
Hochschul-Lernwelten: Nutzungsanalyse
Dokumentinformationen
Autor | Alexandra Becker |
instructor/editor | Prof. Dr. Richard Stang |
Schule | Hochschule der Medien (HdM) |
subject/major | Medien |
Dokumenttyp | Masterarbeit |
Sprache | German |
Format | |
Größe | 1.89 MB |
Zusammenfassung
I.Zentrale Forschungsfrage Methodik
Die Studie untersucht das Nutzungsverhalten in einem Selbstlernzentrum, speziell die Raumpraktik des ‚Bauens eines Raumes im Raum‘ – das Bedürfnis nach Abschirmung und akustischer Privatheit. Die Hochschule der Medien Stuttgart (HdM) mit ihrer 440 qm großen HdM-Lernwelt diente als Reallabor. Die Methodik umfasste Beobachtungen (1080 Bilder über 10 Tage, ausgewertet auf 9207 Personen), Leitfadeninterviews (70 Studierende, 3 Einzelpersonen, 16 Gruppen) und eine Online-Befragung. Untersucht wurden die Einflüsse von Sozialform, Besucherstärke, Lautstärke (in dB) und unterschiedlichen Settings (Vorkonfiguriert, Nutzendengestaltet, Storage) auf die Trennwandnutzung als Indikator für Abschottungsverhalten. Die Lernraumgestaltung und die Flexibilität der Einrichtung wurden ebenfalls analysiert.
1. Forschungsfrage und Zielsetzung
Die zentrale Forschungsfrage der Studie lautet: Wie kann ein lernendenzentriertes Selbstlernzentrum konkret gestaltet sein? Die Arbeit untersucht das Nutzungsverhalten in solchen Zentren, insbesondere die Raumpraktik des "Bauens eines Raumes im Raum", ein Phänomen, das beschreibt, wie Lernende sich Rückzugsmöglichkeiten schaffen, sowohl einzeln als auch in Kleingruppen. Dieses Verhalten wird im Kontext der Lernorganisation betrachtet. Die scheinbar gegensätzliche Notwendigkeit von "hiding places" (Doorley & Witthoft 2012, 132) neben der Förderung von Kommunikation und Interaktion wird thematisiert. Das Ziel ist es, diese Raumpraktik genauer zu beleuchten und die relevanten Rahmenbedingungen zu identifizieren, um unerwünschtes Suchen nach alternativen Lernumgebungen zu vermeiden. Die Untersuchung fokussiert auf den Einfluss von Sozialform der Lernenden, Besucherstärke und Lautstärke (in dB) auf die Nutzung von Trennwänden als Indikator für das Abschottungsverhalten. Verschiedene Settings mit unterschiedlichen Freiheitsgraden bei der Einrichtungskonfiguration ermöglichen einen Vergleich verschiedener Raumgestaltungen und ihrer Auswirkung auf das Nutzungsverhalten.
2. Untersuchungsdesign und Methodik
Als Reallabor dient die HdM-Lernwelt, eine 440 qm große ehemalige Bibliothek der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart, die in drei Zonen unterteilt ist: Einzelzone, Gruppenzone und Chill-Out-Zone. Die HdM-Lernwelt wurde mit flexiblen Möbeln, Trennwänden und Medientechnik ausgestattet. Die Studierenden konnten die Lernwelt frei nutzen. Die Studie verwendet eine Mixed-Methods-Methode, die qualitative und quantitative Daten kombiniert. Die Datenerhebung erfolgte durch drei Methoden: Erstens, systematische Beobachtungen: alle 30 Minuten wurden Bilder in jeder Zone aufgenommen (insgesamt 1080 Bilder über 10 Tage, umfassend 9207 Personen), um das Nutzungsverhalten zu dokumentieren. Zweitens, Leitfadeninterviews: 70 Studierende wurden in situ interviewt (3 Einzelpersonen, 16 Gruppen), um ihre Perspektiven und Bedürfnisse zu erfassen. Drittens, Online-Befragungen: Diese dienten zur Ergänzung der anderen Daten und um einen Überblick über das Nutzungsverhalten zu erhalten. Die Auswertung der Daten berücksichtigt die verschiedenen Settings und die Zonierung der HdM-Lernwelt, um den Einfluss dieser Faktoren auf das Abschottungsverhalten zu analysieren.
II.Einflussfaktoren der Lernraumgestaltung
Die Studie beleuchtet die Bedeutung der Lernumgebung und deren Einfluss auf das Lernverhalten. Verschiedene pädagogische Ansätze und Theorien (z.B. Schütz, Luhmann) werden herangezogen, um die Raumwahrnehmung und das Bedürfnis nach Autonomie und Interaktion zu verstehen. Lautstärke, Raumdichte, Territorialität, und die Gestaltung der Lernräume mit Mobiliar und Einrichtung werden als wichtige Faktoren für die Gestaltung eines effektiven Selbstlernzentrums identifiziert. Die Studie betont die Notwendigkeit, die Bedürfnisse der Lernenden in den Mittelpunkt zu stellen (nutzerzentrierter Ansatz) und die Lernorganisation zu berücksichtigen.
1. Entwicklungen in der Pädagogik und der Lernraumgestaltung
Der Abschnitt beleuchtet den Wandel in der Pädagogik hin zu einem lernendenzentrierten Ansatz ("Shift from Teaching to Learning", Stang, 2016, 181; Paetz et al., 2011, 23; Bachmann, 2014; Szczyrba, 2006). Globalisierung, Medialisierung und Informalität führen zu einer Entgrenzung des pädagogischen Raums (Böhme 2013, 141), was neue Anforderungen an Lernräume stellt. Der Fokus verlagert sich von der Lehrperson auf den Lernenden und dessen individuelle Lernorganisation (Reusser, 1995). Die bisherige Forschung konzentrierte sich stark auf die Perspektive der Lehrenden (Stadler-Altmann 2016, 63), während die Bedürfnisse und das Verhalten der Lernenden stärker untersucht werden müssen (Stadler-Altmann 2016, 64). Die einfache Verfügbarkeit von Informationen und die zunehmende Individualisierung verändern die Lernorganisation grundlegend. Der Abschnitt verweist auf verschiedene Pädagogen wie Fröbel, Steiner, Montessori, Malaguzzi, Petersen und Dewey, die bereits die pädagogische Wirkung von Lernraumgestaltung erkannten (Pfeiffer, 2013). Das Sprichwort "Ein Kind hat drei Lehrer: die anderen Kinder, den Lehrer und den Raum" (Seydel 2004, 136) unterstreicht die langjährige Bedeutung der Lernraumgestaltung.
2. Raum und Mensch Wahrnehmung und Erleben
Der Abschnitt behandelt die Interaktion zwischen Raum und Mensch. Raumwahrnehmung ist ein komplexer Prozess, der alle Sinne einbezieht und zu individuellen Raumerfahrungen führt (Baur 2005, 153; Tuan 1977). Das Raumerleben hat sowohl eine subjektiv-emotionale als auch eine rationale Komponente. Geborgenheit und Sicherheit sind wichtige, oft unbewusste Bedürfnisse (Alexander, Ishikawa, & Silverstein 1977), die bei der Gestaltung von Lernräumen berücksichtigt werden sollten. Der Raum wirkt sozial-regulativ, er steuert das Involviertsein von Individuen in Gruppen und ermöglicht den Rückzug in die persönliche Sphäre (Löw, zitiert bei Richter 2013, 57). Die Raumwahrnehmung beeinflusst das Verhalten des Menschen, und umgekehrt gestaltet der Mensch den Raum aktiv mit (Fischer 1986, 98; Manderscheid 2008, 157). Die optimale Mischung von Reizen, eine "Einheit des Mannigfaltigen" (Berlyne 1971, 172), ist wichtig für eine positive Raumwirkung (Forster 2000, 48). Die Komplexität des Raumes beeinflusst das Bedürfnis nach Ordnung und umgekehrt. Die "symbolische Bewertung" (Fischer 1986, 59-60) und die "raumbildenden Unterscheidungen" (Redepennig & Wilhelm 2014) spielen eine wichtige Rolle für das Raumverständnis und Nutzungsverhalten.
3. Einflussfaktoren Lautstärke Dichte und Territorialität
Dieser Abschnitt konzentriert sich auf die konkreten Einflussfaktoren der Lernraumgestaltung, insbesondere Lautstärke, Raumdichte und Territorialität. Ein akzeptabler Lautstärkepegel in einem halböffentlichen Raum liegt bei bis zu 50 dB, für Sprache deutlich niedriger (Richter 2013). Die Lautstärke wird besser toleriert, wenn die Geräusche von vertrauten Personen stammen oder selbst verursacht werden (Kontrolle). Das Bedürfnis nach akustischer Privatheit ist vorhanden, selbst wenn es sich nicht um vertrauliche Inhalte handelt. Der Abschnitt beleuchtet den "Crowding-Effekt", das subjektive Empfinden von Überfüllung, welches durch verschiedene Faktoren beeinflusst wird (Gifford 2002, 178-186), wie Geschlecht, persönliche Präferenzen, Vertrautheit mit der Situation und die räumlichen Gegebenheiten. Überfüllung führt zu negativen Effekten, besonders wenn gleichzeitig wichtige Ressourcen knapp sind (Richter 2013, 276; Wicker, 1973; Walden 2008, 82). Territorialität beschreibt die Aneignung und Kontrolle von Raum (Gifford 2002, 150), und erleichtert das Handeln in komplementären Rollen (Hellbrück & Fischer 1999, 343). Selbstlernzentren werden als sekundäre Territorien klassifiziert. Der Heimvorteil (Goerigk & Kühnen, 2006; Richter 2013, 239) verdeutlicht den positiven Einfluss von Kontrolle und Autonomie im eigenen Territorium.
III.Ergebnisse Trennwandnutzung Zonierung
Die Trennwandnutzung war in der Einzelzone am höchsten (60% der Nutzung, 0.41 Trennwände pro Person), gefolgt von der Gruppenzone (0.32) und der Chill-Out-Zone (0.03). Die Korrelation zwischen Lautstärke und Trennwandnutzung war positiv, besonders im Setting ‚Nutzendengestaltet‘. Die Zonierung der HdM-Lernwelt (Einzel-, Gruppen-, Chill-Out-Zone) wurde von den Studierenden nicht strikt eingehalten. Die Wahl des Platzes hing von weiteren Faktoren ab als der angebotenen Mobiliarausstattung der jeweiligen Zone. Die Sozialform (Einzelarbeit vs. Gruppenarbeit) zeigte einen Einfluss auf die Platzwahl und die Trennwandnutzung, wobei die Gruppenarbeit die Nutzung der Trennwände in der HdM-Lernwelt beeinflusste.
1. Trennwandnutzung in den verschiedenen Zonen
Die Ergebnisse zeigen eine deutliche Präferenz für die Nutzung von Trennwänden in der Einzelzone der HdM-Lernwelt. 60% der Trennwände wurden dort verwendet, verglichen mit 32% in der Gruppenzone und nur 8.1% in der Chill-Out-Zone. Berechnet man die Trennwandnutzung pro Person (PKQ), ergibt sich ein Wert von 0.41 in der Einzelzone, 0.32 in der Gruppenzone und nur 0.03 in der Chill-Out-Zone. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass das Bedürfnis nach Abschirmung und Privatheit in der Einzelzone am stärksten ausgeprägt ist. Im Setting "Nutzendengestaltet" war die Trennwandnutzung pro Kopf in der Einzelzone am höchsten (0.53), während im Setting "Vorkonfiguriert" der niedrigste Wert (0.33) gemessen wurde. Die Korrelation zwischen Schallpegel und Trennwandnutzung war in den Settings "Nutzendengestaltet" (ρ = 0,69, p < 0,01) und "Storage" (ρ = 0,52, p < 0,01) mittelmäßig positiv, im Setting "Vorkonfiguriert" nur schwach positiv (ρ = 0,47, p < 0,01). Dies deutet darauf hin, dass höhere Lautstärke die Nutzung von Trennwänden zur Abschirmung verstärkt.
2. Zonierung und Platzwahl der Studierenden
Die Ergebnisse zur Zonierung zeigen, dass die konzeptionell vorgesehene Zuordnung der Zonen (Einzel-, Gruppen-, Chill-Out-Zone) von den Studierenden nicht strikt eingehalten wurde. Obwohl die meisten Gruppen in der Gruppen- und Chill-Out-Zone anzutreffen waren, nutzten Einzelpersonen nicht überwiegend die Einzelzone. Dies deutet darauf hin, dass die angebotenen Möbeltypen nicht der einzige Faktor bei der Platzwahl sind. Interessanterweise war die Einzelzone im Durchschnitt die ruhigste Zone, und dort wurde die höchste Trennwandnutzung pro Kopf verzeichnet. Die Gründe hierfür sind unklar und könnten mit der Lage der Zone im Raum, der Schalldämmung durch den Vorhang oder der zusätzlichen Schalldämpfung durch die Trennwände selbst zusammenhängen. Weitere Untersuchungen wären notwendig, um diese Aspekte zu klären. Die Ergebnisse verdeutlichen die Notwendigkeit, die tatsächlichen Bedürfnisse und Kriterien der Studierenden bei der Gestaltung von Lernräumen zu berücksichtigen, da die konzeptionelle Zonierung nicht zwangsläufig dem tatsächlichen Nutzungsverhalten entspricht.
IV.Ergebnisse Settings Semesterverlauf
Die unterschiedlichen Settings beeinflussten die Trennwandnutzung und die Besucherstärke in der HdM-Lernwelt. Mit steigendem Freiheitsgrad bei der Einrichtung sank die Trennwandnutzung. Der Semesterverlauf hatte einen Einfluss auf die Ergebnisse, insbesondere die Besucherstärke, die im Laufe des Semesters zunahm, und möglicherweise auch auf die Erinnerungsfähigkeit der Befragten. Die Studie weist auf die Notwendigkeit weiterer Forschung in Bezug auf die Lernorganisation und den Einfluss von Arbeitslast und Stress auf das Nutzungsverhalten hin. Das ‚Mini-Max-Prinzip‘ der Spieltheorie wurde als mögliche Erklärung für die geringe Trennwandnutzung in einem Setting diskutiert.
1. Einfluss der Settings auf die Raumgestaltung und Nutzung
Die Studie untersuchte drei verschiedene Settings in der HdM-Lernwelt, um den Einfluss der Einrichtungskonfiguration auf das Nutzungsverhalten zu analysieren. Die Ergebnisse zeigen, dass mit zunehmendem Freiheitsgrad bei der Einrichtung (von vorkonfiguriert über nutzendengestaltet bis hin zu Storage) die Nutzung von Trennwänden abnahm. Im Setting "Nutzendengestaltet" war die Korrelation zwischen Schallpegel und Trennwandnutzung am stärksten (ρ = 0,69, p < 0,01), was den Zusammenhang zwischen Lärm und dem Wunsch nach Abschirmung bestätigt. Im Setting "Storage", wo die Möbel gestapelt waren, war die Trennwandnutzung am geringsten, was möglicherweise auf den erhöhten Aufwand beim Herbeischaffen der Trennwände zurückzuführen ist (Mini-Max-Prinzip, Ableitinger & Humenberger 2010, 71). Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine zu geringe Strukturierung des Raumes (Setting 2) zu Unübersichtlichkeit und Unruhe führt und die Besucherzahl reduziert. Im ersten Setting, mit fest zugeordneten Plätzen, wurde die Lernumgebung von den Nutzern an ihre individuellen Bedürfnisse angepasst, was die Flexibilität der Einrichtung unterstreicht und starre Raumprogramme als überholt darstellt (Stang & Strahl 2016, 181).
2. Besucherstärke und Semesterverlauf
Die Veränderung der Besucherstärke im Laufe der Studie korrelierte mit dem Semesterverlauf und den drei verschiedenen Settings. Mit steigendem Freiheitsgrad bei der Einrichtungskonfiguration wanderte die Besucherstärke von der Einzelzone hin zur Gruppen- und Chill-Out-Zone. Dies könnte mit dem Versuchsaufbau und der Anziehungskraft des Rondells zusammenhängen, welches als Orientierungspunkt und Rückzugsmöglichkeit diente. Die steigende Besucherzahl über den gesamten Zeitraum der Studie könnte jedoch auch auf die zunehmende Arbeitsbelastung der Studierenden im Semesterverlauf zurückzuführen sein. Die steigende Arbeitslast und der zunehmende Stress erreichten ihren Höhepunkt parallel zur Durchführung des dritten Settings, was die Gesamtbesucherzahl beeinflusste. Es ist daher schwierig, den Einfluss der Settings allein von dem Einfluss des Semesterverlaufs zu trennen. Zusätzliche Untersuchungen, eventuell mit umgekehrter Reihenfolge der Settings, wären nötig, um diese Faktoren genauer zu differenzieren.
3. Sozialform und Raumnutzung
Die Ergebnisse zur Sozialform zeigen einen kontinuierlichen Rückgang des Anteils an Lernenden in Gruppen über die drei Settings hinweg. Dies widerspricht dem üblichen Anstieg von Gruppentreffen im Laufe eines Semesters. Eine mögliche Erklärung ist, dass Gruppen in den unübersichtlichen Settings Schwierigkeiten hatten, geeignete Plätze zu finden, während Einzelpersonen dies leichter bewerkstelligten. Da 20% der Studierenden Gruppenarbeit als bevorzugte Sozialform angaben, empfiehlt sich eine weiterführende Untersuchung, um die Bedürfnisse dieser Nutzerschaft besser zu verstehen und entsprechende Lernumgebungen zu schaffen. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Lernorganisation und der Bereitstellung geeigneter Räume für verschiedene Sozialformen, auch im Kontext der sich verändernden Arbeitsweisen und Methoden in der Pädagogik (Siebert, 2015).
V.Schlussfolgerungen Ausblick
Die Studie zeigt, dass das Bauen eines Raumes im Raum ein wichtiges Bedürfnis von Lernenden in Selbstlernzentren ist, das durch Lernraumgestaltung, Lautstärke, Sozialform, und die Flexibilität der Einrichtung beeinflusst wird. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung eines nutzerzentrierten Ansatzes bei der Gestaltung von Lernumgebungen. Die Studie empfiehlt weitere Forschung, insbesondere zur Lernorganisation und zum Einfluss des Semesterverlaufs. Die Ergebnisse zeigen einen Bedarf an flexiblen Lernräumen, die sowohl individuelle Arbeit als auch Gruppenarbeit unterstützen. Die HdM-Lernwelt dient als Beispiel für ein erfolgreich implementiertes Konzept, das jedoch weiter optimiert werden kann. Wichtig ist die Berücksichtigung der Raumwahrnehmung, der akustischen Privatheit, und der individuellen Bedürfnisse der Lernenden.
1. Zusammenfassung der Hauptergebnisse
Die Ergebnisse zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Gestaltung der Lernumgebung und dem Nutzungsverhalten. Die konzeptionelle Zonierung der HdM-Lernwelt wurde von den Studierenden nicht strikt eingehalten; die Platzwahl orientierte sich an weiteren Kriterien als der vorgesehenen Zonenzuweisung. Die Trennwandnutzung war in der Einzelzone am höchsten und korrelierte positiv mit dem Lärmpegel. Die drei Settings (vorkonfiguriert, nutzendengestaltet, Storage) zeigten unterschiedliche Ergebnisse bezüglich der Trennwandnutzung und der Besucherstärke. Mit zunehmendem Freiheitsgrad in der Gestaltung sank die Nutzung der Trennwände. Der Semesterverlauf hatte ebenfalls einen Einfluss auf die Besucherzahlen, wobei diese im Laufe des Semesters zunahm, möglicherweise aufgrund steigender Arbeitsbelastung. Der Anteil der Lernenden in Gruppen nahm über die Settings hinweg ab, was auf Schwierigkeiten bei der Platzfindung in unübersichtlichen Settings hindeutet. Die Studie unterstreicht die Bedeutung der Lernorganisation und die Notwendigkeit, die individuellen Bedürfnisse der Lernenden stärker in der Lernraumgestaltung zu berücksichtigen. Feste Raumprogramme sind obsolet; flexible und anpassbare Lernumgebungen sind gefragt (Schönig & Schmidtlein-Mauderer, 2013, 2173; Stang & Strahl 2016, 181).
2. Diskussion der Ergebnisse und methodische Limitationen
Die Ergebnisse weisen einige Diskrepanzen auf, die im Zusammenhang mit dem Semesterverlauf und den unterschiedlichen Erhebungszeitpunkten (Online-Befragung vs. Interviews) diskutiert werden. Der Einfluss der Verfügbarkeitsheuristik (Kahneman 2011, 164-172) auf die Angaben der Studierenden wird thematisiert. Die hohe Besucherzahl im Setting "Storage" könnte auch auf die Semesterdynamik und nicht nur auf das Setting zurückzuführen sein. Die geringe Trennwandnutzung in diesem Setting wird mit dem Mini-Max-Prinzip der Spieltheorie in Verbindung gebracht. Die methodischen Limitationen umfassen den zeitlichen Aufwand der Bildauswertung und die eingeschränkte Aussagekraft der Stichprobe aufgrund der Auswahl der Beobachtungszeitpunkte. Es wird empfohlen, die Daten mittels interpretativer Bildanalyse (Breckner 2010; Bohnsack & Michel 2015) weiter auszuwerten und die Befragung zu präzisieren. Die Organisationsstruktur der Hochschule wird als weitere Herausforderung genannt, die zukünftige Projekte beeinflussen könnte.
3. Ausblick und Empfehlungen für die Gestaltung von Selbstlernzentren
Die Studie bestätigt die Bedeutung von Lernraumgestaltung für die Lernorganisation und das Nutzungsverhalten in Selbstlernzentren. Das Bedürfnis nach Abschirmung und akustischer Privatheit ist ein wichtiger Faktor, der durch die Gestaltung der Lernumgebung berücksichtigt werden muss. Die Ergebnisse zeigen, dass flexible, anpassbare Lernräume die Bedürfnisse der Lernenden besser erfüllen als starre Konfigurationen. Es wird empfohlen, zielgruppentypische Faktoren zu berücksichtigen und die Lernumgebung an die individuellen Bedürfnisse anzupassen (Alexander, Ishikawa, & Silverstein 1977). Die Studie hebt den Forschungsbedarf im Bereich der Selbstlernorganisation hervor und betont die Notwendigkeit eines nutzerzentrierten Ansatzes in der Planung und Gestaltung von Selbstlernzentren. Zukünftige Studien sollten den Einfluss des Semesterverlaufs genauer untersuchen und die Methodik weiter optimieren. Es wird deutlich, dass der gesamte Raum, auch informelle Bereiche, als Lernort genutzt werden kann (Stang, 2016).