
GPS-Empfängeruhrenmodellierung
Dokumentinformationen
Autor | Ulrich Weinbach |
instructor/editor | Prof. Dr.-Ing. Steffen Schön |
Schule | Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover |
Fachrichtung | Bauingenieurwesen und Geodäsie |
Dokumenttyp | Dissertation |
Ort | München |
Sprache | German |
Format | |
Größe | 6.37 MB |
Zusammenfassung
I.Die Herausforderungen der GNSS Uhrmodellierung
Aktuelle GNSS-Systeme basieren auf Einweg-Messungen mit Mikrowellensignalen im L-Band. Die Synchronisierung von Sender- und Empfängeruhren ist daher essentiell. Die Modellierung von Satelliten- und Empfängeruhrfehlern wurde bisher vernachlässigt, obwohl eine starke Korrelation zwischen Empfängeruhrschätzungen, Troposphäre-Parametern und Höhenkoordinaten die Höhenpräzision von GPS-basierten Positionierungen erheblich beeinträchtigt. Der Fortschritt in der Atomuhrtechnologie, insbesondere mit kompakten Chip-Scale Atomic Clocks und hochpräzisen optischen Uhren, bietet jedoch großes Potential für Verbesserungen. Optische Uhren sind bis zu zwei Größenordnungen stabiler als heutige Mikrowellen-Atomuhren (z.B. Wasserstoff-Maser).
1. Das Prinzip der GNSS Positionierung und die Notwendigkeit der Uhrsynchronisation
Derzeit basieren alle GNSS auf Einweg-Messungen mit Mikrowellensignalen im L-Band. Um die Laufzeit des Signals zu bestimmen – und damit die Entfernung – müssen die Uhren von Sender (Satellit) und Empfänger synchronisiert sein. Dies geschieht üblicherweise durch die schätzung epochweise unabhängiger Uhrfehler relativ zu einer gemeinsamen Systemzeit. Im Gegensatz zu anderen Parametern der GPS-Lösung hat die Modellierung der Satelliten- und Empfängeruhrkorrekturen bisher wenig Aufmerksamkeit erhalten. Es ist jedoch bekannt, dass die Empfängeruhrschätzungen ausgeprägte mathematische Korrelationen mit Troposphäreparametern und Höhenkoordinaten aufweisen. Diese Korrelation ist ein Hauptgrund für die geringere Genauigkeit der Höhenbestimmung bei GPS-basierter Positionierung. Die jüngsten Fortschritte bei Atomfrequenzstandards haben zur Entwicklung kompakter Chip-Scale Atomic Clocks und hochgenauer optischer Frequenzstandards geführt. Solche optischen Uhren sind bis zu zwei Größenordnungen stabiler als die besten heute verwendeten Mikrowellen-Uhren. Die bisherige Praxis, epochweise unabhängige Uhrfehler zu schätzen, führt zu ungenaueren Höhenbestimmungen und erfordert die Beobachtung von mindestens vier Satelliten zur Positionsbestimmung, da drei Koordinaten und ein Uhrfehler bestimmt werden müssen. Die Asymmetrie der Beobachtungsgeometrie verstärkt Korrelationen zwischen Empfängeruhrkorrekturen, Troposphäreparametern und der Stationshöhe (Rothacher und Beutler, 1998). Eine perfekte Synchronisation des Empfängers mit der Systemzeit, unter Vernachlässigung atmosphärischer und Multipath-Fehler, würde zu einer höheren vertikalen als horizontalen Genauigkeit führen (Kuang et al., 1996). Eine solche perfekte Synchronisation ist jedoch in der Praxis extrem schwierig zu erreichen.
2. Der Einfluss der Uhrfehlerkorrelation auf die Genauigkeit der Höhenbestimmung
Die starke Korrelation zwischen den geschätzten Empfängeruhrfehlern, Troposphäreparametern und der Höhenkoordinate stellt ein zentrales Problem dar. Diese Korrelation ist eine der Hauptursachen für die verminderte Genauigkeit der Höhenkomponente bei GNSS-Positionierung. Die bisherige Praxis, die Uhrfehler epochweise unabhängig zu schätzen, verstärkt dieses Problem. Würde man stattdessen ein genaueres Uhrmodell verwenden, das die zeitliche Entwicklung des Uhrfehlers berücksichtigt, könnte man diese Korrelation reduzieren und somit die Genauigkeit der Höhenbestimmung verbessern. Die Fortschritte im Bereich der präzisen Frequenznormale, die zur Entwicklung stark miniaturisierter (chip-scale) Atomuhren und hochgenauer optischer Uhren geführt haben, machen eine solche verbesserte Uhrmodellierung erst möglich. Optische Uhren weisen eine um bis zu zwei Größenordnungen höhere Stabilität als die besten heute verfügbaren Mikrowellen-Atomuhren (Wasserstoff-Maser) auf. Diese höhere Stabilität ermöglicht es, die Empfängeruhr über längere Zeiträume zu modellieren und somit die Korrelation mit anderen Parametern zu reduzieren. Die Genauigkeit der Höhenbestimmung könnte dadurch deutlich gesteigert werden, was einen erheblichen Fortschritt für verschiedene GNSS-Anwendungen bedeuten würde.
3. Technologischer Fortschritt und das Potential optischer Atomuhren
Der Fortschritt im Bereich der Atomuhren hat zu der Entwicklung von kompakten Chip-Scale Atomic Clocks und hochpräzisen optischen Frequenzstandards geführt. Diese optischen Uhren zeichnen sich durch eine deutlich höhere Stabilität aus als die bisher in GNSS verwendeten Mikrowellen-Uhren (bis zu zwei Größenordnungen). Dieser technologische Fortschritt bietet ein enormes Potential zur Verbesserung der GNSS-Genauigkeit, insbesondere der Höhenbestimmung. Die bisherige Praxis der epochweisen, unabhängigen Schätzung von Uhrfehlern berücksichtigt die hohe Stabilität dieser neuen Uhren nicht. Durch die Modellierung des Uhrfehlers unter Berücksichtigung der Eigenschaften dieser hochpräzisen Uhren, kann die Genauigkeit von GNSS-Messungen erheblich gesteigert werden. Die Implementierung von entsprechenden Uhrmodellen in GNSS-Auswertungssoftware ist daher ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Genauigkeit und Zuverlässigkeit von GNSS-Positionierungsdaten. Die Untersuchung der Uhrmodellierung ist wichtig, da viele Empfänger im globalen IGS-Referenzstationsnetzwerk bereits an hochstabile Wasserstoffmaser-Frequenzstandards angeschlossen sind, deren Frequenzstabilität in der Datenverarbeitung aber bisher vernachlässigt wird. Die Arbeit zielt darauf ab, diese Lücke zu schließen und den Einfluss der Uhrmodellierung auf die Genauigkeit der Positionsbestimmung zu untersuchen.
II.Precise Point Positioning PPP und die Vorteile der Uhrmodellierung
Die Precise Point Positioning (PPP) Methode eignet sich besonders gut zur Untersuchung fortschrittlicher Uhrmodelle, da die Bestimmung des Empfänger-Uhrfehlers integraler Bestandteil ist. PPP findet Anwendung in verschiedenen Bereichen wie Geophysik, Vermessung, Navigation, Zeitmessung und Meteorologie. Die Unabhängigkeit von Stationsabständen macht PPP flexibel, besonders bei Vergleichen präziser Uhren über interkontinentale Distanzen. Die Genauigkeit von PPP-Lösungen ist bei längeren Messzeiten (>12 Stunden) vergleichbar mit klassischen Netzwerk-Lösungen. Die Modellierung von Uhren in PPP kann die Genauigkeit, insbesondere die Höhenpräzision, deutlich verbessern.
1. Precise Point Positioning PPP als primäre Methode
Die Precise Point Positioning (PPP)-Methode wurde als Hauptansatz in dieser Arbeit gewählt. PPP verarbeitet nicht-differenzierte Dual-Frequenz-Code- und Trägerphasenbeobachtungen in Kombination mit präzisen Satellitenbahn- und Uhrendaten. Im Gegensatz zu differentiellen Verfahren ist die Bestimmung des Empfänger-Uhrfehlers ein integraler Bestandteil von PPP, was es besonders geeignet macht, die Machbarkeit und den Einfluss von fortschrittlichen Uhrmodellen zu untersuchen. Die Methode findet in einer Vielzahl von Bereichen Anwendung, darunter Geophysik, Vermessung, Navigation, Zeitmessung und Meteorologie. Die nahezu vollständige Unabhängigkeit von der Interstationsentfernung macht PPP zu einem sehr flexiblen Analysewerkzeug. So können beispielsweise präzise Uhren über interkontinentale Entfernungen verglichen werden, wo nur wenige gemeinsame Satelliten beobachtet werden können. Die einfache Beobachtungsgeometrie erleichtert die Interpretation der Ergebnisse, und komplexe Konzepte von Basislinien und die Handhabung von Netzen mit zwei oder mehr Stationen werden zumindest für den Anwender vermieden. Dennoch ist die Präzision einer PPP-Lösung bei langen Messzeiten (>12 Stunden) vergleichbar mit einer klassischen Netzwerklösung. Mit den neuesten Entwicklungen kann sogar eine ganzzahlige Auflösung der Trägerphasenmehrdeutigkeit in PPP angewendet werden. Die Bestimmung des Empfängeruhrfehlers ist somit ein wichtiger Bestandteil der PPP Methode und macht diese besonders gut geeignet, den Einfluss von verschiedenen Uhrmodellen zu untersuchen.
2. Vorteile der Uhrmodellierung im Kontext von PPP
Die Modellierung von Uhrfehlern innerhalb des PPP-Verfahrens bietet erhebliche Vorteile. Die nahezu vollständige Unabhängigkeit von der Distanz zwischen den Stationen ermöglicht flexible Analysen, besonders bei interkontinentalen Vergleichen präziser Uhren. Die einfache Beobachtungsgeometrie vereinfacht die Interpretation der Ergebnisse im Vergleich zu komplexeren Netzwerkansätzen. Für lange Messperioden (>12h) erreicht PPP eine Genauigkeit, die mit klassischen Netzwerk Lösungen vergleichbar ist. Die Integration der Uhrfehlerbestimmung in den PPP-Prozess ermöglicht die Untersuchung des Einflusses von fortschrittlichen Uhrmodellen auf die Genauigkeit der Positionierung. Die Verwendung von hochpräzisen Uhren bietet die Möglichkeit, die Genauigkeit der Positionsbestimmung signifikant zu verbessern, insbesondere in der Höhenkomponente. Die durch die verbesserte Uhrmodellierung erzielte Genauigkeitssteigerung bei langen Beobachtungszeiten ist vergleichbar mit klassischen Netzwerk Lösungen. Dies ist besonders relevant für Anwendungen, bei denen die genaue Zeitbestimmung essentiell ist. Mittels PPP können sogar ganzzahlige Auflösungen der Trägerphasenmehrdeutigkeiten erreicht werden, was zu einer weiteren Genauigkeitssteigerung führt.
3. Motivation für die Untersuchung erweiterter Uhrmodelle in PPP
Die Motivation für die Untersuchung erweiterter Empfängeruhrmodelle ist zweifach. Erstens sind viele Empfänger des globalen IGS-Referenzstationsnetzes bereits mit hochstabilen Wasserstoffmaser-Frequenzstandards verbunden. Das zusätzliche Wissen über die Frequenzstabilität dieser Oszillatoren wird jedoch derzeit in der Datenverarbeitung durch den IGS und seine Analysezentren vernachlässigt. Eine Analyse des Einflusses der Uhrmodellierung soll daher wertvolle Informationen für die Entwicklung zukünftiger Verarbeitungsstrategien liefern. Zweitens sind die aktuellen Fortschritte im Bereich der optischen Atomuhren sehr vielversprechend und könnten die Grundlage für eine neue Generation viel präziserer GNSS-Uhren am Boden und im Weltraum bilden. Im Gegensatz zu klassischen Atomuhren, die die charakteristische Übergangsfrequenz mit Mikrowellensignalen untersuchen, verwenden optische Uhren Laserlicht im sichtbaren oder ultravioletten Bereich. Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, die Auswirkungen der Uhrmodellierung auf die geschätzten Positionen und Troposphäreparameter bei sowohl statischer als auch kinematischer Positionierung zu untersuchen. Es werden geeignete funktionale und stochastische Uhrmodelle für die Batch-Least-Squares-Anpassung und Kalman-Filterung vorgeschlagen und validiert.
III.Uhrmodelle und deren Einfluss auf die Positionsbestimmung
Die Motivation für die Untersuchung erweiterter Empfängeruhrmodelle liegt in der Nutzung hochstabiler Oszillatoren (z.B. Wasserstoffmasern) in IGS-Referenzstationen und dem Potenzial zukünftiger optischer Atomuhren. Die Arbeit untersucht den Einfluss der Uhrmodellierung auf geschätzte Positionen und Troposphäreparameter bei statischer und kinematischer Positionierung. Geeignete funktionale und stochastische Uhrmodelle für Batch-Least-Squares-Anpassungen und Kalman-Filterung werden vorgeschlagen und validiert. Die Arbeit zeigt erstmalig die Berechnung kinematischer Orbits für einen Low Earth Orbiter (LEO) unter Verwendung von Trägerphasenbeobachtungen und Empfängeruhrmodellierung.
1. Einfluss der Uhrmodellierung auf Position und Troposphäreparameter
Die Arbeit untersucht den Einfluss der Uhrmodellierung auf die Genauigkeit der Positionsbestimmung und die Schätzung von Troposphäreparametern. Dabei werden sowohl statische als auch kinematische Positionierungsverfahren betrachtet. Die Untersuchung basiert auf simulierten und realen Daten. Ziel ist es, den Einfluss verschiedener Uhrmodelle auf die Genauigkeit der Positionsbestimmung zu quantifizieren und geeignete funktionale und stochastische Uhrmodelle für die Datenverarbeitung zu entwickeln und zu validieren. Geeignete Modelle für Batch-Least-Squares-Anpassungen und Kalman-Filterung werden vorgeschlagen und anhand von Simulations- und Real-Daten validiert. Ein besonderer Fokus liegt auf der Verbesserung der Genauigkeit der Höhenbestimmung, da bekannt ist, dass die bisherige Praxis der epochweisen unabhängigen Schätzung von Uhrfehlern zu einer starken Korrelation mit Troposphäreparametern und der Höhe führt, was die Genauigkeit der Höhenbestimmung reduziert. Die Arbeit untersucht, wie die Berücksichtigung der Uhrmodelle diese Korrelationen reduziert und die Genauigkeit, insbesondere der Höhenkomponente, verbessert. Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen den Einfluss der Uhrmodellierung auf die Genauigkeit der geschätzten Positionen und Troposphäreparameter sowohl bei statischer als auch kinematischer Positionierung.
2. Technische Anforderungen und geeignete Uhrmodelle
Die Arbeit diskutiert die technischen Anforderungen an die Uhrmodellierung und schlägt geeignete funktionale und stochastische Modelle vor. Für die Batch-Least-Squares-Anpassung wird ein stückweise lineares Uhrmodell verwendet, das sich durch Einfachheit und Flexibilität auszeichnet. Für die Kalman-Filterung wird ein einfaches Zwei-Zustandsmodell verwendet, bestehend aus den Phasen- und Frequenzverschiebungen des Oszillators. Beide Ansätze können an die spezifische Frequenzstabilität verschiedener Oszillatortypen angepasst werden. Für die Batch-Anpassung geschieht dies durch Variation der Länge der linearen Modellierungsintervalle und der relativen Beschränkungen zwischen den Drifts in aufeinanderfolgenden Segmenten. Im Kalman-Filter-Ansatz müssen die Einträge der Prozessrauschmatrix der Uhrzustände angepasst werden. Die Allan-Abweichung σy(τ) oder die Rauschspektraldichtekoeffizienten hi des verwendeten Oszillators helfen bei der Bestimmung geeigneter Verarbeitungsparameter. Eine zusätzliche Feinabstimmung der Parameter ist jedoch in der Regel erforderlich. Die Wahl des passenden Uhrmodells hängt stark von der Genauigkeit und Stabilität des verwendeten Oszillators ab.
3. Erste Ergebnisse der kinematischen Orbitbestimmung für einen LEO
Die Arbeit zeigt erstmalig die Berechnung GPS-basierter kinematischer Orbits für einen Low Earth Orbiter (LEO) unter Verwendung von Trägerphasenbeobachtungen und Receiver Clock Modeling. Die Ultra-Stable Oscillators (USOs) an Bord der beiden GRACE-Satelliten können durch eine stückweise lineare Funktion mit einem Parameterabstand von mehreren zehn Sekunden modelliert werden. Dies ermöglicht die Positionsbestimmung, selbst wenn nur drei GNSS-Satelliten beobachtet werden, und reduziert das hochfrequente Rauschen in der radialen Komponente des kinematischen Orbits. Die Ergebnisse zeigen eine signifikante Verbesserung der Genauigkeit der kinematischen Orbitbestimmung durch die Uhrmodellierung. Insbesondere das hochfrequente Rauschen in der radialen Komponente des Orbits wird reduziert. Die Möglichkeit der Positionsbestimmung mit weniger als vier Satelliten erweitert den Anwendungsbereich der Methode. Die Arbeit demonstriert somit das Potential der Uhrmodellierung für die präzise kinematische Positionsbestimmung von LEOs und trägt zu einem besseren Verständnis des Einflusses von Uhrmodellen auf die Genauigkeit geodätischer Anwendungen bei.
IV.Internationaler GNSS Service IGS und Datenverarbeitung
Für hochpräzise GNSS-Anwendungen sind genaue Satellitenbahn- und Uhrinformationen unerlässlich. Der International GNSS Service (IGS) liefert präzise Orbit- und Uhrkorrekturen. Die IGS-Produkte werden von verschiedenen Analysezentren (ACs) berechnet und kombiniert. Es existieren verschiedene Produktlinien, die sich in Genauigkeit und Aktualität unterscheiden. Ein Problem ist die nicht perfekte Übereinstimmung zwischen 30-Sekunden- und 5-Minuten-Uhrenprodukten, das aber ab GPS-Woche 1517 behoben wurde. Die Interpolation von Satellitenuhrkorrekturen über längere Intervalle ist aufgrund der begrenzten Frequenzstabilität der Atomuhren an Bord der Satelliten nur mit Einschränkungen möglich.
1. Der Internationale GNSS Service IGS und seine Rolle
Hochgenaue GNSS-Anwendungen benötigen präzise Satellitenbahn- und Uhrinformationen. Der Internationale GNSS Service (IGS) spielt dabei eine Schlüsselrolle, indem er präzise Orbits und Uhrkorrekturen für GNSS-Satelliten bereitstellt und verteilt. Der IGS ist ein freiwilliger internationaler Zusammenschluss von Forschungseinrichtungen und Regierungsbehörden. Er koordiniert ein globales GNSS-Referenzstationsnetzwerk und nutzt dessen Daten, um hochpräzise Orbits und Uhren für GPS- und GLONASS-Satelliten zu berechnen (Dow et al., 2009). Die Berechnung der IGS-Produkte erfolgt durch den IGS Analysis Center Coordinator (IGS ACC), der für die rigorose Kombination der Bahn- und Uhrlösungen von derzeit bis zu 11 IGS Analysis Centers (IGS ACs) verantwortlich ist. Es werden drei Produktlinien angeboten, die sich in Aktualität und Genauigkeit unterscheiden. Zusätzlich zu den kombinierten Produkten sind auch die Produkte der einzelnen Analysezentren über die IGS-Datencenter verfügbar. Die Genauigkeit der IGS-Produkte resultiert aus der Kombination der Ergebnisse verschiedener Analysezentren, wobei jedoch zu beachten ist, dass diese Lösungen nicht statistisch unabhängig sind, da sie in der Regel viele gemeinsame Beobachtungsdaten verwenden. Kleinere Unterschiede in der Beobachtungsmodellierung (z.B. Modellierung der Gier-Stellung der GNSS-Satelliten oder Berücksichtigung höherer Ionosphären-Effekte) können die kombinierte Lösung beeinträchtigen. Ein spezifisches Problem, das in dieser Arbeit angesprochen wird, ist eine Inkonsistenz zwischen dem 30-Sekunden-IGS-Final-Uhrprodukt und den entsprechenden Bahnen (Kouba, 2009b; Montenbruck et al., 2009).
2. IGS Produkte Genauigkeit und zeitliche Auflösung von Satellitenuhrkorrekturen
Für hochpräzise Anwendungen ist die Interpolation von Satellitenuhrkorrekturen über Intervalle von mehr als wenigen Sekunden nur eingeschränkt möglich, da die begrenzte Frequenzstabilität der Atomuhren an Bord der Satelliten zu hochfrequenten Variationen führt, die das Trägerphasen-Beobachtungsrauschen übersteigen. Für Post-Processing-Anwendungen ist dies keine gravierende Einschränkung, da der IGS und mehrere seiner Analysezentren Satellitenuhrkorrekturen mit 30 Sekunden Abstand bereitstellen. Das IGS-Analysezentrum CODE an der AIUB liefert sogar GPS-Satellitenuhrkorrekturen mit 5 Sekunden Abstand. Diese Uhrkorrekturen lassen sich mit nahezu keinem Genauigkeitsverlust linear interpolieren (Bock et al., 2009). Bei den Galileo-Satelliten, die passive Wasserstoffmaser-Uhren tragen werden, und den neuesten GPS-Block-IIF-Satelliten, die eine neue Generation verbesserter Rubidium-Frequenzstandards verwenden, wird die Interpolation und Modellierung der Satellitenuhren mit der Präzision der GNSS-Trägerphasenbeobachtungen über längere Intervalle in Zukunft möglich sein (Hauschild et al., 2012). Die Genauigkeit und die zeitliche Auflösung der Satellitenuhrkorrekturen sind entscheidend für die Genauigkeit der GNSS-Positionierung. Der IGS bietet verschiedene Produktlinien an, die sich in Genauigkeit und Aktualität unterscheiden. Die Interpolation über längere Zeiträume ist bei höchster Genauigkeit nur begrenzt möglich. Für die zukünftigen Galileo-Satelliten mit verbesserten Uhren wird sich dies jedoch ändern.
3. Inkonsistenzen in IGS Produkten und deren Auswirkungen
Die Kombination der Lösungen verschiedener Analysezentren (ACs) führt zu präziseren und zuverlässigeren IGS-Produkten als die Produkte einzelner ACs. Jedoch sind die AC-Lösungen nicht statistisch unabhängig, da sie oft viele gemeinsame Beobachtungsdaten verwenden. Auch geringfügige Unterschiede in der Beobachtungsmodellierung, z.B. bei der Modellierung der Gier-Stellung der GNSS-Satelliten oder der Berücksichtigung höherer Ionosphären-Effekte, können zu einer Verschlechterung der kombinierten Lösung führen. Inkonsistenzen können auch im Kombinationsverfahren selbst auftreten. Ein spezifisches Problem in dieser Arbeit ist eine Inkonsistenz zwischen dem 30-Sekunden-IGS-Final-Uhrprodukt und den entsprechenden Bahnen. Dieses Problem hängt damit zusammen, dass nur 3 ACs zu den 30-Sekunden-Satellitenuhren beitragen, aber typischerweise 6 ACs zu den 5-Minuten-Uhren und -Bahnen. Die resultierende Abweichung zwischen 5-Minuten- und 30-Sekunden-Uhren wurde in den Produkten ab GPS-Woche 1517 (Januar 2009) durch Anpassung der 30-Sekunden-Uhren durch Interpolation der Abweichungen an den 5-Minuten-Epochen behoben (IGS Mail #5902). Die Datenqualität und Konsistenz der IGS-Produkte sind essentiell für hochpräzise GNSS-Anwendungen.
V.Parameter Schätzung und Uhr Modellierung
Die GNSS-Positionierung wird meist durch Least-Squares-Anpassung gelöst, entweder im Batch-Verfahren oder sequentiell mit einem Kalman-Filter. Bei der Batch-Verarbeitung kann die Anzahl der Uhrparameter sehr groß werden. Daher wird die explizite Schätzung oft durch ein Präeliminations- und Rücksubstitutionsschema ersetzt. Der entwickelte GPS-Verarbeitungssoftware verwendet nicht differenzierte Pseudorange- und Trägerphasenbeobachtungen. Der unbekannte Parametervektor umfasst Koordinaten, Troposphären-Zenitverzögerungen, Trägerphasen-Mehrdeutigkeiten und Empfängeruhrparameter. Die Modellierung des Empfängeruhrfehlers über mehrere Epochen verbessert insbesondere die Genauigkeit kinematischer Höhenbestimmungen.
1. GNSS Positionierungsverfahren Least Squares Anpassung und Kalman Filterung
Die GNSS-Positionierung wird fast ausschließlich durch Least-Squares-Anpassung gelöst, entweder in einer einstufigen (Batch-)Lösung oder in einem sequentiellen Ansatz, z.B. mit einem Kalman-Filter. Batch-Least-Squares und sequentielle Least-Squares-Anpassungen sind theoretisch äquivalent und in GNSS-Softwarepaketen verwendete, praktisch relevante Schätzkonzepte. Der Hauptvorteil des Filteransatzes liegt in seiner Echtzeitfähigkeit, was ihn zur Methode der Wahl in den meisten Navigationsanwendungen macht. Darüber hinaus ist die Berechnung oft effizienter, und das Konzept des Prozessrauschens ermöglicht eine bessere Darstellung des physikalischen Verhaltens der zeitvarianten Parameter. Klassische Batch-Least-Squares-Anpassungen, die typischerweise für die Post-Facto-Datenanalyse verwendet werden, sind robuster gegenüber Ausreißern in den Beobachtungen. Ein detaillierterer Vergleich der beiden Ansätze hinsichtlich der Satellitenbahnbestimmung findet sich bei Montenbruck und Gill (2000). Die Wahl des Verfahrens hängt von den Anforderungen an die Echtzeitfähigkeit und Robustheit ab. Die Arbeit untersucht die Anwendbarkeit beider Verfahren im Kontext der Uhrmodellierung.
2. Parameter Schätzung im Batch Verfahren und Problematik bei vielen Parametern
Die Parameterschätzung im Batch-Verfahren basiert auf nicht-differenzierten Pseudorange- und Trägerphasenbeobachtungen. Der Vektor der Unbekannten umfasst Koordinaten, troposphärische Zenitverzögerungen, Trägerphasenmehrdeutigkeiten und Empfängeruhrparameter. Da die Empfängeruhrfehler im Allgemeinen für jede Epoche geschätzt werden müssen, wird die Anzahl der Parameter und damit die Größe der Normalgleichungsmatrix schnell sehr groß. Der Speicherbedarf und der Rechenaufwand für die Matrixinversion können daher erhebliche Probleme darstellen. Die Situation verschlechtert sich noch, wenn kinematische Koordinaten geschätzt werden sollen, da dies 3 Parameter für jede Beobachtungsepoche anstatt 3 Koordinaten für die gesamte Beobachtungssitzung einführt. Abbildung 4.1 veranschaulicht die Struktur der Normalgleichungsmatrix für eine 6-stündige statische PPP-Lösung mit 5-Minuten-Beobachtungsintervallen, wobei der unbekannte Parametervektor aus 3 Koordinaten, 13 stückweise linearen Troposphäreparametern, 25 Trägerphasenmehrdeutigkeiten und 72 Empfängeruhrfehlern (einer für jede Beobachtungsepoche) besteht. Effiziente Lösungsstrategien für große Normalgleichungsmatrizen sind daher essentiell.
3. Kontinuierliche Uhrmodellierung vs. epochweise Uhrauslöschung und Kalman Filterung
GNSS-Beobachtungen sind aufgrund von Empfänger- und Satellitenuhrfehlern immer verzerrt. Die Verarbeitung von Beobachtungsdifferenzen, die frei von Uhrfehlern sind, ist daher eine gängige Strategie in der GNSS-Datenanalyse. Alternativ können die Uhrfehler für jede Beobachtungsepoche geschätzt werden. Da bei der Batch-Verarbeitung die Anzahl der Uhrparameter sehr groß werden kann, wird die explizite Schätzung üblicherweise durch ein Präeliminations- und Rücksubstitutionsschema ersetzt, wie in Abschnitt 4.1 beschrieben. Nach dem Fundamentalen Differenzen Theorem (Lindlohr und Wells, 1985) ist die Bias-Eliminierung durch Beobachtungsdifferenzierung äquivalent zur expliziten Bias-Schätzung als unabhängige weiße Rauschparameter, d.h. ohne a-priori-Informationen bezüglich des Bias selbst oder seiner zeitlichen Variation. Dies wurde von verschiedenen Autoren theoretisch diskutiert. Ein vollständiger Beweis des Theorems findet sich z.B. bei Schaffrin und Grafarend (1986), während eine besonders kompakte Ableitung von Kuang et al. (1996) gegeben wird. Die Arbeit vergleicht beide Ansätze und untersucht die Anwendung eines Kalman-Filters für eine sequentielle Parameterschätzung.
VI.Stabilität von Empfänger Hardwareverzögerungen
Ein Problem bei der Uhrmodellierung sind Verzögerungsvariationen im GNSS-Empfängersystem. Untersuchungen zur Temperatursensitivität von Antennen und Empfängern sind spärlich. Studien zeigen große Unterschiede in der Temperatursensitivität verschiedener GPS-Empfänger (3 bis 300 ps/°C). Eine gute Temperaturstabilisierung des Empfängers kann diese Effekte reduzieren. Ein Experiment mit verschiedenen Empfängermodellen (Tabelle 5.2 im Originaldokument) untersuchte verbleibende Effekte bei nahezu perfekter Temperaturstabilisierung.
1. Einfluss von GNSS Empfängerkomponenten auf die Uhrstabilität
Ein Hauptproblem bei der praktischen Uhrmodellierung sind Verzögerungsvariationen im GNSS-Empfängersystem. In der konventionellen geodätischen GNSS-Analyse werden Signalverzögerungen in der Antenne, im Antennenkabel und im Empfänger bequem durch die geschätzten epochweise unabhängigen Empfängeruhrfehler absorbiert. Dies ist der Grund, warum es in der geodätischen Community relativ wenige Studien gibt, die sich mit der Variabilität dieser Hardwareverzögerungen befassen. Im Gegensatz dazu müssen Zeitbenutzer von GNSS alle Verzögerungen der Satelliten- und Uhrsignale sorgfältig kalibrieren, um die von entfernten Uhren erzeugten PPS-Zeitsignale genau zu vergleichen. Daher verdanken wir dieser Benutzergruppe, dass wir überhaupt einige Kenntnisse über die Temperaturempfindlichkeit der GNSS-Empfängerkomponenten haben (z.B. Overney et al., 1997; Powers et al., 1998; Larson et al., 2000). Die Anzahl der Studien auf diesem Gebiet ist jedoch eher gering. Insbesondere Informationen über die Temperaturempfindlichkeit der neuesten Antennen- und Empfängergeneration sind kaum verfügbar. Die genaue Kenntnis und Modellierung dieser Verzögerungen ist für präzise Uhrmodellierung unerlässlich.
2. Antennen Effekte und Temperatureinfluss
Informationen über temperaturbedingte Verzögerungsvariationen in GNSS-Antennen sind rar, da Messungen schwierig sind. Wird die Antenne in eine Klimakammer gebracht, können keine echten GNSS-Signale mehr empfangen werden. Bei Verwendung simulierter Signale müsste zunächst die Empfindlichkeit der Senderantenne gemessen werden. Bisherige Untersuchungen zielten darauf ab, die Antenne mithilfe spezieller Heizeinrichtungen temperaturstabil zu halten oder konzentrierten sich allein auf den Low-Noise-Verstärker (LNA) der Antenne. Petit et al. (1998) zeigten anhand von Experimenten mit temperaturstabilisierten und nicht stabilisierten GPS-Antennen einen signifikanten Einfluss von Temperaturvariationen auf die Hardwareverzögerungsvariationen der Antenne und des Antennenkabels. Sie vermuteten eine signifikante Temperaturempfindlichkeit der Antenneneinheit, konnten aber die Effekte des Antennenkabels nicht rigoros trennen. Rieck et al. (2003) führten dagegen eine Analyse der Temperaturempfindlichkeit des LNA einer Ashtech-Choke-Ring-Antenne durch und berichteten über einen sehr niedrigen Temperaturkoeffizienten von weniger als 0,2 ps pro Kelvin. Ein alternativer Ansatz ist der Vergleich geschätzter Empfängeruhrdifferenzen mit lokalen Lufttemperaturdifferenzen an Standorten mit gut funktionierenden Wasserstoffmaser-Frequenzstandards.
3. Empfänger Effekte und Temperaturempfindlichkeit Empfänger Test
Die Hardwareverzögerungsstabilität der GPS-Empfängereinheit selbst ist wahrscheinlich der kritischste Faktor für den Erfolg der Uhrmodellierung und für den hochpräzisen Zeit- und Frequenztransfer. Fonville et al. (2007) fanden in einer umfassenden Studie sehr große Unterschiede hinsichtlich der Temperaturempfindlichkeit einer Reihe von GPS-Empfängern, die von 3 bis 300 ps/°C für die L1- und L2-Trägerphasen reichten. Sie zeigten außerdem, dass die Temperaturempfindlichkeit des Trägerphasentrackings und des Code-Trackings sehr unterschiedlich sein kann. Informationen über die Temperaturempfindlichkeit der Empfängerverzögerungen werden von den Herstellern in der Regel nicht bereitgestellt. Neue Empfängereinheiten sollten daher idealerweise vom Benutzer auf ihre Temperaturempfindlichkeit geprüft werden. Es scheint jedoch so, als ob bei den meisten Empfängertypen Temperatureffekte auf ein vernachlässigbares Niveau reduziert werden können, wenn der Empfänger in einer gut temperaturstabilisierten Umgebung betrieben wird. Um potenzielle verbleibende Empfängereffekte bei nahezu perfekter Temperaturstabilisierung zu identifizieren, wurde ein Experiment aufgebaut, bei dem eine Reihe aktueller geodätischer Empfängermodelle nebeneinander mit einer gemeinsamen externen Frequenzquelle betrieben wurden. Die getesteten Empfängertypen sind in Tabelle 5.2 aufgeführt.
VII.PPP basierte Uhrvergleiche und Genauigkeit
Unter idealen Bedingungen kann der Empfängeruhrfehler mit einer Genauigkeit um 2 mm geschätzt werden. Bei langen Basislinien ist das Rauschen der PPP-Uhrdifferenzen jedoch deutlich höher. Unmodellierte Troposphärenverzögerungen und höherwertige Ionosphären-Effekte sind Hauptursachen für die geringere Genauigkeit bei regionalen und globalen Distanzen. Korrelationen zwischen Stationshöhe, Troposphäre und Empfängeruhrschätzungen beeinflussen die Genauigkeit (z.B. Rothacher und Beutler, 1998). Multipath-Effekte stellen eine weitere Herausforderung dar.
1. Präzision von PPP basierten Uhrvergleichen Ideale Bedingungen vs. Realität
Bei einem Beobachtungsrauschen von etwa 3 mm oder 10 ps für die ionosphärenfreie Linearkombination der GPS-Trägerphasen kann der Empfängeruhrfehler üblicherweise mit einer etwas höheren Präzision, d.h. um die 2 mm, geschätzt werden. Unter der Annahme eines weißen oder Flicker-Rauschverhaltens der Empfängeruhrschätzungen kann die untere Grenze des Messrauschens (ohne Umwelteinflüsse) als Allan-Abweichung für die Differenz zweier Uhren durch σy(τ) = 1 × 10⁻¹¹/τ approximiert werden. Unter idealen Bedingungen sind Allan-Abweichungen von σy(1h) = 2,8 × 10⁻¹⁵ und σy(1 Tag) = 1,2 × 10⁻¹⁶ zu erwarten. Ähnliche Werte wurden für Kurzbasislinienexperimente berichtet (Defraigne, 2011), wobei ein konstanter relativer Empfängeruhrfehler durch den Anschluss mehrerer Empfänger an einen gemeinsamen Oszillator hergestellt werden kann, wie dies bei den in Abschnitt 5.4 beschriebenen Empfängertests durchgeführt wurde. Beim Vergleich von Uhren über größere Entfernungen ist das Rauschen der PPP-abgeleiteten Uhrdifferenzen jedoch deutlich höher. Um die Entfernungsabhängigkeit der Frequenztransferpräzision zu analysieren, wurden PPP-Uhrdifferenzen zwischen 10 global verteilten IGS-Stationen mit gut gewarteten H-Maser-Frequenzstandards berechnet (Abb. 6.2). Die erreichbare Präzision hängt stark von den Bedingungen ab und weicht von den idealen Werten ab.
2. Einflussfaktoren auf die Genauigkeit von Uhrvergleichen über größere Distanzen
Die geringere Genauigkeit von Trägerphasen-Uhrvergleichen über regionale und globale Distanzen im Vergleich zu Kurzbasislinien ist auf verschiedene Einflüsse zurückzuführen. Unmodellierte Troposphärenverzögerungen und in geringerem Maße höherwertige Ionosphären-Effekte spielen eine entscheidende Rolle. Die Verteilung von Wasserdampf in der Troposphäre ist räumlich und zeitlich stark variabel, während Troposphärenmodelle und Mapping-Funktionen meist eine azimutale Symmetrie annehmen, höchstens ergänzt durch lineare Gradienten. Die Modellierung der Verzögerungen durch kleinräumige Wasserdampf-Inhomogenitäten ist daher sehr begrenzt. Diese Situation ist für den Zeit- und Frequenztransfer besonders ungünstig, da sowohl Uhr- als auch Troposphäreparameter mit hoher zeitlicher Auflösung geschätzt werden müssen und signifikante mathematische Korrelationen aufweisen. Korrelationen zwischen Stationshöhe, Troposphäre und Empfängeruhrschätzungen wurden bereits von verschiedenen Autoren untersucht (z.B. Rothacher und Beutler, 1998). Dach et al. (2003) berichten über einen Korrelationskoeffizienten zwischen Uhrverschiebungen und troposphärischen Zenitverzögerungsparametern von -0,98 bei einem Elevationsgrenzwinkel von 15° und höhenabhängiger Gewichtung an einem äquatorialen Standort. Weinbach und Schön (2010) zeigen, dass bei einem Elevationsgrenzwinkel von 5° ein Fehler von 1 cm in der Zenit-Feuchtverzögerung eine Verschiebung des Uhrfehlers von 2,4 cm verursacht, fast doppelt so hoch wie bei einem 15°-Grenzwert. Die verbesserte Beobachtungsbarkeit der troposphärischen Zenitverzögerung durch die Verwendung von Beobachtungsdaten bei niedrigen Elevationen geht mit einer erhöhten Empfindlichkeit der Empfängeruhrschätzungen gegenüber kleinen Modellierungsfehlern einher.
3. Weitere Fehlerquellen Multipath und Lösungsansätze
Neben Troposphäre und Ionosphäre beeinflussen auch Multipath-Effekte die Genauigkeit von PPP-basierten Uhrvergleichen. Der Einfluss von Multipath in der Nähe der Antenne ist besonders kritisch (Ning et al., 2011). Ein vielversprechender Ansatz zur Multipath-Mitigation ist die Verwendung von Trägerphasen-Residuenkarten (Iwabuchi et al., 2004). Diese Karten werden durch Mittelung einer großen Anzahl von Trägerphasen-Residuals in höhen- und azimut-abhängigen Gitterzellen erzeugt. Auf diese Weise können wiederholbare Fehler von Beobachtungen aus einer bestimmten Richtung korrigiert werden. Es wäre interessant zu sehen, ob die sich wiederholenden Variationen in den Empfängeruhr-Zeitreihen mit diesem Ansatz reduziert werden können. Leider müssen lange Zeiträume von Beobachtungsdaten verarbeitet werden, um eine ausreichende Abdeckung der Antennenhemisphäre mit Trägerphasen-Residuals zu erhalten. Dies hat einen gründlichen Test dieses Ansatzes im Rahmen dieser Arbeit verhindert. Die Verbesserung der Modellierung von Troposphäre und Ionosphäre sowie die Berücksichtigung von Multipath-Effekten sind entscheidend für die Verbesserung der Genauigkeit von PPP-basierten Uhrvergleichen.
VIII.Kinematische Orbitbestimmung und GRACE Mission
Die kinematische Orbitbestimmung von Low Earth Orbitern (LEOs), z.B. bei der GRACE-Mission, ist für die Schwerfeld-Bestimmung relevant. Die GRACE-Mission verwendet zwei identische Satelliten mit Dual-Frequenz-GPS-Empfängern und einem hochstabilen Oszillator (USO). Die Arbeit zeigt die Anwendung der Uhrmodellierung auf reale GRACE-GPS-Daten. Die Modellierung des Empfängeruhrfehlers verbessert die Genauigkeit der kinematischen Radialpositionen der Raumfahrzeuge.
1. Kinematische vs. dynamische Orbitbestimmung
Die kinematische Orbitbestimmung von Low Earth Orbitern (LEOs) mit GPS-Empfängern gewinnt zunehmend an Bedeutung, insbesondere für die Schwerfeldbestimmung (z.B. Gerlach et al., 2003; Jäggi et al., 2011). Im Gegensatz zu klassischen dynamischen Verfahren, bei denen nur sechs Anfangsbedingungen der Bewegungsgleichung des Satelliten, oft ergänzt um einige zusätzliche Kraftmodellparameter, bestimmt werden, werden beim kinematischen Ansatz drei unabhängige Koordinaten für jede Beobachtungsepoche geschätzt. Die dynamische Orbitbestimmung beruht auf einer detaillierten Modellierung der physikalischen Kräfte, die auf das Raumfahrzeug wirken, insbesondere das Gravitationsfeld der Erde, Luftwiderstand und Strahlungsdruck der Sonne. Um den Einfluss von Fehlern in diesen Kraftmodellen zu reduzieren, können zusätzliche empirische Beschleunigungen des Raumfahrzeugs geschätzt werden. Ein solcher Ansatz wird als reduzierte dynamische Orbitbestimmung bezeichnet und kombiniert das Wissen über die Gesetze der Satellitenbewegung mit der geometrischen Stärke und Präzision der GPS-basierten Positionierung (Wu et al., 1991). Unabhängig vom Orbitbestimmungsansatz müssen zusätzliche Empfängeruhrfehler und Trägerphasenmehrdeutigkeiten geschätzt werden. Kinematische Orbits sind jedoch deutlich empfindlicher gegenüber Fehlern im Beobachtungsmodell als dynamische Orbits.
2. Die GRACE Mission als Fallstudie
Das Gravity Recovery And Climate Experiment (GRACE) besteht aus zwei identischen Satelliten in einer nahezu polaren Umlaufbahn auf einer Höhe von etwa 500 km mit einem Abstand von etwa 220 km (Abb. 7.27). Die Hauptbeobachtungsgröße für die Schwerfeldbestimmung ist die hochpräzise intersatellitäre K-Band-Mikrowellenverbindung, die es ermöglicht, den Abstand zwischen den beiden Raumfahrzeugen mit einer Genauigkeit von wenigen Mikrometern zu messen. Beide Raumfahrzeuge sind mit zwei Dual-Frequenz-BlackJack-GPS-Empfängern von JPL ausgestattet. Dieser Empfängertyp verhält sich wie ein klassischer semikodeloser geodätischer Empfänger, der üblicherweise im IGS-Netzwerk zu finden ist (Montenbruck und Kroes, 2003). Neben dem Tracking der GPS-Satelliten werden die BlackJack-Empfänger auch zur Messung des vom anderen GRACE-Raumfahrzeug übertragenen K-Band-Signals verwendet. Die hochgenaue Bestimmung der intersatellitären Entfernung wird durch den Zweiweg-Betrieb der K-Band-Verbindung erreicht. Diese Messkonfiguration erfordert eine Synchronisierung der beiden Empfänger auf besser als 150 ps während der Nachverarbeitung (Bertiger et al., 2003). Da sowohl das K-Band-Entfernungsmessystem (KBR) als auch der GPS-Empfänger denselben Oszillator verwenden, können die GPS-Daten für diese Synchronisierung verwendet werden. Die GRACE-Mission bietet somit eine ideale Grundlage zur Untersuchung der Anwendbarkeit der Uhrmodellierung in der kinematischen Orbitbestimmung.
3. Datenverarbeitung und Ergebnisse der GRACE Datenanalyse
Die Verarbeitung der realen GRACE-GPS-Daten wird durch Ausreißer und Trägerphasen-Zyklusschlupf kompliziert. Die Datenbearbeitungsalgorithmen müssen mit einer erhöhten Variabilität der ionosphärischen Verzögerung aufgrund der schnellen Bewegung des Raumfahrzeugs umgehen. Es wurden jedoch die gleichen Datenvorverarbeitungsschritte wie für terrestrische Stationen angewendet. Die Genauigkeit der Positionsschätzungen kann unter Verwendung der reduzierten dynamischen GRACE-Level-1B-Orbits bewertet werden, die deutlich genauer sind als eine reine Pseudorange-Bahn. Bei der Verarbeitung der Daten wurde deutlich, dass das Rauschen der GRACE-Pseudorange-Daten bei niedrigen Elevationen zunimmt (Abb. 7.30). Daher wurde in der reinen Pseudorange-Lösung eine höhenabhängige Gewichtung gemäß sin²(e) angewendet. Aufgrund des höheren Rauschpegels der Pseudorange-Beobachtungen wurde der Abstand der stückweise linearen Uhrparameter auf 300 s erhöht, während die relativen Beschränkungen von 0,8 ns/h zwischen aufeinanderfolgenden Steigungen beibehalten wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Uhrmodellierung, insbesondere bei ungünstiger Beobachtungsgeometrie, die Genauigkeit der kinematischen Orbitbestimmung verbessert.
IX.Fazit und Ausblick
Die Arbeit zeigt die technische Machbarkeit der präzisen GNSS-Uhrmodellierung mit verschiedenen Oszillatortypen, insbesondere Wasserstoffmasern. Die Uhrmodellierung verbessert signifikant die Genauigkeit kinematischer Höhenbestimmungen. Ein stückweise lineares Uhrmodell erwies sich als geeignet. Zukünftige Miniaturisierung von Atomuhren wird die Anwendung der Uhrmodellierung in mehr kinematischen Anwendungen ermöglichen.
1. Zusammenfassung der Ergebnisse Verbesserung der Genauigkeit durch Uhrmodellierung
Die Arbeit zeigt, dass die Uhrmodellierung die Genauigkeit der kinematischen Positionierung deutlich verbessert. Bei der Verarbeitung realer Daten wurde eine typische Reduktion der RMS der kinematischen PPP-Höhenbestimmungen von etwa 50% im Vergleich zu mehr als 70% Reduktion bei simulierten Daten festgestellt. Dies liegt daran, dass einige, aber nicht alle, der störenden Fluktuationen der kinematischen Höhenbestimmungen mit sub-stündlichen Perioden unterdrückt werden können, wenn eine Empfängeruhrmodellierung angewendet wird. Neben bodengestützten GPS-Empfängern konnte die Uhrmodellierung auch erfolgreich für die beiden Low Earth Orbiter (LEO) GRACE-Satelliten demonstriert werden. Ein einzigartiges Merkmal dieser Satelliten ist die Kombination eines Dual-Frequenz-GPS-Empfängers mit einem Ultra-Stable Oscillator (USO), der die erforderliche Frequenzstabilität für den vorgeschlagenen Uhrmodellierungsansatz liefert. Analog zum terrestrischen Fall scheint die Präzision der hochfrequenten kinematischen Radialpositionen der Raumfahrzeuge durch die Uhrmodellierung um fast 50 % verbessert zu werden, verglichen mit einer geglätteten reduzierten dynamischen Bahn. Die Ergebnisse bestätigen das Potential der Uhrmodellierung für eine präzisere GNSS-Positionierung.
2. Technologische Machbarkeit und zukünftige Entwicklungen
Die Arbeit demonstriert die technologische Machbarkeit der präzisen GPS-Uhrmodellierung. Es gibt verschiedene Oszillatortypen, die die erforderliche Frequenzstabilität erfüllen, wobei aktive Wasserstoffmasern aufgrund ihrer hervorragenden Frequenzstabilität und ihres Einsatzes in VLBI und der Erzeugung nationaler UTC-Realisierungen besonders wichtig sind. Die Uhrmodellierung auf dem Präzisionsniveau der GPS-Trägerphasenbeobachtungen ist mit Standard-geodätischen Empfängern und externer Frequenzversorgung möglich, wobei eine gute Temperaturregelung der Empfängerumgebung zwingend erforderlich ist. Die Temperaturempfindlichkeit der Antenne selbst scheint bei typischen hochwertigen geodätischen Antennen eher gering zu sein und schränkt die Anwendbarkeit des vorgeschlagenen Uhrmodellierungsansatzes im Allgemeinen nicht ein. Die beschriebenen Vorteile der Uhrmodellierung für die kinematische Positionierung sind erheblich, die Anwendungen sind jedoch derzeit aufgrund des Mangels an portablen und erschwinglichen Oszillatoren auf dem für den vorgeschlagenen Ansatz erforderlichen Präzisionsniveau begrenzt. Der Fortschritt im Bereich miniaturisierter Atomuhren ist vielversprechend und könnte zukünftig die Anwendung der Uhrmodellierung in mehr kinematischen Anwendungen ermöglichen.
3. Ausblick Miniaturisierte Atomuhren und zukünftige Anwendungen
Hochpräzise Frequenzstandards wie aktive Wasserstoffmasern sind teuer, stationär und benötigen viel Energie. Auch kleinere passive Wasserstoffmasern sind für die meisten kinematischen Anwendungen zu sperrig und teuer. Der Erfolg der ersten kommerziell erhältlichen CSAC (Symmetricom Inc., 2011) und die Entwicklung weiterer miniaturisierter Atomuhren (z.B. basierend auf einzelnen 199Hg⁺ und 171Yb⁺-Ionen) sind vielversprechend und könnten schließlich zu miniaturisierten Oszillatoren führen, die für die Uhrmodellierung in GNSS-Anwendungen auf der Basis von Trägerphasenbeobachtungen geeignet sind. Die Weiterentwicklung miniaturisierter Atomuhren wird die Anwendung der Uhrmodellierung in kinematischen Anwendungen deutlich erweitern. Die erzielten Ergebnisse zeigen ein erhebliches Potential für Genauigkeitssteigerungen in der GNSS-Positionierung und -Navigation. Die Entwicklung von kostengünstigeren und kompakteren hochpräzisen Oszillatoren ist der Schlüssel zur breiteren Anwendung der in dieser Arbeit vorgestellten Uhrmodellierungsmethoden.