Die Ökologisierung des Onlinehandels

Ökologisierung Onlinehandel: Teil 1

Dokumentinformationen

Autor

Till Zimmermann

Schule

Ökopol GmbH, GVM Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung mbH, ISIconsult, Corsus

Fachrichtung Umweltwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Logistik
Unternehmen

Umweltbundesamt

Ort Dessau-Roßlau
Dokumenttyp Teilbericht
Sprache German
Format | PDF
Größe 2.50 MB

Zusammenfassung

I.Wachstum des Onlinehandels und dessen Umweltwirkung

Der deutsche Onlinehandel verzeichnete 2018 einen Umsatz von 68,1 Milliarden Euro (BEVH). Die Corona-Pandemie führte zu einem weiteren deutlichen Wachstum (8,3% im ersten Halbjahr 2020, BEVH). Die Studie untersucht die ökologischen Auswirkungen dieses Wachstums, insbesondere die CO2-Emissionen und den Ressourcenverbrauch. Ein zentraler Fokus liegt auf dem Vergleich der Umweltwirkung von Online- und stationärem Handel.

1. Umsatzentwicklung des Onlinehandels in Deutschland

Der Onlinehandel in Deutschland verzeichnete im Jahr 2018 einen Umsatz von 68,1 Milliarden Euro, was ein kontinuierliches Wachstum über Jahre hinweg widerspiegelt. Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (BEVH) berichtet über ein zusätzliches Umsatzwachstum von 8,3% im ersten Halbjahr 2020 aufgrund der Corona-Pandemie. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass dieses Wachstum nicht branchenweit gleichmäßig verteilt war; einige Bereiche des Onlinehandels verzeichneten sogar Umsatzrückgänge. Die Daten des BEVH basieren auf wöchentlichen Befragungen von 40.000 Konsumenten und stellen Bruttoangaben für physische Waren dar (Ausnahme: E-Books). Der Handelsverband Deutschland (HDE) veröffentlicht ebenfalls Umsatzzahlen, jedoch mit unterschiedlicher Methodik und Abgrenzung, basierend auf Hochrechnungen von Destatis-Daten. Das starke Wachstum des Onlinehandels verdeutlicht die Notwendigkeit einer eingehenden Analyse der damit verbundenen ökologischen Auswirkungen.

2. Erste Einschätzung der Umweltwirkungen des Onlinehandels

Die Studie stellt fest, dass die größten Umweltbelastungen des Onlinehandels meist aus Transportprozessen, insbesondere der 'letzten Meile', sowie aus Versandverpackungen resultieren. Die Größenordnung der Umweltwirkungen schwankt dabei stark je nach Einzelfall. Eine umfassende Betrachtung weiterer Elemente des Konsumzyklus wie Logistik, Retourenmanagement und Kundensicht ist in diesem Bericht noch nicht enthalten, soll aber in späteren Projektphasen erfolgen. Die vorliegende Analyse dient als Grundlage zur Identifizierung ökologischer Hotspots und zur Entwicklung erster Handlungsansätze für eine nachhaltigere Gestaltung des Onlinehandels. Erste Auswertungen zeigen, dass Transportprozesse, speziell die Zustellung auf der letzten Meile, und die Versandverpackungen die größten Umweltbelastungen verursachen, wobei die Bedeutung der einzelnen Faktoren von Fall zu Fall stark variieren kann.

3. Vergleich der Umweltwirkungen von Online und stationärem Handel

Der Bericht vergleicht die Umweltwirkungen des Onlinehandels mit denen des stationären Handels. Es wird festgestellt, dass der Onlinehandel in vielen Fällen, besonders hinsichtlich der Treibhausgasemissionen, ökologisch vorteilhafter sein kann. Allerdings ist zu beachten, dass die Umweltbelastung sowohl im Online- als auch im stationären Handel von verschiedenen Faktoren abhängt, die sich im Einzelfall erheblich unterscheiden können. Es gibt durchaus Situationen, in denen der stationäre Handel die ökologisch bessere Wahl darstellt. Für einen aussagekräftigen Vergleich sind beim Onlinehandel insbesondere die 'letzte Meile', und beim stationären Handel die Emissionen des Geschäfts (Strom, Heizung) sowie die Anfahrtswege der Kunden entscheidend. Die Studie betont den Bedarf an detaillierteren Fallstudien, um die komplexen Zusammenhänge zwischen Handelsform und Umweltbelastung besser zu verstehen.

II.Vergleich der ökologischen Auswirkungen von Online und stationärem Handel

Studien zeigen, dass Online-Einkäufe in vielen Fällen ökologischer vorteilhaft sind, vor allem was Treibhausgasemissionen betrifft. Dies hängt jedoch stark vom Einzelfall ab. Im Onlinehandel sind die 'letzte Meile' (Lieferung) und die Versandverpackung entscheidende Faktoren der Umweltbelastung. Im stationären Handel spielen die Anfahrtswege der Kunden und der Energieverbrauch des Geschäfts eine große Rolle. Eine Monte-Carlo-Analyse von Weber et al. (2018) zeigt in 80% der Fälle ökologische Vorteile für den Onlinehandel, im Mittel 30% geringeren Primärenergiebedarf.

1. Ökologische Vorteile des Onlinehandels eine differenzierte Betrachtung

Auswertungen bestehender Studien legen nahe, dass Online-Einkäufe im Vergleich zum stationären Handel in vielen Fällen ökologisch vorteilhafter sind, insbesondere hinsichtlich der Treibhausgasemissionen. Dieser Vorteil ist jedoch nicht pauschal zu verallgemeinern, da diverse, fallweise stark variierende Faktoren eine Rolle spielen. Die Studie betont die Notwendigkeit, einzelne Aspekte und die spezifischen Gegebenheiten jedes Falls zu berücksichtigen. Es gibt Fälle, in denen der Kauf im stationären Handel die ökologisch sinnvollere Variante darstellt. Die Untersuchung beschränkt sich nicht auf den direkten Vergleich der beiden Systeme, sondern dient primär der Identifizierung ökologischer Handlungsansätze im Onlinehandel, wobei der Vergleich mit dem stationären Handel als Orientierungshilfe dient. Die Analyse unterstreicht die Notwendigkeit, die Komplexität der Umweltwirkungen beider Handelsformen zu berücksichtigen und den jeweiligen Kontext zu bewerten, bevor definitive Aussagen getroffen werden können.

2. Schlüsselrollen im Vergleich Letzte Meile und Geschäftsaktivitäten

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Online- und stationärem Handel liegt in den entscheidenden Faktoren für die Umweltbelastung. Im Onlinehandel spielt die 'letzte Meile', also die Zustellung der Ware an den Kunden, eine zentrale Rolle. Im stationären Handel sind hingegen die Emissionen des Geschäftsbetriebs (Strom, Heizung) und die Anfahrtswege der Kunden ausschlaggebend. Eine Studie von Weber et al. (2018) zum Energiebedarf beim Kauf eines Elektroprodukts verdeutlicht diesen Unterschied. Der Onlinehandel verzeichnete dabei Anteile von 22% für die Versandverpackung und 32% für die letzte Meile am Primärenergiebedarf. Im stationären Handel hingegen entfielen 65% des Primärenergiebedarfs auf die Fahrt zum Geschäft. Eine Monte-Carlo-Simulation in dieser Studie zeigte in 80% der Fälle einen niedrigeren Primärenergiebedarf beim Onlinehandel.

3. Zusätzliche Faktoren und deren Einfluss auf die Umweltbilanz

Neben den direkten Vergleichspunkten 'letzte Meile' und Geschäftsaktivitäten werden auch weitere Faktoren berücksichtigt. Die Studie hebt die Bedeutung des Einkaufsverhaltens der Kunden hervor: Die Wahl des Verkehrsmittels und die Anzahl der gekauften Produkte pro Einkauf beeinflussen die Umweltbilanz im stationären Handel erheblich. Die Bündelung von Bestellungen im Onlinehandel führt nicht automatisch zu einer ökologischen Verbesserung, da es dennoch zu separatem Versand kommen kann. Im Gegensatz dazu kann die Bündelung von Einkäufen im stationären Handel die Umweltbelastung durch geringere Fahrten reduzieren. Edwards et al. (2011) betonen die höhere Energieeffizienz großer Lager im Onlinehandel im Vergleich zu Einzelhandelsgeschäften (bis zu 16-fach geringerer Energieaufwand). Auch das höhere Automatisierungsniveau im Onlinehandel kann die Effizienz steigern und die Umweltwirkungen reduzieren. Die Studie betont somit, dass die Gesamtbilanz von vielen variablen Faktoren abhängt und ein eindeutiges Urteil nur auf Basis einer detaillierten Betrachtung der konkreten Umstände möglich ist.

III. Ökologische Hotspots im Onlinehandel Letzte Meile und Versandverpackung

Die Studie identifiziert die 'letzte Meile' und die Versandverpackung als Hauptursachen für die Umweltbelastung im Onlinehandel. Zahlreiche Studien betonen deren besondere ökologische Bedeutung und das Optimierungspotenzial (z.B. Wiese 2013, DCTI 2015). Die Versandverpackung trägt je nach Studie mit 4,1% bis 26% (van Loon et al. 2015) und 22% (Weber et al. 2018) zu den Umweltwirkungen bei. Die Studie untersucht auch die Umweltwirkungen in Lagern und Distributionszentren, die im Vergleich zum stationären Handel als deutlich geringer eingeschätzt werden (Edwards et al. 2010; 2011).

1. Die Letzte Meile als ökologischer Hotspot

Studien identifizieren die 'letzte Meile', also den Transport der Ware vom Logistikzentrum zum Endkunden, als einen zentralen ökologischen Hotspot im Onlinehandel. Ein Großteil der Umweltwirkungen entsteht in dieser Phase. Gleichzeitig wird hier das größte Potenzial für Optimierungen gesehen. Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten (z.B. Wiese 2013, DCTI 2015, Mangiaracina et al. 2015, Oláh et al. 2019) bestätigen diese Einschätzung. Mögliche Verbesserungen umfassen die Nutzung alternativer Verkehrsmittel wie Elektrofahrzeuge oder Lastenräder, sowie innovative Zustellkonzepte, beispielsweise die Lieferung an alternative Abgabeorte oder die Verwendung von Micro-Hubs. Eine Studie von Ninnemann et al. (2017) in Hamburg untersuchte das Parkverhalten von Lieferfahrzeugen und zeigte, dass lange Haltezeiten ein erhebliches Problem darstellen. Nur 20% der Fahrzeuge hielten weniger als 5 Minuten, während 33% länger als 15 Minuten an einem Punkt verweilten. Die Optimierung der letzten Meile ist daher ein entscheidender Faktor zur Reduzierung der Umweltbelastung im Onlinehandel.

2. Versandverpackungen Relevanter Faktor der Umweltbelastung

Zusätzlich zur 'letzten Meile' stellt die Versandverpackung einen weiteren wichtigen ökologischen Hotspot im Onlinehandel dar. Im Gegensatz zum stationären Handel kommen hier zusätzliche Verpackungen zum Einsatz, deren Umweltbelastung in vielen Studien nur unzureichend berücksichtigt wird. Weber et al. (2018) quantifizieren den Anteil der Versandverpackung an den Umweltwirkungen des Onlinekaufs eines Elektronikprodukts auf 22%. Van Loon et al. (2015) schätzen den Anteil je nach Fall zwischen 4,1% und 26% ein. Die CO2-Emissionen bei der Herstellung der Verpackungen variieren stark und reichen von ca. 20g CO2 (kleine Faltschachtel) bis zu ca. 900g CO2 (großer Karton). Die Studie hebt hervor, dass die Versandverpackung einen relevanten Beitrag zur Gesamtbelastung leistet und Optimierungspotenzial besteht. Maßnahmen wie der Verzicht auf zusätzliche Versandverpackungen oder die Zustellung an Packstationen können den Einfluss der Versandverpackungen reduzieren und die ökologische Bilanz verbessern. Der Einfluss von Geschäftsmodellen auf die ökologischen Hotspots wird durch Studien von van Loon et al. (2015) hervorgehoben, welche auf die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtungsweise hinweisen.

3. Umweltwirkungen in Lagern und Distributionszentren

Im Gegensatz zur 'letzten Meile' und den Versandverpackungen wird den Umweltwirkungen in den Lagern und Distributionszentren des Onlinehandels eine untergeordnete Rolle zugeschrieben (Mangiaracina et al. 2015; Oláh et al. 2019). Eine genaue Quantifizierung der CO2-Emissionen in diesem Bereich ist jedoch nur begrenzt verfügbar. Edwards et al. (2010; 2011) schätzen die Emissionen in diesen Bereichen um den Faktor 16 geringer ein als im stationären Handel. Van Loon et al. (2015) beziffern die CO2e-Emissionen auf ca. 40 bis 120g pro Produkt, während eigene Berechnungen auf Basis von Nachhaltigkeitsberichten von Onlinehändlern wie Zalando, Otto Group und Tchibo Emissionen von ca. 20 bis 80g pro 50-Euro-Einkauf ergeben. Die methodische Herausforderung liegt in der Bewertung der IT-Dienstleistungen im Zusammenhang mit Online-Bestellungen. Die verfügbaren Daten sind begrenzt und weisen methodische Einschränkungen auf (Gombiner 2011; Mayers et al. 2015; Hagemann 2015; Kahlenborn et al. 2018; Coroama et al. 2015).

IV.Zusätzliche Effekte und Nachhaltigkeitsstrategien im Onlinehandel

Die Studie betrachtet auch indirekte Umweltwirkungen, wie z.B. Rebound-Effekte. Hierbei geht es um verhaltensbedingte Kompensationen durch Effizienzgewinne im Onlinehandel (z.B. Zeitersparnis). Die Studie betont die Notwendigkeit von Nachhaltigkeitsstrategien für den Onlinehandel, einschließlich der Optimierung der letzten Meile, der Reduktion von Versandverpackungen, und der Berücksichtigung der Umweltwirkungen über den gesamten Produktlebenszyklus. Die Sensibilisierung von Unternehmen und Verbrauchern spielt hierbei eine wichtige Rolle.

1. Indirekte ökologische Effekte und Rebound Effekte

Neben den direkten Umweltwirkungen des Onlinehandels werden auch indirekte Effekte untersucht, insbesondere Rebound-Effekte. Diese beschreiben verhaltensbedingte Kompensationen durch Effizienzgewinne. Im Onlinehandel kann beispielsweise die Zeit- und gegebenenfalls Geldersparnis zu erhöhtem Konsum in anderen Bereichen führen, wodurch der potentielle Umweltnutzen durch Effizienzmaßnahmen reduziert wird (Chitnis et al. 2013). Direkte Rebound-Effekte beziehen sich auf eine gesteigerte Nachfrage nach energieverbrauchsrelevanten Leistungen, die durch Effizienzsteigerungen günstiger geworden sind. Indirekte Rebound-Effekte sind komplexer und umfassen Verhaltensänderungen, die nicht direkt mit der Effizienzsteigerung zusammenhängen. Die Studie hebt hervor, dass das Ausmaß dieser Effekte bisher nicht systematisch untersucht wurde. Auch das gesparte Geld, das nicht ausgegeben wird, hat negative Umweltwirkungen (Druckman et al. 2010). Lediglich bei 'grünen Investitionen' des gesparten Geldes (z.B. Baumpflanzung) könnten die zusätzlichen CO2-Emissionen nahe null oder sogar negativ sein (Druckman et al. 2010). Berners-Lee (2010) beziffert mögliche CO2e-Emissionen pro ausgegebenem Pfund für verschiedene Produkte.

2. Verhaltensänderungen durch das Online Angebot

Das erweiterte Warenangebot im Onlinehandel und die zunehmende Online-Präsenz stationärer Händler können zu neuen Kaufimpulsen führen. Konsumenten entdecken Produkte und Händler, die ihnen vorher unbekannt waren, was zu zusätzlichen Einkäufen im stationären Handel führen kann. Dieser Effekt könnte die positive Umweltbilanz des Onlinehandels teilweise kompensieren. Die Studie weist darauf hin, dass die Auswirkungen dieser verhaltensbedingten Veränderungen auf die Umweltbilanz bisher nicht umfassend erforscht wurden und weitere Untersuchungen notwendig sind, um diese komplexen Zusammenhänge genauer zu beleuchten und ein vollständigeres Bild der Nachhaltigkeit im Onlinehandel zu erhalten.

3. Handlungsansätze für eine nachhaltigere Entwicklung des Onlinehandels

Das Forschungsvorhaben zielt darauf ab, Chancen, Risiken und Handlungsansätze für eine nachhaltige Entwicklung des Onlinehandels zu identifizieren. Neben der Untersuchung der ökologischen Risiken (vorrangig Umweltbelastungen, aber auch soziale Aspekte werden diskutiert) werden auch Chancen für eine nachhaltigere Gestaltung des Onlinehandels beleuchtet. Es sollen umweltpolitische Ansätze und Handlungsempfehlungen entwickelt werden. Dies umfasst neben gesetzlichen Regelungen und Verboten auch Maßnahmen zur Verbraucherkommunikation und Sensibilisierung von Unternehmen. Szenarien für die zukünftige Entwicklung des Onlinehandels werden auf Basis der identifizierten 'Stellschrauben' (Kernparameter) für die ökologische Performance in den einzelnen Gliedern des Konsumzyklus entwickelt. Dabei werden verschiedene Szenarien betrachtet: 'Business-as-usual', ein Optimierungsszenario und ein Visionsszenario (CO2-neutraler und ressourcenschonender Onlinehandel). Die Variation der identifizierten Kernparameter im Konsumzyklus steht im Mittelpunkt der Szenarienbildung.