Inventarermittlung der F-Gase 2017/2018

F-Gase-Emissionen 2017/18: Inventur

Dokumentinformationen

Autor

Öko-Recherche

instructor/editor Kerstin Martens, Fachgebiet III 1.4 Stoffbezogene Produktfragen
subject/major Umweltwissenschaften, Umwelttechnik
Dokumenttyp Bericht
city_where_the_document_was_published Dessau-Roßlau
Sprache German
Format | PDF
Größe 1.42 MB

Zusammenfassung

I.Berichterstattungspflichten und Emissionsquellen fluorierter Treibhausgase in Deutschland

Der Bericht beschreibt die jährliche Berichterstattungspflicht Deutschlands gemäß UNFCCC zu Treibhausgasemissionen, insbesondere fluorierter Gase wie SF6, NF3, und HFKWs. Die IPCC Guidelines definieren die Methoden zur Datenbestimmung. Wichtige Qualitätskriterien sind Transparenz, Konsistenz, Vergleichbarkeit, Vollständigkeit, und Genauigkeit. Der Schwerpunkt liegt auf der Analyse von Emissionsquellen in verschiedenen Industriezweigen, inklusive der Elektronik-, Aluminium- und Automobilindustrie, sowie im Bereich Kälte- und Klimatechnik. Die Daten umfassen Emissionsmengen (z.B. 20 Tonnen FKWs im Jahr 2018 aus der Elektronikindustrie, 6.011 Tonnen F-Gase im selben Jahr aus ODS-Ersatzstoffen) und zeigen den Verbrauch verschiedener Kältemittel (R134a, R1234yf, R410A etc.) und deren GWP (Global Warming Potential).

1. Jährliche Berichterstattungspflicht und methodische Vorgaben

Deutschland ist verpflichtet, jährlich detaillierte Emissionsdaten von Treibhausgasen an die UNFCCC zu melden. Die Berichterstattung orientiert sich an den UNFCCC Annex I Reporting Guidelines und den Methoden des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Die Emissionsdaten müssen dabei strenge Qualitätskriterien erfüllen, die in den 2006 IPCC Guidelines for National Greenhouse Gas Inventories definiert sind. Diese Kriterien umfassen Transparenz, Konsistenz, Vergleichbarkeit, Vollständigkeit und Genauigkeit der Daten. Die Einhaltung dieser Standards ist essenziell für die internationale Vergleichbarkeit und die Glaubwürdigkeit der deutschen Klimapolitik. Die korrekte Erfassung und Berichterstattung der Daten bilden die Grundlage für effektive Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen.

2. Emissionsquellen in der Elektronik und verwandten Industrien

Der Sektor Elektronik-Industrie, umfassend Halbleiter- und Platinenproduktion sowie Photovoltaik, emittierte 2018 ca. 20 Tonnen Treibhausgase, hauptsächlich FKWs und NF3. Fluorierte Gase als ODS-Ersatzstoffe (2.F) stellten mit 6.011 Tonnen den größten Bereich dar und machten etwa 95% aller F-Gas-Emissionen aus (70% bezogen auf CO2-Äquivalente). Diese Emissionen resultieren aus vielfältigen Anwendungen, darunter Kältemittel in stationären und mobilen Kälte-Klimaanlagen, Treibmittel in Schäumen und Aerosolen, sowie Feuerlösch- und Lösemitteln. Die Selbstverpflichtung der Halbleiterhersteller seit 2001 in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt ermöglicht die jährliche Erhebung der Emissionen berichtspflichtiger F-Gase durch den ZVEI. Die Entwicklung des NF3-Verbrauchs zeigt einen starken Anstieg ab 2006, verbunden mit dem Ersatz von SF6 in Produktionslinien, gefolgt von einem Rückgang aufgrund der Krise der deutschen PV-Industrie ab 2009. Die Verwendung von C6F14 (Fluorinert™ FC-72) als Wärmeüberträger ist bis 2016 eingestellt worden, hydrofluorierte Ether (HFEs) haben es seither ersetzt.

3. SF6 Verbrauch in der Aluminium und weiteren Industriezweigen

Ein erheblicher Verbraucher von SF6 ist die Aluminiumindustrie, insbesondere bei der Produktion bestimmter Aluminiumlegierungen für die Automobilindustrie. SF6 wird hier als Entgasungsmittel verwendet, um Wasserstoff und andere Verunreinigungen aus der Schmelze zu entfernen. Der Verbrauch stieg seit 1998 an, obwohl SF6 in anderen Anwendungen in Deutschland bereits durch Inertgase ersetzt wurde. Seit 2008 ist ein Rückgang des Verbrauchs zu beobachten, der sich auch 2018 fortsetzte. Neben NF3 werden mindestens sechs weitere fluorierte Gase in diesem Prozess verwendet, zusätzlich zum Strukturätzen, welches jedoch eine untergeordnete Rolle spielt. Der Rückgang ist teilweise auf erfolgreiche Umweltaufklärung zurückzuführen, die zu einem deutlichen Rückgang des SF6-Verbrauchs bei der Befüllung von Autoreifen seit Mitte der 1990er Jahre führte. Trotz des Verbots durch die EU F-Gase-Verordnung ab Juli 2007 kam es 2009 durch die Demontage älterer Reifen zu einem erneuten Emissionsanstieg.

II.Entwicklung der F Gasemissionen und politische Maßnahmen

Die Entwicklung der F-Gasemissionen wird im Kontext der EU F-Gase-Verordnung (Phase-down von HFKWs) analysiert. Die Verordnung zeigt Wirkung, mit sinkenden HFKW-Emissionen, besonders im Bereich stationärer Kälte- und Klimaanlagen. Eine Studie der Europäischen Kommission (2011) prognostizierte früher steigende Emissionen, jedoch berücksichtigen neuere Projektionen den Phase-down-Mechanismus und zeigen deutliche Emissionsminderungen durch die Reduktion des Kältemittelverbrauchs. Der Bericht analysiert auch den Einfluss des steigenden Bedarfs an Raumklimatisierung und Wärmepumpen auf den Kältemittelbestand.

1. Wirkung der EU F Gase Verordnung und der Phase down von HFKWs

Frühere Prognosen zur Entwicklung der Emissionen fluorierter Treibhausgase gingen von einem kontinuierlichen Anstieg der HFKW-Emissionen aus, ohne die politischen Maßnahmen der EU F-Gase-Verordnung (2014) zu berücksichtigen. Die Verordnung, die einen stufenweisen Rückgang (Phase-down) des HFKW-Angebots vorsieht, zeigt jedoch mittlerweile eine erhebliche Wirkung. Insbesondere bei stationären Kälte- und Klimaanlagen sind sinkende HFKW-Emissionen zu verzeichnen. Dieser Rückgang ist auf den Phase-down zurückzuführen, der die Einführung von HFKW-freien Substanzen und Verfahren fördert. Zusätzliche Verwendungsverbote innerhalb der F-Gase-Verordnung und der Richtlinie 2006/40/EG (MAC-Richtlinie) tragen zu den reduzierten Emissionen im Jahr 2018 bei. Dieser positive Trend dürfte sich angesichts der aktuellen Marktlage fortsetzen. Die Verordnung zielt auf ein stark reduziertes HFKW-Verbrauchsvolumen auf dem EU-Markt und damit langfristig auf entsprechende Emissionsminderungen ab. Ein Beispiel hierfür ist der angestrebte Rückgang des durchschnittlichen GWP von ca. 2000 im Jahr 2015 auf 400 im Jahr 2030.

2. Entwicklung des Kältemittelverbrauchs in verschiedenen Sektoren

Eine Studie der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2011 prognostizierte unter den Bedingungen der F-Gase-Gesetzgebung von 2006 für Deutschland keinen Rückgang des Bestands und der Emissionen fluorierter Treibhausgase. Die Projektionen basierten auf der Annahme eines steigenden Kältebedarfs im Lebensmittelhandel und der Raumklimatisierung (einschließlich Wärmepumpen) sowie eines gleichbleibenden Bedarfs in der Industriekälte und dem Bereich „sonstige“ Gewerbekälte. Ohne sinkende Emissionsraten würden diese Bestandszunahmen zu höheren Emissionen führen. Die Berücksichtigung der neuen F-Gase-Verordnung ändert diese Prognose jedoch deutlich. Der durchschnittliche GWP aller HFKW-Verbräuche muss bis 2030 von etwa 2000 auf 400 sinken, um den Phase-down bei gleichbleibendem Verbrauchsvolumen zu erreichen. Im Bereich der mobilen Klimaanlagen in PKWs zeigt sich ein Rückgang der durchschnittlichen Kältemittelfüllmenge seit 2009, der aber durch den Trend zu SUVs wieder leicht ansteigt. Bei LKWs ist der Kältemittelverbrauch stärker konjunkturzyklenabhängig. Die Klimaquote bei LKWs stieg von 51% im Jahr 2009 auf 84% im Jahr 2018.

3. Marktentwicklung und technologischer Wandel im Bereich der Kältetechnik

Die EU arbeitet an der Überarbeitung relevanter Normen und der Ausbildung von Kältetechnikern im Umgang mit Kohlenwasserstoffen. Ziel ist es, den Klimaanlagenmarkt für diese umweltfreundliche Technologie zu öffnen und die Einhaltung des HFKW-Phase-downs sowie des Verbots von Split-Klimageräten mit F-Gas-Kältemitteln (GWP > 750) ab 2025 zu ermöglichen. Das Kältemittel R32 gewinnt zunehmend an Bedeutung und verzeichnet im Jahr 2018 eine Vervierfachung seines Anteils an Neugeräten (von 5% auf 20%). Ein langfristiges Wachstum der Raumklimatisierung bis 2030 wird für alle europäischen Länder prognostiziert, mit einem deutlichen Anstieg des Kältemittelbestands in Deutschland. Der Marktanteil des Kältemittels R410A ist geringer als erwartet, während Kohlenwasserstoff-Kältemittel bisher nur bei mobilen Systemen eine Rolle spielen. Neue Technologien wie Waterloop-Systeme und das ESyCool green-System von Viessmann (ausgezeichnet mit dem Deutschen Kältepreis 2018) zeigen innovative Ansätze zur Energieeffizienz und dem Einsatz natürlicher Kältemittel wie R744.

III.Sektorale Analyse Schlüsselindustrien und technologien

Der Bericht untersucht die Emissionen verschiedener Sektoren detailliert. In der Halbleiterindustrie wird der Wandel von vollfluorierten Kohlenwasserstoffen (z.B. C6F14) zu HFEs als Wärmeüberträger beschrieben. Die Aluminiumindustrie verwendet SF6 als Entgasungsmittel, wobei der Verbrauch seit 2008 sinkt. Der mobile Sektor (PKWs, LKWs) zeigt einen Rückgang der durchschnittlichen Kältemittelfüllmenge, jedoch einen Anstieg bei SUVs. Der Bericht beleuchtet auch den Einsatz von Kohlenwasserstoffen als klimafreundliche Alternative und den Einfluss der F-Gase-Verordnung auf den Marktanteil verschiedener Kältemittel (z.B. R32).

1. Halbleiterindustrie Wärmeüberträger und der Wandel von PFCs zu HFEs

In der Halbleiterindustrie werden fluorierte Wärmeüberträger (Heat-Transfer-Fluids, HTFs) zur Kühlung von Produktionsprozessen eingesetzt. Bis 2016 waren vollfluorierte Kohlenwasserstoffe wie C6F14 (Fluorinert™ FC-72) weit verbreitet, unterliegen aber der Berichtspflicht an das Klimasekretariat. Seit 2001 werden diese jedoch zunehmend durch hydrofluorierte Ether (HFEs) ersetzt, die ein niedrigeres GWP aufweisen. HFEs werden als Alternative zu vollfluorierten Substanzen konzipiert und bieten aufgrund ihres Sauerstoff- und Wasserstoffgehalts ein reduziertes Treibhauspotenzial. Auch Solvay Specialty Polymers brachte 2002 HFEs (H-Galden-Reihe) auf den Markt, die sich aber nicht durchsetzen konnten. Die deutsche Halbleiterindustrie verbraucht über die Hälfte der HFEs in geschlossenen Anwendungen, der Rest entfällt auf die allgemeine Industrie. Die Anwendung der HFEs der H-Galden-Reihe ist auf die Halbleiterindustrie beschränkt und läuft aus.

2. Aluminiumindustrie SF6 als Entgasungsmittel in der Aluminiumlegierungsproduktion

Die Aluminiumindustrie ist ein bedeutender Verbraucher von SF6, jedoch nicht bei der Primäraluminiumherstellung, sondern bei der Produktion spezieller Aluminiumlegierungen für die Automobilindustrie. SF6 wird hier als Entgasungsmittel eingesetzt, um Verunreinigungen, insbesondere Wasserstoff, aus der heißen Aluminiumschmelze zu entfernen. Seit 1998 stieg der Verbrauch an SF6 in diesem Bereich, obwohl das Gas in anderen Anwendungen in Deutschland zugunsten von Inertgasen wie Argon bereits verschwunden war. Seit 2008 ist jedoch ein Rückgang des SF6-Verbrauchs zu beobachten, der sich auch im Jahr 2018 fortsetzte. Zusätzlich zu NF3 werden mindestens sechs weitere fluorierte Gase in diesem Prozess verwendet. Das Strukturätzen, ebenfalls mit fluorierten Stoffen durchgeführt, spielt eine deutlich geringere Rolle.

3. Mobiler Sektor Kältemitteleinsatz in Kraftfahrzeugen und anderen mobilen Anwendungen

Im mobilen Sektor wird der Einsatz von Kältemitteln in Klimaanlagen von PKWs, LKWs und anderen mobilen Anwendungen wie Bussen, Landmaschinen, Schiffen etc. analysiert. Die Klimaquote bei PKWs ist gestiegen und liegt 2018 bei 98% (R134a und R1234yf). Die durchschnittliche Kältemittelfüllmenge ging seit 2009 zurück, steigt aber wieder leicht aufgrund des Trends zu SUVs. Bei LKWs ist der Kältemittelverbrauch stärker konjunkturzyklenabhängig; die Neuzulassungen und die Klimaquote schwanken entsprechend. Ein Ausstieg aus HFKW-134a ist bei anderen mobilen Klimaanlagen bisher nicht gesetzlich vorgeschrieben, wird aber durch den HFKW-Phase-down gefördert. Renault und Dacia haben in der Fahrzeugklasse N1 (leichte Nutzfahrzeuge) als einzige Hersteller Fahrzeuge mit R1234yf produziert und seit 2016 sukzessive weitere Modelle umgestellt (0,2% im Jahr 2016, 0,7% im Jahr 2018). Volkswagen und Mercedes haben dies bisher nicht umgesetzt.

IV.Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen

Der Bericht identifiziert Unsicherheiten bei der Emissionsberechnung, insbesondere in den Bereichen „sonstige Anwendungen“ und Altanlagenentsorgung. Die Datenqualität wird durch die Schwierigkeit der Datenbeschaffung von einzelnen Herstellern und Entsorgern eingeschränkt. Der Bericht schlägt Maßnahmen zur Verbesserung der Datenbasis vor, wie z.B. Befragungen von Experten und Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt und dem „AK SF6“. Zukünftige Entwicklungen hängen stark von der erfolgreichen Umsetzung der EU F-Gase-Verordnung und der Entwicklung und Markteinführung neuer, klimafreundlicher Technologien und Kältemittel ab.

1. Herausforderungen bei der Datenbeschaffung und qualität

Die Datenerhebung und -bewertung im Bereich der Treibhausgasemissionen, insbesondere bei fluorierten Gasen, stellt eine erhebliche Herausforderung dar. Unsicherheiten bestehen vor allem bei der Abschätzung der Emissionen aus „sonstigen Anwendungen“, da selbst Industrieunternehmen keine genauen Angaben zu den verwendeten Anlagen und Geräten machen können. Die Datenlage ist unvollständig, da viele Hersteller Informationen aus Wettbewerbsgründen nicht preisgeben. Die Altanlagenentsorgung stellt einen weiteren „schwarzen Fleck“ dar, da nur einzelne Entsorger freiwillig Daten melden. Die Erreichbarkeit von Entsorgungsunternehmen ist schwierig, da diese nicht über Verbände organisiert sind. Auch bei der Abschätzung der Emissionen aus dem Betrieb von Hochspannungsanlagen bestehen Unsicherheiten. Diskrepanzen zwischen den gemeldeten Emissionen und den SF6-Lieferungen des Gasehandels an die Energieversorger erschweren eine genaue Bilanzierung. Energieversorger lagern SF6 teilweise auf Vorrat ein, was zu Schwankungen in den Daten führt. Die genaue Erfassung und Bewertung dieser Emissionen ist für eine zuverlässige Gesamtbilanz unabdingbar.

2. Verbesserungsvorschläge zur Datenqualität und zukünftige Forschungsansätze

Um die Unsicherheiten zu reduzieren und die Datenqualität zu verbessern, werden verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen. Für den Bereich „sonstige Anwendungen“ werden bilaterale Gespräche mit den Herstellern angestrebt, um detailliertere Informationen zu erhalten. Die Kontaktaufnahme erfolgt über den „AK SF6“ an das Umweltbundesamt. Im Fokus stehen die Klärung der verwendeten Anlagen und Geräte sowie die Verbesserung der Datenlage zur Altanlagenentsorgung. Eine einmalige Befragung ausgewählter zertifizierter Fachleute könnte einen genaueren Einblick in die Entsorgungsprozesse ermöglichen. Die Befragungsergebnisse sollen in Zusammenarbeit mit dem AK und dem Umweltbundesamt in neue Methoden zur Emissionsabschätzung einfließen. Die Integration der Entsorgungsbetriebe in die Berichterstattung ist ebenfalls anzustreben. Die Entwicklungen im Bereich der Kältemittel sind dynamisch. Neue Kältemittel wie R466A (Honeywell) bieten zwar Potenzial, befinden sich aber noch in der Test- und Zulassungsphase. Die breite Markteinführung neuer, klimafreundlicher Technologien und Kältemittel hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Akzeptanz durch die Industrie, die Entwicklung geeigneter Anlagenkomponenten sowie der wirtschaftlichen Rentabilität.

Dokumentreferenz

  • Publikationen des Umweltbundesamtes (Umweltbundesamt)