Nationale Beschränkungen fossiler Brennstoffe in Heizungsanlagen im Lichte der Ökodesign-Richtlinie

Fossile Brennstoffe: Heizungsanlagen & Ökodesign

Dokumentinformationen

Autor

Friedhelm Keimeyer

Schule

Öko-Institut, Berlin; HWR Berlin

Fachrichtung Wirtschaftsrecht, insbesondere Umweltrecht; Umweltwissenschaften
Unternehmen

Umweltbundesamt

Ort Dessau-Roßlau
Dokumenttyp Abschlussbericht
Sprache German
Format | PDF
Größe 636.54 KB

Zusammenfassung

I.Rechtliche Rahmenbedingungen für die Begrenzung fossiler Brennstoffe in der Gebäudeheizung

Dieses Dokument analysiert die rechtlichen Möglichkeiten, den Einsatz fossiler Brennstoffe wie Heizöl und Erdgas in der Gebäudeheizung in Deutschland zu beschränken. Im Mittelpunkt stehen die Vereinbarkeit nationaler Maßnahmen mit dem EU-Recht, insbesondere der Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 ff. AEUV) und der Ökodesign-Richtlinie (inkl. der Ökodesign-Verordnungen). Die Analyse untersucht die Sperrwirkung der eigenständigen Warenverkehrsklausel (Art. 6 Abs. 1) der Ökodesign-Richtlinie und den verbleibenden Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten. Besondere Beachtung finden dabei die Verhältnismäßigkeit nationaler Regelungen und die Einhaltung des Grundrechts auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Die Untersuchung bezieht sich auf bestehendes Recht (z.B. § 72 Abs. 4 GEG) und erörtert die rechtlichen Herausforderungen für verschärfte Regelungen bis hin zu einem Verbot von fossilen Heizkesseln.

1.1 EU rechtliche Grundlagen Warenverkehrsfreiheit und Ökodesign Richtlinie

Dieser Abschnitt analysiert die rechtlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf die Begrenzung fossiler Brennstoffe in der Gebäudeheizung unter Berücksichtigung des EU-Rechts. Im Fokus steht die Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 und 36 AEUV), die den freien Handel mit Waren innerhalb des EU-Binnenmarkts garantiert. Jedoch sind Ausnahmen möglich, insbesondere aus Gründen des Allgemeinwohls, wie z.B. Klimaschutz. Die Ökodesign-Richtlinie und die zugehörigen Verordnungen spielen eine zentrale Rolle. Diese Richtlinien definieren Ökodesign-Parameter und legen Mindeststandards für die Energieeffizienz von Produkten fest, einschließlich Raumheizanlagen. Ein wichtiger Aspekt ist die Sperrwirkung der eigenständigen Warenverkehrsklausel (z.B. Art. 6 Abs. 1), welche die Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Inbetriebnahme von Geräten regelt, die den Vorgaben der Verordnung entsprechen. Der Dokument untersucht, ob und wie weit nationale Regelungen zur Begrenzung fossiler Brennstoffe mit dieser Klausel vereinbar sind, besonders im Hinblick auf den Klimaschutz und die Minderung von Treibhausgasen.

1.2 Nationale Rechtslage und Gestaltungsspielräume

Dieser Teil befasst sich mit der aktuellen nationalen Rechtslage in Deutschland bezüglich der Gebäudebeheizung mit fossilen Brennstoffen und den bestehenden Gestaltungsspielräumen für nationale Maßnahmen. Das Dokument analysiert, wie weitreichend bestehende Regelungen, beispielsweise der § 72 Abs. 4 GEG, sind und ob diese mit dem übergeordneten EU-Recht vereinbar sind. Es werden verschiedene Szenarien betrachtet, von ordnungsrechtlichen Verwendungsbeschränkungen bis hin zu kompletten Verboten des Einsatzes bestimmter fossiler Brennstoffe wie Heizöl und Kohle in Heizkesseln. Die Analyse bewertet die Zumutbarkeit solcher Maßnahmen im Lichte des Verhältnismäßigkeitsprinzips, berücksichtigt die Auswirkungen auf die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) von Unternehmen, die mit fossilen Brennstoffen oder entsprechenden Anlagen handeln und diskutiert die Notwendigkeit von Ausnahmeregelungen oder Übergangsfristen um eine mögliche unbillige Härte zu vermeiden. Der Fokus liegt auf der rechtlichen Fundierung, um tragfähige Rechtsinstrumente für einen Ausstieg aus der Gebäudebeheizung mit fossilen Energieträgern zu schaffen.

1.3 Vergleichende Betrachtung Dänemark und Niederlande

Dieser Abschnitt präsentiert vergleichende Analysen der Rechtslage in Dänemark und den Niederlanden. In Dänemark zeigt das Dokument die Auswirkungen der dänischen Bauverordnung (BR18), die faktisch ein Verbot von Öl- und Gaskesseln in Neubauten und teilweise im Bestand darstellt, obwohl sie formal als Gebot für erneuerbare Energien formuliert ist. Die Ausnahmeregelungen werden beleuchtet und der historische Konflikt mit der EU-Kommission aus dem Jahr 2013 (bezüglich Richtlinie 2009/142/EG) wird kurz erwähnt, um zu zeigen, wie sich die rechtlichen Rahmenbedingungen verändert haben. Für die Niederlande wird der Ausstieg aus der Erdgasförderung im Groningen-Feld und das damit verbundene faktische Verbot von Gaskesseln in Neubauten aufgrund des niederländischen Gasgesetzes (Gaswet) analysiert. Der Vergleich dient dazu, verschiedene Ansätze und deren rechtliche Implikationen im Kontext der Begrenzung fossiler Brennstoffe in der Gebäudeheizung zu illustrieren und den Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten im Verhältnis zum EU-Recht aufzuzeigen. Beide Beispiele verdeutlichen die Herausforderungen und Möglichkeiten im Umgang mit dem Klimaschutz und der Warenverkehrsfreiheit.

II.EU Rechtliche Aspekte Ökodesign Richtlinie und Warenverkehrsfreiheit

Die Ökodesign-Richtlinie und ihre Durchführungsverordnungen legen Mindestanforderungen an die Energieeffizienz von Produkten fest, darunter auch Raumheizanlagen. Eine zentrale Frage ist, inwieweit die Warenverkehrsklausel der Richtlinie nationale Maßnahmen zur Beschränkung fossiler Brennstoffe einschränkt. Das Dokument analysiert, ob nationale Regelungen, die die Wahl des Energieträgers (z.B. zwischen erneuerbaren Energien und fossilen Brennstoffen) beeinflussen, mit der Richtlinie vereinbar sind. Die Analyse unterscheidet zwischen vollständiger und teilweiser Harmonisierung und betont, dass die Sperrwirkung der Klausel nur bei expliziter Regelung in den Verordnungen eintritt. Die EU-Klimaschutzverordnung (Verordnung Nr. 2018/842) wird als wichtiger Kontext für die Rechtfertigung nationaler Klimaschutzmaßnahmen betrachtet.

2.1 Die Ökodesign Richtlinie und ihre Relevanz für die Begrenzung fossiler Brennstoffe

Dieser Abschnitt beleuchtet die Ökodesign-Richtlinie der EU und ihre Bedeutung für die Begrenzung des Einsatzes fossiler Brennstoffe in der Gebäudeheizung. Die Richtlinie zielt auf die Verbesserung der Energieeffizienz von Produkten ab und legt Ökodesign-Parameter fest, die in Durchführungsverordnungen konkretisiert werden. Die Verordnungen setzen Mindeststandards für verschiedene Produktgruppen, darunter auch Raumheizanlagen. Der Text analysiert, ob und inwieweit die Ökodesign-Richtlinie nationale Maßnahmen zur Reduktion des Verbrauchs fossiler Brennstoffe beeinflusst oder gar behindert. Dabei wird die Frage nach der Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften mit dem EU-Recht untersucht. Es wird unterschieden zwischen vollständiger Harmonisierung, die keinen nationalen Spielraum zulässt, und teilweiser Harmonisierung, die einen gewissen Grad an nationaler Gestaltungsfreiheit erlaubt. Die EU-Klimaschutzverordnung wird als wichtiger Kontext für die Rechtfertigung nationaler Maßnahmen erwähnt, welche die Minderung von Treibhausgasen im Fokus haben. Die Energieverbrauchskennzeichnungs-Verordnung der EU (Verordnung (EU) 2017/1369) wird als ergänzende Richtlinie zu den Ökodesign-Anforderungen genannt.

2.2 Die Warenverkehrsklausel und ihre Auslegung

Zentraler Punkt dieses Abschnitts ist die Warenverkehrsklausel der Ökodesign-Richtlinie (z.B. Art. 6 Abs. 1), die das Verbot, die Beschränkung oder die Behinderung des Inverkehrbringens und der Inbetriebnahme von Geräten, die den Verordnungsbestimmungen entsprechen, regelt. Der Text analysiert die Sperrwirkung dieser Klausel im Detail und untersucht, ob und unter welchen Bedingungen nationale Maßnahmen zur Begrenzung von fossilen Brennstoffen, beispielsweise Heizöl oder Erdgas, mit der Warenverkehrsfreiheit vereinbar sind. Besonderes Augenmerk liegt auf der Auslegung der Klausel, insbesondere auf die Frage, ob technisch unspezifische Vorschriften oder Anreize zur Energieeinsparung von der Klausel erfasst werden. Die Analyse befasst sich mit dem Umfang der Sperrwirkung im Kontext der Ökodesign-Parameter und der jeweiligen Durchführungsmaßnahmen. Die Bedeutung der expliziten Festlegungen in den Durchführungsverordnungen und die Rolle von möglichen 'Nichtregelungen' für bestimmte Parameter werden ausführlich diskutiert. Ein Vergleich mit der Warenverkehrsklausel der Gasgeräte-Richtlinie 2009/142/EG zeigt unterschiedliche Auslegungsspielräume auf.

2.3 Kompatibilität nationaler Maßnahmen mit EU Recht und der Warenverkehrsfreiheit

Dieser Abschnitt konzentriert sich auf die Vereinbarkeit nationaler Maßnahmen zur Begrenzung fossiler Brennstoffe mit dem übergeordneten EU-Recht, insbesondere der Warenverkehrsfreiheit. Es wird dargelegt, dass nationale Maßnahmen, die den Klimaschutz zum Ziel haben, unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt sein können. Voraussetzung ist, dass diese Maßnahmen nicht diskriminierend wirken und den EU-Binnenmarkt nicht mehr als nötig beeinträchtigen. Der Text betont, dass die Mitgliedstaaten selbst bei nicht vollständig harmonisierten Bereichen die allgemeinen Bestimmungen des AEUV (insbesondere die Warenverkehrsfreiheit) einhalten müssen. Die Rolle der EU-Klimaschutzverordnung (Verordnung Nr. 2018/842) und deren Vorgaben zur Minderung der Treibhausgasemissionen im Non-ETS-Bereich wird als entscheidender Rechtfertigungsgrund für nationale Klimaschutzmaßnahmen hervorgehoben. Es wird argumentiert, dass eine einschränkende Auslegung der Ökodesign-Warenverkehrsklausel die EU-Klimaschutzstrategie untergraben würde. Die Rechtsangleichung im Binnenmarkt wird als wichtiges Ziel der Ökodesign-Richtlinie dargestellt, wobei zwischen vollständiger und teilweiser Harmonisierung unterschieden wird.

III.Nationale Gestaltungsspielräume und Verhältnismäßigkeit

Das Dokument untersucht die nationalen Gestaltungsspielräume für Maßnahmen zur Begrenzung fossiler Brennstoffe im Kontext des Klimaschutzes. Es bewertet die Vereinbarkeit nationaler Verbote oder Beschränkungen mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und den Grundrechten. Die Analyse berücksichtigt die Zumutbarkeit von Maßnahmen für Betroffene (z.B. Unternehmen, die fossile Heizkessel herstellen) und die Notwendigkeit von Ausnahmeregelungen bei unbilliger Härte. Die Berücksichtigung von Übergangsfristen und das Prinzip der Gleichbehandlung werden als entscheidende Faktoren hervorgehoben. Vergleichende Beispiele aus Dänemark und den Niederlanden (z.B. dänische Bauverordnung BR18, niederländisches Gasgesetz) veranschaulichen unterschiedliche Ansätze zur Reduktion des Einsatzes fossiler Brennstoffe im Gebäudebereich.

3.1 Das Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der Begrenzung fossiler Brennstoffe

Dieser Abschnitt befasst sich mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip als zentralen Prüfstein für die Rechtmäßigkeit nationaler Maßnahmen zur Begrenzung fossiler Brennstoffe in der Gebäudeheizung. Das Prinzip verlangt eine Abwägung zwischen dem angestrebten Ziel (z.B. Klimaschutz) und den eingesetzten Mitteln. Es wird betont, dass Verhältnismäßigkeit nicht mit wirtschaftlicher Effizienz gleichzusetzen ist. Zusätzliche Kosten sind vertretbar, wenn sie im Verhältnis zum öffentlichen Interesse stehen und nicht unverhältnismäßig hoch sind. Die Akzeptanz von zusätzlichen Kosten ist auch dann begründet, wenn die Gesetzgebung dem öffentlichen Interesse dient und die zusätzlichen Kosten nicht unverhältnismäßig zu den Zielen sind. Die Amortisierung von Maßnahmen über die Nutzungsdauer oder die Erzielung eines wirtschaftlichen Vorteils sind keine zwingenden Voraussetzungen. Der Abschnitt verweist auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnismäßigkeitsprinzip und betont die Bedeutung der Berücksichtigung von Einzelfällen und möglichen Härtefällen.

3.2 Grundrechtliche Aspekte Berufsfreiheit und Zumutbarkeit

Hier wird die Grundrechtskompatibilität von Maßnahmen zur Begrenzung fossiler Brennstoffe im Hinblick auf die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) untersucht. Ein Verbot oder eine Beschränkung des Einsatzes von fossilen Brennstoffen in Heizanlagen stellt einen Eingriff in die Berufsausübung von Herstellern und Händlern dar. Die Zumutbarkeit solcher Eingriffe wird im Lichte des Verhältnismäßigkeitsprinzips bewertet. Die Analyse betont, dass eine unverhältnismäßige Härte zu vermeiden ist und dass der Gesetzgeber Ausnahmeregelungen für Härtefälle vorsehen muss. Dies kann beispielsweise durch angemessene Übergangsfristen und Ausnahmen für außergewöhnliche Härten geschehen. Auch das Prinzip der Gleichbehandlung muss berücksichtigt werden. Der Text differenziert zwischen Neubauten und Bestandsgebäuden, wobei für Neubauten die Zumutbarkeit eines Verbots von Ölheizungen als geringer eingeschätzt wird als bei Bestandsgebäuden. Für Bestandsgebäude werden differenzierte Regelungen, z.B. die Kombination mit Solarwärme oder Anrechnung von PV-Strom, als mögliche Lösungen zur Vermeidung von Härtefällen vorgeschlagen.

3.3 Ausländische Beispiele und Übertragbarkeit auf die deutsche Situation

Dieser Teil beleuchtet die Rechtslage in Dänemark und den Niederlanden, um die nationalen Gestaltungsspielräume im Kontext der Begrenzung fossiler Brennstoffe zu illustrieren. In Dänemark führt die dänische Bauverordnung (BR18) faktisch zu einem Verbot von Öl- und Gaskesseln, formuliert jedoch als Gebot für erneuerbare Energien mit Ausnahmeregelungen. Die Auseinandersetzung Dänemarks mit der EU-Kommission im Jahr 2013 wird kurz erwähnt. Die Niederlande zeigen mit ihrem Gasgesetz (Gaswet) einen ähnlichen Ansatz, der faktisch einen Stopp für den Anschluss von Neubauten an das Erdgasnetz bedeutet. Der Text analysiert die rechtlichen Grundlagen dieser Maßnahmen und die damit verbundenen Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem EU-Recht. Der Vergleich dient der Illustration verschiedener Vorgehensweisen und der Herausarbeitung von Argumentationslinien für eine rechtlich fundierte Gestaltung nationaler Regelungen zur Begrenzung des Einsatzes fossiler Brennstoffe in Deutschland. Die Übertragbarkeit der Erfahrungen aus Dänemark und den Niederlanden auf die deutsche Situation wird kritisch diskutiert.