
Inter-Satelliten-Distanzmessung: Lageregelung
Dokumentinformationen
Autor | Tamara Bandikova |
instructor/editor | Prof. Dr.-Ing. Jakob Flury |
Schule | Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover |
Fachrichtung | Bauingenieurwesen und Geodäsie |
Dokumenttyp | Dissertation |
Ort | München |
Sprache | German |
Format | |
Größe | 21.34 MB |
Zusammenfassung
I.Die GRACE Mission Präzise Erdschwerefeld Bestimmung mittels Inter Satelliten Ranging
Die Gravity Recovery and Climate Experiment (GRACE) Mission, die erste und bisher einzige Satellitenmission, die die Inter-Satelliten-Ranging Technik zur Bestimmung des statischen und zeitvariablen Erdschwerefelds einsetzt, wird detailliert analysiert. Die Genauigkeit der GRACE-Schwerefeldmodelle ist trotz 13-jähriger erfolgreicher Mission noch verbesserungsfähig. Hauptfehlerquellen sind unbehandelte Fehler in den Satellitendaten, insbesondere bei der Präzisen Lagebestimmung.
1.1 Die GRACE Mission Grundlagen der Erdschwerefeld Bestimmung
Die Gravity Recovery and Climate Experiment (GRACE) Mission stellt die erste und bisher einzige Satellitenmission dar, die die Inter-Satelliten-Ranging-Technik zur Bestimmung des statischen und zeitvariablen Erdschwerefelds nutzt. Die gewonnenen Schwerefeld Daten sind für diverse geowissenschaftliche Disziplinen von unschätzbarem Wert, da sie Informationen über die Massenverteilung und den Massentransport im Erdsystem liefern – Informationen, die mit keinen anderen Satellitendaten zugänglich sind. Trotz 13 Jahren erfolgreicher Mission bemüht man sich weiterhin, das Rauschen der GRACE-Schwerefeldmodelle zu reduzieren, um die vorhergesagte GRACE-Basisgenauigkeit zu erreichen. Eine der größten Fehlerquellen sind unbehandelte Fehler in den Satelliten-Beobachtungsdaten. Neben den primären wissenschaftlichen Beobachtungen (Microwave Inter-Satelliten-Ranging, präzise Bahnbestimmung und hochsensitive Beschleunigungsmessung) ist die präzise Lagebestimmung eine vierte, grundlegende Beobachtung, die sowohl für den Missionsbetrieb als auch die wissenschaftliche Datenverarbeitung unerlässlich ist. Die Genauigkeit der Erdschwerefeldmodelle ist ein zentrales Thema und wird im weiteren Verlauf des Dokuments immer wieder aufgegriffen.
1.2 Messprinzipien und Instrumente Inter Satelliten Ranging Beschleunigungsmessung GPS und Lagebestimmung
Die Erdschwerefeld Bestimmung basiert auf dem Inter-Satelliten-Ranging: die präzise Messung der Distanz zwischen zwei Satelliten. Diese Messung erfordert eine hochpräzise Orientierung der Satelliten zueinander (Inter-Satelliten-Pointing). Die Mikrowellen-Inter-Satelliten-Ranging-Methode, genauer das K-Band-Ranging, ist hierfür zentral. Zusätzlich werden präzise Bahndaten mittels GPS (Global Positioning System) erfasst. Ein hochsensitives Dreiachsen-Kapazitives Beschleunigungsmesser (ACC) an Bord jedes Satelliten misst nicht-gravitative Beschleunigungen, wie z.B. durch Luftwiderstand oder Sonnenstrahlung. Die Datenverarbeitung der einseitig gemessenen Phasenverschiebungen erfolgt an Bord (Onboard Processing) und am Boden (Onground Processing). Die gewonnenen Daten beinhalten den Abstand, die Abstandsgeschwindigkeit und die Abstandsbeschleunigung. Die Genauigkeit dieser Messungen ist entscheidend für die Qualität der Schwerefeldmodelle. Die Positionierung und Kalibrierung des Beschleunigungsmessers im Massenschwerpunkt des Satelliten ist dabei von großer Bedeutung. Die ONERA ist Hersteller des verwendeten Beschleunigungsmessers. Die Genauigkeit der Lagebestimmung ist für die korrekte Interpretation der Inter-Satelliten-Ranging Daten fundamental.
1.3 Datenverarbeitung und Schwerefeldmodellierung Herausforderungen und Verbesserungen
Die Datenverarbeitung erfolgt in mehreren Stufen (Level-1A, Level-1B, Level-2). Level-2 enthält die monatlichen und statischen Schwerefeldmodelle, die mit sphärischen harmonischen Funktionen (SH) modelliert werden. Verschiedene Analysezentren (z.B. JPL, CSR, GFZ, CNES/GRGS, AIUB) verarbeiten die Daten unabhängig voneinander, was zu leichten Unterschieden in den Modellen führt. Die Genauigkeit der Modelle hat sich seit Missionsbeginn deutlich verbessert, erreicht aber noch nicht die GRACE-Basisgenauigkeit. Die größten Fehlerquellen sind nicht modellierte Sensor- und Instrumentenfehler sowie Unsicherheiten in den Kalibrierungsparametern. Die Verbesserung der Hintergrundmodelle für Atmosphäre, Ozean und Gezeiten ist ebenfalls wichtig, um Aliasingeffekte durch ungünstige räumliche und zeitliche Abtastung der Satellitenbeobachtungen zu reduzieren. Die Zentren JPL, CSR, GFZ, CNES/GRGS und AIUB spielen eine wichtige Rolle in der Datenverarbeitung und Modellierung des Erdschwerefelds.
1.4 Missionsbetrieb Herausforderungen und zukünftige Missionen
Der erfolgreiche und unerwartet lange Missionsbetrieb von GRACE trotz defekter Komponenten ist eine große Leistung des Missionsteams. Die größten Herausforderungen sind die Stabilisierung des Energiehaushaltes und die Optimierung des Treibstoffverbrauchs. Die Missionslebensdauer wird durch den Treibstoffvorrat, die Anzahl der möglichen Düsenaktivierungen und die Genauigkeit der Lagebestimmung begrenzt. Die GRACE Follow-On Mission, geplant für 2017, soll die Messungen fortsetzen und durch die zusätzliche Verwendung eines Laser-Interferometers eine Verbesserung der Genauigkeit versprechen. Konzepte für zukünftige Schwerefeldmissionen wie e2.motion werden bereits entwickelt. Diese zielen auf eine deutlich verbesserte Genauigkeit der Erdschwerefeldmodelle ab. Der lange Missionsbetrieb liefert wertvolle Informationen über die Leistung von Satellitensubsystemen und Datenverarbeitungsalgorithmen, die bei der Entwicklung zukünftiger Missionen berücksichtigt werden müssen.
II.Analyse der Sternkameras und der Lagebestimmung bei GRACE
Eine umfassende Studie zur Lagebestimmung bei GRACE wird präsentiert. Der Fokus liegt auf den Sternkameras (SCA) als primäre Lagesensoren. Die Analyse der Sternkameradatenverarbeitung (Level-1A zu Level-1B) deckt einen signifikanten Bias (bis zu 3 mrad) bei den Pointingwinkeln auf, verursacht durch Inkonsistenzen zwischen Kalibrierungsparametern der Sternkameras und des Abstandsmessers. Die Genauigkeit der Lagendaten beeinflusst den Treibstoffverbrauch und die Lebensdauer der Mission. Die Technische Universität Dänemark (DTU) entwickelte die Sternkameras.
2.1 Sternkameras SCA als primäre Lagesensoren bei GRACE
Die vorliegende Arbeit präsentiert eine detaillierte Analyse der Eigenschaften und der Genauigkeit der GRACE Lagebestimmungenssensoren und -aktuatoren. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Sternkameras (SCA), die die primären Lagesensoren der Mission bilden. Diese Sternkameras, entwickelt von der Technischen Universität Dänemark (DTU), bestehen aus zwei Kameraköpfen, die fest am Beschleunigungsmesser-Rahmen montiert sind. Jeder Kopf besitzt einen Zenit-Offset von 45°. Die Datenverarbeitung der Sternkameras erfolgt nicht in einer separaten Einheit, sondern im Instrument Processing Unit (IPU) zusammen mit den K-Band-Ranging- und GPS-Daten. Die Analyse umfasst die Eigenschaften des Inter-Satelliten-Pointings, also die präzise Ausrichtung der Satelliten zueinander, eine grundlegende Voraussetzung für die Abstandsmessung mittels Inter-Satelliten-Ranging. Die DTU spielte eine entscheidende Rolle in der Entwicklung und Bereitstellung der Sternkameratechnologie für die GRACE-Mission. Die Genauigkeit der Sternkameras ist ein zentraler Aspekt für die gesamte Missionsperformance.
2.2 Analyse des Inter Satelliten Pointings und der Pointingwinkel Bestimmung
Die Untersuchung der Algorithmen zur Bestimmung der Pointingwinkel im Onboard- und Onground-Processing zeigt einen erheblichen Bias von bis zu 3 mrad auf. Dieser Bias resultiert aus Inkonsistenzen zwischen den Kalibrierungsparametern der Sternkameras und des Abstandsmessers. Die präzise Orientierung der Satelliten zueinander (Inter-Satelliten-Pointing) ist für die Inter-Satelliten-Ranging Messungen unabdingbar. Jede Ungenauigkeit in der Lagebestimmung wirkt sich direkt auf die Genauigkeit der Abstandsmessungen und folglich auf die resultierenden Schwerefeldmodelle aus. Die Genauigkeit des Inter-Satelliten-Pointings wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst, die im Detail untersucht wurden. Die Analyse der Pointingwinkel und der verwendeten Algorithmen zeigt die Notwendigkeit von Verbesserungen in der Datenverarbeitung und Kalibrierung auf. Die Ergebnisse betonen die Bedeutung einer präzisen Kalibrierung der Instrumente für eine genaue Erdschwerefeld Bestimmung.
2.3 Sternkameradatenverarbeitung Level 1A bis Level 1B und Datenkombinationsmethoden
Die Studie beinhaltet eine umfassende Überprüfung der Sternkameradatenverarbeitung von Level-1A zu Level-1B, mit besonderem Fokus auf die Datenkombinationsmethoden. Die Analyse zielt auf die Ermittlung der Ursachen für das erhöhte Rauschen in den offiziellen Sternkameradaten (SCA1B Release 02) ab. SCA1B RL02 weist ein systematisch erhöhtes Rauschen um den Faktor 3-4 auf. Die Datenanalyse zeigt, dass die Fehlerursache in einer inkorrekten Implementierung der Algorithmen zur Sternkameradatenkombination in den offiziellen Verarbeitungsroutinen liegt. Die Genauigkeit der kombinierten Daten wird im Vergleich zu alternativen Verfahren untersucht und mit den Auswirkungen auf die Genauigkeit der resultierenden Schwerefeldmodelle in Verbindung gebracht. Die Datenverarbeitung von Sternkameradaten ist ein kritischer Faktor für die Genauigkeit der Lagebestimmung und die Qualität der wissenschaftlichen Ergebnisse. Die Verwendung von Quaternionen für die Datenkombination wurde untersucht. Die unterschiedliche Genauigkeit der beiden Sternkameraköpfe beeinflusst die Lagebestimmung.
III.Auswirkungen von Sternkamera Genauigkeit auf die Datenqualität und Missionsdauer
Die Genauigkeit der Sternkameradaten wirkt sich direkt auf die Genauigkeit der Schwerefeldmodelle aus. Systematische Fehler in den offiziellen Sternkameradaten (SCA1B Release 02) mit um den Faktor 3-4 erhöhtem Rauschen werden untersucht und auf eine fehlerhafte Implementierung der Datenkombinationsalgorithmen zurückgeführt. Die Auswahl der primären Sternkamera beeinflusst den Treibstoffverbrauch (GN2) erheblich, was die Missionslebensdauer begrenzt. Unterschiede im Treibstoffverbrauch zwischen den einzelnen Sternkameraköpfen werden quantifiziert und erreichen Faktoren von 1.3 (GRACE-A) und 1.8 (GRACE-B) oder sogar 2.5-3 (GRACE-B ab 2012).
3.1 Auswirkungen der Sternkamera Genauigkeit auf die Datenqualität
Die Genauigkeit der Sternkameras (SCA) ist entscheidend für die Qualität der GRACE-Daten und die Genauigkeit der resultierenden Schwerefeldmodelle. Systematisch erhöhtes Rauschen in den offiziellen Sternkameradaten (SCA1B Release 02) um einen Faktor 3-4 wurde festgestellt. Die Analyse zeigt, dass die Ursache in der fehlerhaften Implementierung der Algorithmen für die Datenkombination in den offiziellen Verarbeitungsroutinen liegt. Dieser Fehler hat einen globalen Einfluss auf das Geoid im Millimeterbereich. Die anisotrope Messgenauigkeit der Sternkameras, die begrenzte Verfügbarkeit von Daten von beiden Kameraköpfen (ca. 60-70% der Zeit aufgrund von Sonnen- und Mondeinstrahlung) und die unterschiedliche Performance der einzelnen Sternkameraköpfe beeinflussen die Genauigkeit der finalen Lagebestimmung. Die ungenaue Lagebestimmung führt zu Fehlern in der Verarbeitung der Inter-Satelliten-Ranging, GPS- und Beschleunigungsmesserdaten, was sich direkt auf die Genauigkeit der Schwerefeldmodelle auswirkt. Eine verbesserte Datenverarbeitung der Sternkameradaten ist essentiell für die Verbesserung der Datenqualität.
3.2 Einfluss der Sternkamera Genauigkeit auf die Missionslebensdauer
Die Genauigkeit der Sternkameramessungen hat einen direkten Einfluss auf den Treibstoffverbrauch und die Anzahl der Düsenaktivierungen, beides limitierende Faktoren der Missionslebensdauer. Die Lagebestimmung basiert im Wesentlichen auf den Daten der jeweils primären Sternkamera, die etwa alle 161 Tage gewechselt wird (außer bei kurzzeitigen Wechseln aufgrund von Mondeinstrahlung). Wenn die weniger genaue Sternkamera als primäre Kamera eingesetzt wird, erhöht sich der Treibstoffverbrauch (GN2) um den Faktor 1.3 (GRACE-A) bzw. 1.8 (GRACE-B), in neueren Jahren sogar auf 2.5-3 (GRACE-B). Dies liegt an der ungenauen Lagebestimmung, was zu einer Überkorrektur der Satellitenhaltung führt. Der erhöhte Treibstoffverbrauch wirkt sich somit negativ auf die Missionslebensdauer aus. Die Optimierung des Treibstoffverbrauchs und die Minimierung der Anzahl der Düsenaktivierungen sind daher wichtige Aspekte des Missionsbetriebs. Die Analyse der Sternkamera-Performance ist für eine verlängerung der Missionslebensdauer entscheidend. Die Genauigkeit der Lagebestimmung ist ein wesentlicher Faktor für die Optimierung des Treibstoffverbrauchs.
IV.Verbesserung der GRACE Daten und Ausblick auf zukünftige Missionen
Die Studie schlägt Verbesserungen der Sternkameradatenverarbeitung vor, um das Rauschen zu reduzieren und die Genauigkeit der Schwerefeldmodelle zu erhöhen. Die Ergebnisse zeigen, dass die verbesserte Lagengenauigkeit eine signifikante Verbesserung der Inter-Satelliten-Pointing Genauigkeit bringt. Für zukünftige Missionen wie GRACE Follow-On und e2.motion werden höhere Anforderungen an die Lagebestimmung gestellt. Die Integration von drei Sternkameras pro Satellit und die Verwendung von Laser-Interferometrie (LRI) werden diskutiert, um die Genauigkeit der Erdschwerefeldmessung deutlich zu verbessern.
4.1 Verbesserung der GRACE Daten Identifikation und Korrektur von Fehlern
Die Studie zeigt, dass die offiziellen GRACE-Daten (SCA1B Release 02) ein systematisch erhöhtes Rauschen aufweisen, etwa um den Faktor 3-4 höher als erwartet. Die detaillierte Analyse der Datenverarbeitung von Level-1A zu Level-1B, insbesondere der Datenkombinationsmethoden, identifiziert die fehlerhafte Implementierung der Algorithmen als Ursache. Diese fehlerhafte Implementierung führt zu einem deutlich erhöhten Rauschen in den finalen Lagebestimmungsdaten, was sich wiederum negativ auf die Genauigkeit der abgeleiteten Schwerefeldmodelle auswirkt. Die Korrektur dieses Fehlers ist essentiell für eine Verbesserung der Datenqualität und die Annäherung an die angestrebte Basisgenauigkeit der GRACE-Mission. Die Auswirkungen des erhöhten Rauschens betreffen das globale Geoid im Millimeterbereich. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer gründlichen Überprüfung und Validierung der Datenverarbeitungsalgorithmen für Satellitenmissionen zur Erdbeobachtung.
4.2 Ausblick auf zukünftige Missionen Anforderungen an die Lagebestimmung
Die GRACE Follow-On Mission und Konzepte für zukünftige Missionen, wie z.B. e2.motion, setzen eine deutlich höhere Genauigkeit der Messungen voraus. Um das volle Potential dieser verbesserten Messtechniken (Inter-Satelliten-Ranging, hochsensitive Beschleunigungsmessung) auszuschöpfen, sind höhere Anforderungen an die Lagebestimmung notwendig. Die Erfahrungen aus der GRACE-Mission, insbesondere die identifizierten Fehlerquellen und die daraus resultierenden Probleme, müssen bei der Planung zukünftiger Missionen berücksichtigt werden. Die Integration von drei Sternkameras pro Satellit, wie in der GRACE Follow-On Mission angedacht, könnte die Datenqualität und die Robustheit des Systems signifikant verbessern. Simulationen sind notwendig um die Anforderungen an die Genauigkeit der Sensoren, der Kalibrierungsparameter und der Datenverarbeitung zu definieren. Ein generischer Ansatz für solche Simulationen wird vorgestellt. Die Genauigkeit der Lagebestimmung ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg zukünftiger Erdschwerefeldmissionen.