale Faktoren berücksichtigt.
IV.Gemeinschaftlicher Konsum Gender und Nachhaltigkeit
Im Bereich gemeinschaftlicher Konsum wurden Urban Gardening, gemeinschaftliches Essen und Carsharing untersucht. Die Analyse zeigte, dass gemeinschaftlicher Konsum ein neues Forschungsfeld ist, in dem Genderaspekte nur selten berücksichtigt werden. Es mangelt an Forschung zu Nutzungsmustern, gemeinsamer Güterproduktion und deren umweltschonenden Effekten. Die Studie empfiehlt Forschung zu den Potenzialen gemeinschaftlicher Wohnformen für eine geschlechtergerechtere und ressourcenleichtere Lebensweise und deren ökologischen Auswirkungen im Vergleich zu herkömmlichen Wohnformen.
1. Genderaspekte in der Literatur zum Gemeinschaftlichen Konsum
Der Literaturreview identifizierte drei Themenbereiche, in denen Genderaspekte im Kontext von gemeinschaftlichem Konsum und urbaner Umweltforschung Berücksichtigung finden. Erstens, Urbanisierungsprozesse und die damit verbundene Flächenaneignung durch gemeinschaftsorientierte Konsumformen in Städten. Die Analyse konzentrierte sich auf die Herausforderungen, die diese neuen Konsumformen für Stadtverwaltungen darstellen. Zweitens, das Potenzial gemeinschaftlicher Konsumorte für eine geschlechtergerechtere Gesellschaft, insbesondere im Hinblick auf Ernährung. Urban Gardening und gemeinschaftliches Essen (z.B. Frauenpicknicks) werden als empowernde Faktoren für Frauen mit geringer gesellschaftlicher Teilhabe beschrieben, da sie Austausch und Vernetzung ermöglichen und die Aneignung öffentlichen Raums für Ernährungsarbeit (als Teil der Fürsorgearbeit) fördern. Drittens, gemeinschaftliches Wohnen und Carsharing in Städten, wobei unterschiedliche Nutzungsstrategien zwischen Männern und Frauen untersucht wurden. Reproduktions- und Erwerbsarbeit beeinflussen weiterhin die Mobilitätsformen, Transportmittelpräferenzen und Wohnbedürfnisse. Die Analyse zeigt, dass der gemeinschaftliche Konsum ein relativ neues Forschungsfeld ist, in dem die Kategorie Geschlecht bisher nur selten systematisch berücksichtigt wurde.
2. Forschungsbedarf und Empfehlungen Potenziale und Nachhaltigkeitseffekte
Neben den sozialen und ökonomischen Potenzialen des gemeinschaftlichen Konsums wird aus Nachhaltigkeitsperspektive oft eine Reduktion des Ressourcenverbrauchs hervorgehoben (z.B. Foodsharing, Carsharing). Die angenommenen Potenziale sind jedoch wissenschaftlich kaum belegt. Es mangelt an Forschung, die sich mit unterschiedlichen Nutzungsmustern, der gemeinsamen Herstellung von Gütern und deren umweltschonenden Effekten auseinandersetzt. Die Literaturanalyse zeigte deutliche Bezüge zu den Bedürfnisfeldern Mobilität (Carsharing), Wohnen (gemeinschaftliches Wohnen) und Ernährung (Urban Gardening, gemeinschaftliches Essen). Der gemeinschaftliche Konsum lieferte die wenigsten Ergebnisse im Literaturreview, was auf die relative Neuheit des Forschungsfeldes und die geringe Berücksichtigung des Geschlechtsaspekts zurückzuführen ist. Eine konkrete Forschungsempfehlung betrifft die 'Potenziale gemeinschaftlicher Wohnformen für eine gendergerechtere und ressourcenleichtere Lebensweise'. Cohousing wird als neue Nutzungsstrategie betrachtet, die auf urbane Herausforderungen reagiert und gleichzeitig einen gesellschaftlichen Wandel der Geschlechterverhältnisse widerspiegeln könnte. Zentral ist die Erforschung der Nachhaltigkeitseffekte gemeinschaftlicher Wohnformen im Vergleich zu herkömmlichen Modellen, insbesondere die gemeinschaftliche Flächennutzung und der Konsum von Produkten wie Haushaltsgeräten.
V. Digitalisierung und Gender Herausforderungen und Chancen
Die Digitalisierung stellt eine Ambivalenz dar: Sie kann sowohl Ressourcenverbrauch steigern als auch zu Umweltschutz beitragen. Es mangelt an interdisziplinärer Forschung, die die technischen, sozialen, und gender-spezifischen Aspekte der Digitalisierung im Kontext von Ressourcenverbrauch und Nachhaltigkeit verbindet. Die Studie hebt die Notwendigkeit hervor, Genderaspekte in der Entwicklung neuer Stadtkonzepte, der Stadtplanung und bei der Gestaltung smarter Technologien zu berücksichtigen, um eine geschlechtergerechte und nachhaltige Stadtentwicklung zu erreichen. Es fehlt an Forschung zum Einfluss von 'smarten' Haushaltsgeräten auf die partnerschaftliche Aufteilung von Hausarbeit und den damit verbundenen Ressourcenverbrauch.
1. Ambivalenz der Digitalisierung Chancen und Risiken für Umwelt und Nachhaltigkeit
Die Digitalisierung wird als ambivalent dargestellt: Sie kann sowohl eine treibende Kraft des Ressourcenverbrauchs sein als auch zum Umweltschutz und zur Schonung endlicher Ressourcen beitragen. Dieses Spannungsfeld wird am Beispiel der Energiewende illustriert. Ein gewisser Grad an Digitalisierung und Automatisierung ist notwendig, um bei einer wetterabhängigen Energiegewinnung eine stabile Stromversorgung zu gewährleisten und die Stromerzeugung besser an den Verbrauch anzupassen (z.B. durch Smart-Home-Anwendungen). Gleichzeitig stellt sich die Frage nach dem zusätzlichen Ressourcenverbrauch der Digitalisierungsprozesse selbst. Die Studie betont die enge Verknüpfung technischer und ingenieurwissenschaftlicher Fragestellungen mit sozialen Aspekten wie Techniknutzung, -akzeptanz und -design. Diese sozialen Aspekte bestimmen maßgeblich die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Umwelt und den Ressourcenverbrauch und sind eng mit Faktoren wie Geschlecht, Einkommen und Bildung verknüpft. Für einen zukünftigen Beitrag der Digitalisierung zum Klima- und Umweltschutz ist die Berücksichtigung dieser Faktoren in Forschung und Entwicklung unabdingbar.
2. Forschungsdefizite Interdisziplinarität und Genderperspektiven
Der Literaturreview zeigt ein auffälliges Defizit an interdisziplinärer Forschung, die für die Klärung der komplexen und oft interdisziplinären Fragestellungen im Zusammenhang mit Digitalisierung und Nachhaltigkeit notwendig wäre. Die bisherige Forschung bleibt größtenteils in einzelnen Disziplinen verankert. Es existieren zwar sozialwissenschaftliche Studien, die Geschlechteraspekte thematisieren, diese werden jedoch selten mit natur- oder ingenieurwissenschaftlichen Daten verknüpft, die für eine Beurteilung der tatsächlichen Umweltrelevanz notwendig sind. Umgekehrt werden in natur- und ingenieurwissenschaftlichen Studien Geschlechteraspekte oft nur als Abfragekategorien verwendet, was zu stereotypen Aussagen und Zuschreibungen führt und meist nur auf der Ebene der Beschreibung eines Phänomens verbleibt. Die fehlende Interdisziplinarität betrifft sowohl die methodische als auch die inhaltliche Ebene der Forschung. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ist daher unerlässlich, um die komplexen Wechselwirkungen zwischen Digitalisierung, Gender und Umwelt umfassend zu verstehen und nachhaltige und gendergerechte Lösungen zu entwickeln. Die Studie unterstreicht somit den Bedarf an einer integrierten Forschungsperspektive, die die verschiedenen Disziplinen und Genderaspekte verbindet.
3. Smart Cities und die Aufteilung von Hausarbeit
Im Kontext von Smart Cities und der Genderdimension 'Gestaltungsmacht' wird ein Mangel an Forschung zu den Auswirkungen von Gender und weiteren sozialen Aspekten (Alter, Bildung, Einkommen) auf Umweltwirkungen festgestellt. Es werden Forschungsfragen formuliert: Wie können die Ansprüche unterschiedlicher Gruppen bei der Entwicklung neuer Stadtkonzepte berücksichtigt werden? Wie kann Diversität in allen Entwicklungsschritten integriert werden, insbesondere in partizipativen Prozessen? Wie kann die Digitalisierung zu kurzen, sicheren und umweltfreundlichen Wegen führen, die allen Geschlechtern gerecht werden? Die Genderdimension 'Versorgungsökonomie' wird ebenfalls angesprochen: Es fehlen Studien zum Einfluss 'smarter' Haushaltsgeräte auf die partnerschaftliche Aufteilung von Hausarbeit und die Auswirkungen auf die Arbeitszeitverteilung, den Ressourcenverbrauch und die Umwelt. Der Einfluss digitaler Angebote, wie Feedbacksysteme, auf den Umgang der Haushaltsmitglieder mit Ressourcen und deren Verbrauch sowie die Rolle von Geschlechterrollen bedarf ebenfalls weiterer Forschung. Die Integration von Genderperspektiven in die Entwicklung und Gestaltung smarter Technologien ist somit essentiell, um ungleiche Machtverhältnisse und ungerechte Verteilung von Ressourcen zu vermeiden.
VI.Mehrwert von Genderperspektiven in der Umweltforschung
Die Einbeziehung von Genderperspektiven bietet einen erheblichen Mehrwert für die Umweltforschung und -politik. Sie ermöglicht die Identifizierung von geschlechtsspezifischen Ungleichheiten und Machtverhältnissen, die Antizipation von Verteilungskonflikten, und dient als Frühwarnsystem für nicht intendierte Nebenwirkungen von Maßnahmen. Die Berücksichtigung von Gender ermöglicht eine stärkere Orientierung am Alltag der Menschen und verbessert die Umsetzbarkeit von Konzepten und Maßnahmen. Die Studie betont die Bedeutung der Versorgungsökonomie und die Notwendigkeit, unbezahlte Arbeit stärker zu berücksichtigen.
1. Mehrwert durch Berücksichtigung von Geschlechterunterschieden
Die Studie argumentiert, dass die Berücksichtigung von Genderperspektiven einen erheblichen Mehrwert für die Verbesserung der Umsetzbarkeit von Konzepten, Maßnahmen und Lösungsansätzen im Bereich der nachhaltigen und umweltorientierten Stadtforschung bietet. Dieser Mehrwert wird durch das Erkennen von geschlechtsspezifischen Ungleichheiten und Machtverhältnissen erzielt. Die Analyse lenkt die Aufmerksamkeit darauf, welche gesellschaftlichen Gruppen von Transformationsstrategien profitieren oder die Lasten tragen und wie strukturelle oder institutionelle Rahmenbedingungen Veränderungen in verschiedenen Gruppen beeinflussen. Ein weiterer Mehrwert besteht in der Funktion als Frühwarnsystem für nicht intendierte Nebenfolgen von Maßnahmen, sowohl im Hinblick auf Umwelt- als auch Gerechtigkeitsziele. Beispiele aus Genderanalysen zeigen die besondere Belastung von Haushalten mit geringem Einkommen und Alleinerziehenden durch Preissteigerungen im Energiebereich, wie sie bereits mit der Einführung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) sichtbar wurden. Die Integration von Genderperspektiven ist daher direkt mit den Zielen von Gender Mainstreaming verbunden, welches die Auswirkungen von Programmen und Maßnahmen auf die Gleichstellung der Geschlechter überprüft.
2. Genderperspektiven Reformulierung von Problemstellungen und Lösungen
Ein zweiter Ansatz zur Berücksichtigung von Genderperspektiven zielt auf die Reformulierung und Kontextualisierung von Problemwahrnehmungen und -lösungen ab. Genderperspektiven helfen, Lücken und blinde Flecken in der Problemwahrnehmung, in Forschungsfragen und Lösungsansätzen aufzudecken und implizite Annahmen kritisch zu hinterfragen. Besondere Aufmerksamkeit wird der Versorgungsökonomie gewidmet, da oft fälschlicherweise davon ausgegangen wird, dass die dort geleistete Arbeit unbegrenzt und kostenlos zur Verfügung steht. Genderperspektiven lenken den Fokus auf gesellschaftliche Rollen- und Verantwortungszuschreibungen und unbezahlte Arbeit. Die möglichen Folgen von Maßnahmen müssen sowohl für bezahlte Erwerbsarbeit als auch für unbezahlte Versorgungsarbeit betrachtet werden. Der Mehrwert dieser Perspektive liegt in einer stärkeren Orientierung am Alltag und der Lebenswelt derjenigen, die Nachhaltigkeitsanforderungen in ihren Alltag integrieren sollen. Die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit technischer Lösungen hängt von den Annahmen über Nutzer*innen, deren Anforderungen, Routinen und Praktiken ab, die in die Entwicklung und Gestaltung einfließen. Genderperspektiven berücksichtigen auch geschlechtsspezifische Konflikte, Aushandlungsprozesse und Machtstrukturen im privaten Bereich.
3. Beispiele für den Mehrwert von Genderperspektiven
Die Studie diskutiert den Mehrwert von Genderperspektiven anhand verschiedener Beispiele. Die Berücksichtigung von Gender ermöglicht die Antizipation von Verteilungskonflikten und frühzeitiges Gegensteuern. Als Beispiel wird die energetische Sanierung von Wohngebäuden genannt. Hierbei stellt sich die Frage, welche Gruppen von Fördermaßnahmen profitieren und welche ausgeschlossen sind, um soziale Schieflagen zu vermeiden. Ähnliche Überlegungen gelten für den Zugang zu Wohnlagen mit unterschiedlichem Risiko durch Extremwetterereignisse und die Verteilung von Versicherungskosten. Frühzeitige Genderanalysen zeigten bereits die besondere Belastung einkommensschwacher Haushalte und Alleinerziehender durch Preissteigerungen, z.B. durch die EEG-Umlage. Die Einbeziehung von Genderperspektiven verbessert die Umsetzbarkeit von Konzepten und dient als Frühwarnsystem für nicht intendierte Nebenfolgen im Hinblick auf Umwelt- und Gerechtigkeitsziele. Durch die Berücksichtigung der Versorgungsökonomie wird die Bedeutung gesellschaftlicher Rollen- und Verantwortungszuschreibungen und unbezahlter Arbeit sichtbar und eine Neubewertung und Neuverteilung aller Arbeitsformen angestrebt.
VII.Analytische Kategorien und Genderdimensionen
Die Analyse beruhte auf Genderdimensionen, die sich auf zentrale Bereiche gesellschaftlicher Strukturierung beziehen, welche hierarchische Geschlechterbeziehungen herstellen und reproduzieren. Diese Dimensionen dienten als Suchmatrix zur Identifizierung potenzieller Wirkungen von Maßnahmen auf die Geschlechterverhältnisse. Im Projekt wurden die Dimensionen Androzentrismus, Gestaltungsmacht, Versorgungsökonomie, symbolische Ordnung, Erwerbsarbeit und politische Partizipation verwendet, wobei Androzentrismus aufgrund von Operationalisierungsschwierigkeiten in der Vorlaufforschung nicht angewendet wurde.
1. Genderdimensionen als analytische Kategorien
Die Struktur des Literaturreviews, die Formulierung von Forschungsempfehlungen und die Durchführung von Wirkungsanalysen ausgewählter Programme basierten auf analytischen Kategorien zur Untersuchung gesellschaftlicher Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern – den sogenannten Genderdimensionen. Diese wurden im Forschungsprojekt „Interdependente Genderaspekte der Klimapolitik“ (FKZ 3716 41 119 0) aus bereits erprobten Ansätzen zusammengeführt und weiterentwickelt. Die Genderdimensionen beziehen sich auf zentrale Bereiche oder Felder gesellschaftlicher Strukturierung, durch die hierarchische Geschlechterbeziehungen hergestellt, aufrechterhalten und reproduziert werden. Sie können auch als „Lebensbereiche“ beschrieben werden, um den Handlungsbezug zu verdeutlichen. Generell dienen sie als Suchmatrix für die Analyse gleichstellungsrelevanter Wirkungen von Programmen und Maßnahmen, um potenzielle Auswirkungen auf die Geschlechterverhältnisse zu identifizieren. Im vorliegenden Projekt wurde die Genderdimension Androzentrismus aufgrund von Operationalisierungsschwierigkeiten in der Vorlaufforschung nicht angewendet, wird aber der Vollständigkeit halber erwähnt. Die Anwendung dieser analytischen Kategorien ermöglichte eine systematische Untersuchung der Geschlechterverhältnisse in verschiedenen Kontexten der Umweltforschung und -politik.
2. Anwendungsbeispiel Wohnflächenverbrauch und seine Geschlechterdimensionen
Die zunehmende Wohnfläche pro Kopf in Deutschland seit 1990 (mehr als 34%) und die damit verbundenen Ressourcenverbräuche werden als Beispiel für die Relevanz der Genderdimensionen genannt. Es fehlen belastbare Daten zu Stadt-Land-Unterschieden, aber der Druck auf städtischen Wohnraum und steigende Preise deuten auf eine Reduktion der Wohnfläche pro Person in Städten hin. Die Studie verweist auf Berechnungen einzelner Städte (z.B. Hannover 2007), die zeigen, dass die Zunahme der Wohnfläche die Erfolge durch Energieeffizienzmaßnahmen zunichtemachen kann. Die wachsende Anzahl von Einpersonenhaushalten, oft fälschlicherweise nur älteren Frauen zugeschrieben, wird als Treiber des Wohnflächenverbrauchs genannt. Die Studie plädiert dafür, in zukünftigen Untersuchungen die Verbindungen von Geschlecht mit anderen sozialen Faktoren wie Einkommen, Alter und Migrationshintergrund sowie demografische Entwicklungen stärker zu berücksichtigen. Die Rolle von Suffizienz- und Nachhaltigkeitskriterien bei Wohnungsentscheidungen und mögliche Geschlechterunterschiede sollten ebenfalls untersucht werden. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie die Anwendung der Genderdimensionen zu einem differenzierteren Verständnis von Ressourcenverbrauch und seinen sozialen Ursachen beitragen kann.