
Israelische Identität: Kultur & Multikulturalität
Dokumentinformationen
Autor | Miriam Geiger |
instructor | Prof. Wolfram Henning |
Schule | Fachhochschule Stuttgart – Hochschule der Medien |
Fachrichtung | Bibliotheks- und Medienmanagement |
Dokumenttyp | Masterarbeit |
Ort | Stuttgart |
Sprache | German |
Format | |
Größe | 337.24 KB |
Zusammenfassung
I.Die Entwicklung der israelischen Gesellschaft seit der Staatsgründung Einwanderung und Identitätsfindung
Die Geschichte Israels seit seiner Gründung ist eng mit dem Thema Einwanderung (Aliyah) verbunden. Die frühen zionistischen Ideale, wie der Aufbau von Kibbuzim und die Schaffung eines 'Schmelztiegels' (einer einheitlichen jüdischen Nation), wurden durch massive Einwanderungswellen aus unterschiedlichen Ländern (Europa, Nordamerika, Asien, Afrika, die ehemalige Sowjetunion, Äthiopien) stark herausgefordert. Die aschkenasischen und sephardischen/mizrachischen Juden brachten unterschiedliche Kulturen und Traditionen mit, was zu Spannungen und sozialer Stratifizierung führte. Das ursprünglich sozialistisch geprägte Fundament des Staates wurde durch das Wachstum des westlichen Kapitalismus untergraben. Die Pionierideologie und das Ideal des 'neuen Hebräers', ein stark und unabhängig im Land verwurzelter Jude im Gegensatz zum 'schwachen Diasporajuden', verloren zunehmend an Bedeutung. Der Holocaust und dessen Verarbeitung spielten eine entscheidende Rolle bei der israelischen Identitätsfindung, führte aber auch zu internen Debatten und zum 'Historikerstreit'. Die Integration der verschiedenen Einwanderergruppen, insbesondere der Mizrachim und der äthiopischen Juden, gestaltete sich schwierig und ist bis heute ein Thema von gesellschaftlicher Bedeutung. Der Konflikt mit den Palästinensern und die damit verbundenen politischen Entwicklungen beeinflussen ebenfalls die gesellschaftliche Entwicklung Israels maßgeblich.
1. Rasante Veränderungen und die Krise des zionistischen Ideals
Die Staatsgründung Israels leitete eine Phase rapider demografischer, politischer, sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Veränderungen ein. Die zionistische Ideologie, mit ihren Werten wie Aufopferung für das Kollektiv und einem einfachen Lebensstil, wurde kritisch hinterfragt und ihre Gültigkeit zunehmend in Frage gestellt. Das von den Zionisten propagierte Ideal des 'Schmelztiegels', die Verschmelzung aller Juden zu einer einheitlichen Nation mit eigener Kultur, erwies sich als schwierig umzusetzen und wurde durch die Masseneinwanderung stark herausgefordert. Das anfänglich sozialistische Fundament des Staates wurde durch das Wirtschaftswachstum im Sinne des westlichen Kapitalismus ausgehöhlt. Das Ende des Kalten Krieges und die Suche nach Friedenslösungen mit den Palästinensern und arabischen Nachbarstaaten führten zu weiteren Transformationsprozessen innerhalb der israelischen Gesellschaft und stellten die bestehenden Ideale auf eine harte Probe. Die anfängliche Vision einer homogenen Nation wurde durch die Realität der multiplen Kulturen und die daraus resultierenden Spannungen konterkariert.
2. Frühe Einwanderung und die Herausbildung des Jischuv
Vor der Staatsgründung existierten aschkenasische Siedlungen in Palästina, die aber oft wirtschaftlich schwach waren und von der Diaspora abhängig blieben. Die Haskalah, die jüdische Aufklärung, führte im 19. Jahrhundert zu Bemühungen, die Produktivität der jüdischen Wirtschaft zu steigern, beginnend mit dem Druck religiöser Bücher und später ausweitend auf Dienstleistungsbetriebe und Landwirtschaft. Es wurden neue Bildungseinrichtungen gegründet und Zeitungen in Hebräisch veröffentlicht (z.B. Gründung einer Landwirtschaftsschule in Jaffa 1870). Die Einwanderer der vierten und fünften Aliyah unterschieden sich deutlich vom Bild des zionistisch und sozialistisch geprägten Einwanderers. Sie stammten überwiegend aus bürgerlichen Kreisen und sahen Tel Aviv als Zentrum des neuen Staates. Viele waren keine überzeugten Zionisten, viele wurden durch die NS-Verfolgung zur Emigration gezwungen. Diese Einwanderer, mit ihrem hohen Bildungsgrad und bürgerlichen Werten, trugen zur Durchsetzung kapitalistischer Wirtschaftsformen und zur Stärkung des bürgerlichen Lagers in der israelischen Politik bei. Die Einwanderung prägte die Entwicklung des Jischuv, der jüdischen Gemeinde in Palästina, und legte die Grundlagen für die spätere Staatsgründung.
3. Die Entwicklung institutioneller Strukturen im Jischuv
Während der Aliyah-Periode entwickelten sich wichtige institutionelle Formen des Jischuv heraus, einschließlich verschiedener Siedlungen (Kibbuzim und Moschavim), der drei größten Städte (Jerusalem, Tel Aviv und Haifa), Bildungseinrichtungen, politischen Organisationen und ersten Ansätzen einer Armee zur Selbstverteidigung. Der Gewerkschaftsverband Histadrut erlangte großen Einfluss als Dachorganisation für Siedlungen, Gewerkschaften, Krankenversorgung, Industrie, Wohnungsbau und Kooperativen. Weitere wichtige Institutionen waren der jüdische Nationalfonds (Keren Kayemet), die Zionistische Organisation (später Jewish Agency), der jüdische Nationalrat (Waad Leumi) und lokale Selbstverwaltungskörperschaften. Es entwickelten sich wechselseitige Beziehungen zwischen diesen jüdischen Institutionen und der britischen Mandatsmacht, die sowohl den jüdischen als auch den arabischen Sektor umfasste. Der arabische Sektor besaß erst später vergleichbare Institutionen (Oberstes Arabisches Komitee) und wies einen geringeren Grad an innerer Organisation auf. Die Finanzierung dieser Institutionen erfolgte hauptsächlich durch Spenden aus Palästina und der Diaspora. Die politische Führung des Jischuv pflegte enge Kontakte zu jüdischen Organisationen und Persönlichkeiten im Ausland, unabhängig von deren zionistischer Gesinnung.
4. Die ambivalenten Beziehungen zur Diaspora und das Ideal des neuen Hebräers
Ein zentrales Motiv des Zionismus war die Ablehnung der Diaspora (Galut) und die Hoffnung auf die Überwindung der damit verbundenen politischen und metaphysischen 'Makel'. Trotz dieser Ablehnung war der Jischuv in Bezug auf finanzielle und personelle Ressourcen von der Diaspora abhängig. Die Ablehnung der Diaspora ging einher mit einer negativen Sicht des 'Diaspora-Juden', der als schwach, krank und hässlich dargestellt wurde. Als Gegenbild entstand das Ideal des 'neuen Hebräers', der stark, unabhängig und im Land verwurzelt sein sollte. Dieser 'neue Hebräer' wurde später mit dem Begriff 'Sabra' (nach der Kaktusfrucht) verbunden, um die in Israel geborenen Generationen zu bezeichnen. Die erste Sabra-Generation (48er-Generation oder Palmach-Generation) verkörperte den Mythos des neuen Juden der Pionierideologie. Heute steht diese ältere Generation, noch geprägt von den Idealen der Gründerväter, im Kontrast zur jüngeren Sabra-Generation.
II.Kibbuzim Vom Modell der zionistischen Gesellschaft zum Wandel
Die Kibbuzim, einst zentrale Elemente der zionistischen Ideologie, spielten eine führende Rolle im Aufbau Israels. Sie stellten fast die Hälfte aller jüdischen Siedlungen dar. Jedoch verloren sie im Laufe der Zeit an Bedeutung und ihren Modellcharakter für die israelische Gesellschaft. Ideologische Differenzen, wirtschaftliche Schwierigkeiten und die Kritik an der Behandlung orientalischen Einwanderern führten zu tiefgreifenden Veränderungen und Auflösungserscheinungen vieler Kibbuzim. Trotzdem existieren einige Kibbuzim weiter, oft durch Anpassung an veränderte Bedingungen und teilweise Abkehr von ursprünglichen Prinzipien. Wichtige Kibbuzverbände waren z.B. Kibbuz Ha-Me’uchad und Ha-Kibbuz Ha-Arzi; die säkularen Verbände schlossen sich 1980 zur Takam zusammen. Die Kibbuzbewegung brachte einen bedeutenden Teil der sozialistisch-zionistischen Elite hervor (z.B. ein Drittel der Mitglieder des ersten israelischen Kabinetts).
1. Die Kibbuzim als zionistisches Modell und ihre anfängliche Bedeutung
Zu Beginn der israelischen Staatsgründung stellten die Kibbuzim ein zentrales Element der zionistischen Gesellschaft dar. Sie repräsentierten nahezu die Hälfte aller jüdischen Siedlungen im Land und beherbergten rund acht Prozent der jüdischen Bevölkerung. Die verschiedenen Kibbuzim waren in übergreifenden Verbänden oder Strömungen organisiert, wie zum Beispiel dem Kibbuz Ha-Me’uchad (Der vereinte Kibbuz) oder Ha-Kibbuz Ha-Arzi (Der landesweite Kibbuz – der am weitesten links stehende Verband). Diese Verbände fungierten als politisch-ideologische Rahmen, entwickelten eigene Institutionen (Schulen, Verlage) und Wirtschaftseinrichtungen. Ein bedeutender Teil der sozialistisch-zionistischen Elite entstammte der Kibbuzbewegung; ein Drittel der Mitglieder des ersten israelischen Kabinetts und ein Fünftel der 1949 gewählten Knessetabgeordneten waren Kibbuzmitglieder. Die Kibbuzim verkörperten das Ideal einer auf wirtschaftlicher und sozialer Gleichheit basierenden Gesellschaft, in der Privateigentum und Lohnarbeit abgelehnt wurden. Die Arbeit erfolgte im Rotationsprinzip, was in den frühen Jahren bedeutete, dass Mitglieder täglich an unterschiedlichen Arbeitsplätzen eingesetzt wurden. Die Kibbuzim trugen maßgeblich zum Aufbau und zur Stabilisierung der jüdisch-israelischen Gesellschaft bei und galten als beispielhaftes Modell einer kollektiven Lebensform.
2. Wirtschaftliche Rückschläge und ideologische Konflikte
Im Laufe der Zeit sahen sich die Kibbuzim mit zunehmenden wirtschaftlichen Rückschlägen konfrontiert. Zusätzlich traten immer häufiger ideologische Meinungsverschiedenheiten auf, die Zweifel an der Kibbuzideologie und deren Zukunftsfähigkeit weckten. Die allgemeine ideologische Dämmerung in Israel betraf auch die Kibbuzim. Der Stolz und die Ideale der Gründergeneration schwanden, besonders im Zusammenhang mit der Kritik am Umgang der aschkenasischen Pioniergeneration mit der Einwanderung orientalischen Juden. Die Kibbuzmitglieder wurden als Mitschuldige an Fehlern der damaligen Politik beschuldigt, was zu Enttäuschung, Resignation und Verbitterung führte. Auch die Enkelgeneration übte Kritik und viele junge Leute verließen die Kibbuzim. Die vorgeschlagenen Lösungen, wie die Parzellierung des Grund und Bodens, die Eintragung der Häuser auf die Namen der Mitglieder und die Auszahlung einer Mindestrente an ältere Menschen, zeigen die Anpassungsversuche an die veränderten Bedingungen.
3. Der Wandel und die Zukunft der Kibbuzim
Bis zum Jahr 2001 sank der Anteil der Kibbuz-Bewohner an der jüdischen Bevölkerung auf unter drei Prozent, obwohl die absolute Bevölkerungszahl bis Anfang der 1990er Jahre noch zunahm. Der Auflösungsprozess der Kibbuzim ist im 21. Jahrhundert nicht mehr zu übersehen. Einige Kollektivsiedlungen haben sich jedoch erhalten, vor allem durch tiefgreifende strukturelle Umgestaltungen und die teilweise Abkehr von unveränderlichen Prinzipien. Sie versuchen, ihren spezifischen Charakter zu bewahren. Diskutiert werden neben der Umwandlung in Moschavim auch neue Gemeinschaftsformen mit privatisiertem Besitz, leistungsabhängigen Löhnen und dezentraler Leitung, die aber weiterhin auf Kooperation und Zusammengehörigkeitsgefühl setzen. Angelika Timm sieht den Kibbuz in ihrem Buch „Israel – Gesellschaft im Wandel“ nicht als gescheitertes sozialistisches Experiment, sondern als überlegenswerte Alternative zum Leben in der Großstadt, die als Erfahrungswert für eine sozial gerechtere Gesellschaft weitergegeben wird, insbesondere durch die Bewahrung demokratischer Strukturen und die produktive Wechselwirkung von kollektiver und individueller Selbstverwirklichung.
III.Der israelische Film Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklung
Der israelische Film entwickelte sich anders als die hebräische Literatur oder das Theater. Die frühen Filme spiegelten den Existenzkampf der Pioniere, den Aufbau des Staates und das Ideal des 'neuen Hebräers' wider. Filme wie 'Avoda' und 'Sabra' demonstrierten dieses Bild des heroischen, sich für das Kollektiv aufopfernden Israelis. Später befasste sich der israelische Film vermehrt mit der Verarbeitung des Holocausts, anfangs mit dem Fokus auf der 'Umwandlung' des schwachen Diasporajuden zum starken Zionisten. Der Eichmann-Prozess markierte einen Wendepunkt in der Auseinandersetzung mit dem Holocaust. Neuere Filme, wie z.B. 'Walk on Water', thematisieren die anhaltende Belastung durch den Holocaust und die Beziehung zu den Palästinensern. Das Genre der 'Bourekas-Filme' fokussiert sich auf die Integrationsprobleme und den Alltag orientalischer Einwanderer, mit 'Sallah Shabati' als besonders erfolgreichem Beispiel (Regie: Ephraim Kishon; Hauptrolle: Chaim Topol).
1. Herausforderungen und späte Entwicklung des israelischen Films
Im Gegensatz zu anderen kulturellen Ausdrucksformen wie der hebräischen Literatur oder dem Theater, hatte der israelische Film von Anfang an mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Seine späte Entstehung, die große geographische und psychologische Distanz zu den internationalen Produktionszentren und die mangelnde Unterstützung durch das Establishment führten zu einem langsamen Wachstum. Die problematische wirtschaftliche Situation nach der Staatsgründung trug ebenfalls dazu bei, dass der Film als Luxus angesehen wurde und nur über geringe finanzielle Mittel verfügte. Die komplizierte Filmbranche benötigt für ihre Entwicklung einen kontinuierlichen Einsatz, was in den frühen Jahren Israels aufgrund der existentiellen Herausforderungen und des Fokus auf den Staatsaufbau nur schwer zu leisten war. Die beschränkten Ressourcen und der Überlebenskampf der jungen Nation beeinflussten die Entwicklung des israelischen Films nachhaltig.
2. Frühe israelische Filme Existenzkampf und das Ideal des neuen Hebräers
Die frühen israelischen Filme thematisierten vorwiegend den Existenzkampf der wenigen gegen die vielen, die Gründung des Staates als Zuflucht für Juden aus aller Welt und andere existentielle Probleme. Häufig wurden Heldentum und Opferbereitschaft für das Vaterland hervorgehoben, mit dem Stereotyp des heroischen Israelis im Mittelpunkt: der Pionier, der sich im kollektiven Streben aufopfert, der 'neue Hebräer', der mit einer Hand das Land bestellt und mit der anderen es verteidigt. Filme wie Helmar Lerskis 'Avoda' (Arbeit, 1935) zeigten bereits in der ersten Szene die 'Wiedergeburt des neuen Mannes des Zionismus', mit Bildern abgenutzter Schuhe des Pioniers und muskelbepackter Männer beim Brunnenbau. 'Sabra' (1933) von Aleksandr Ford stellte ebenfalls den heroischen Pionier und 'neuen Hebräer' dar, der für das Überleben der Gruppe kämpft und die Spannungen zwischen Arabern und Juden thematisierte, was zu einem Verbot des Films in Palästina durch die britische Mandatsmacht führte. Diese frühen Filme spiegelten das Idealbild des zionistischen Projekts wider.
3. Der Holocaust im israelischen Film Vom Schweigen zur Auseinandersetzung
Die frühen Jahre nach der Staatsgründung waren im israelischen Film vom Schweigen über den Holocaust geprägt. Die wenigen Filme, die sich mit Überlebenden befassten, zeigten meist nur die seelischen Narben, ohne den Horror und die Grausamkeit darzustellen. Dies hing auch mit dem Ideal des 'neuen Hebräers' zusammen: die Überlebenden sollten 'umerzogen' und in die zionistische Gesellschaft integriert werden. Filme wie Helmar Lerskis 'Adama' (Erde, 1948) zeigten diese Metamorphose vom verweichlichten Diaspora-Juden zum neuen zionistischen Mann. Der Eichmann-Prozess markierte einen Wendepunkt und initiierte eine Auseinandersetzung mit dem Thema auf kultureller Ebene. Der Kibbutz Lochamei HaGetaot startete ein großes Projekt zur Sammlung von Archivmaterial und produzierte eine Dokumentarfilm-Trilogie. Es entstanden zahlreiche weitere Dokumentar- und Spielfilme über den Holocaust. Neuere Filme, wie Eytan Fox' 'Walk on Water' (2004), thematisieren die anhaltende Belastung durch den Holocaust und die Frage, ob der Opferstatus die Sicht auf das Verhalten gegenüber den Palästinensern beeinflusst.
4. Kulturelle Verarbeitung und Bourekas Filme
Das Thema Holocaust wird in Israel auf allen kulturellen Ebenen verarbeitet, in Musik, bildender Kunst, Literatur und darstellenden Künsten. Yehoschua Sobols Schauspiel 'Ghetto' (1984) behandelt das jüdische Theater im Ghetto Wilna und das heikle Thema der Judenräte. Aharon Appelfeld, selbst Holocaust-Überlebender, skizziert in seinen Romanen wie 'Brandmal des Lichts' (1980) die jüdische Welt vor, während und nach dem Holocaust. Ein besonderes Genre des israelischen Films sind die sogenannten 'Bourekas-Filme', benannt nach einem typischen mediterranen Gebäck. Diese Filme, hauptsächlich in den 1960er und 70er Jahren produziert, richteten sich an ein vorwiegend orientalisches Publikum und zeigten orientalische Helden mit Integrationsproblemen und interethnischen Konflikten, verbunden mit Familienwärme und jüdischer Tradition. 'Sallah Shabati' (1964) von Ephraim Kishon gilt als der erfolgreichste Film dieses Genres und einer der erfolgreichsten israelischen Filme überhaupt, mit Chaim Topol in der Hauptrolle. Obwohl erfolgreich, wurden diese Filme auch wegen ihrer 'Vulgarität' und der Ausnutzung der Frustrationen der Misrachim kritisiert.
IV.Mizrachim in Israel Integration Diskriminierung und kulturelle Bewahrung
Die Masseneinwanderung mizrachischer Juden (vor allem aus arabischen Ländern) nach 1948 stellte den 'Schmelztiegel'-Ideal auf eine harte Probe. Sie erlebten anfänglich Diskriminierung und soziale Benachteiligung durch das aschkenasisch dominierte Establishment. Die Integration verlief schwieriger als bei den aschkenasischen Einwanderern, geprägt durch räumliche Segregation in bestimmten Stadtteilen und unterschiedliche Bildungsstandards. Ab den 1970er/80er Jahren entwickelte sich ein stärkeres kollektives Bewusstsein unter den Mizrachim, gepaart mit politischem Engagement (z.B. Unterstützung des Likud). Trotz wirtschaftlichem und sozialem Aufstieg erhielten sich viele mizrachische Gemeinschaften ihre kulturellen Traditionen (Essen, Musik, Feste). Die sephardische Kultur spielt eine wichtige Rolle im heutigen Israel.
1. Anfängliche Benachteiligung und die Herausforderung des Schmelztiegels
Die Masseneinwanderung mizrachischer Juden (aus arabischen Ländern) nach 1948 stellte das zionistische Ideal des 'Schmelztiegels' auf eine harte Probe. Diese Einwanderer, die etwa ein Viertel der jüdischen Bevölkerung Ende 1954 ausmachten, erlebten anfänglich Diskriminierung und soziale Benachteiligung durch das aschkenasisch dominierte Establishment. Ihre Integration gestaltete sich schwieriger als die der aschkenasischen Einwanderer, geprägt durch räumliche Segregation in bestimmten Stadtteilen und Entwicklungsstädten (Nordafrikaner im Negev oder südlich von Tel Aviv, Iraker und Jemeniten eher in zentralen Regionen). Unterschiedliche Bildungsstandards verstärkten die soziale Kluft. Das aschkenasisch dominierte Establishment kontrollierte die politischen, finanziellen, militärischen und kulturellen Einrichtungen. Aschkenasische Einwanderer profitierten von bestehenden Verwandtschaftsnetzwerken und sprachlichen Gemeinsamkeiten (Jiddisch), was ihre Integration erleichterte. Mizrachim hingegen verfügten oft nicht über diese Unterstützung, was ihre Eingliederung erheblich erschwerte. Die unterschiedlichen kulturellen Hintergründe und der hohe Anteil an Analphabeten unter den Mizrachim stellten zusätzliche Hürden dar. Viele Intellektuelle und erfolgreiche Geschäftsleute aus mizrachischen Gemeinschaften emigrierten in den Westen (z.B. nach Frankreich oder Kanada), was zu einem Mangel an Führungspersönlichkeiten in Israel führte.
2. Identitätswandel und politische Mobilisierung der Mizrachim
Ab den 1970er und 1980er Jahren schwächten sich die kulturellen und sprachlichen Unterschiede zwischen den ethnischen Gruppen langsam ab. Gleichzeitig entwickelte sich ein stärkeres kollektives Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Mizrachim, bedingt durch gemeinsame Traditionen und das Gefühl der Ausgrenzung durch die Aschkenasim. Diese Zusammengehörigkeit manifestierte sich auch in der Unterstützung des national-konservativen Likud, der das aschkenasisch dominierte Establishment herausforderte und 1977 die Regierungsverantwortung übernahm. Obwohl die ersten Likud-Regierungen fast ausschließlich aus Aschkenasim bestanden, konnten sie das Wählerpotential der Mizrachim nicht ignorieren. Programme zur Bewahrung des kulturellen Erbes der Juden aus Asien und Afrika, initiiert vom Bildungsministerium, blieben jedoch mit beschränktem Erfolg, da sie vorwiegend folkloristische Aspekte betonten und die Machtstrukturen nicht in Frage stellten. Eine erhebliche Bildungskluft zwischen Aschkenasim und Mizrachim erschwerte die Gleichstellung (nur 14% der Universitätsabsolventen kamen 1984/85 aus orientalisch-jüdischen Familien).
3. Anhaltende soziale Ungleichheiten und der Einfluss der russischen Einwanderung
Die soziale Kluft zwischen Aschkenasim und Mizrachim blieb bestehen und spiegelte sich zunehmend in der Politik wider. Die Mizrachim vergrößerten ihren Anteil an der jüdischen Bevölkerung durch eine höhere Geburtenrate. Mit zunehmendem Einfluss in der Gesellschaft wurden sie durch die Massenaliyah aus der ehemaligen Sowjetunion erneut herausgefordert. Der Zustrom an Akademikern und Facharbeitern aus der Sowjetunion bedrohte den Aufstieg der Mizrachim in höhere Einkommensschichten und erschwerte ihre Gleichstellung in Politik, Bildung und Beruf. Die neue, selbstbewusstere Generation der Mizrachim reagierte mit verstärktem Engagement in Politik, Kultur und Religion. Sie betonte ihre spezifischen kulturellen Merkmale und stellte eigene Wertvorstellungen dem westlichen Gesellschaftsmodell entgegen. Trotz der Bemühungen um Gleichstellung und im Gegensatz zum zionistischen Ideal einer vollständigen Vermischung der Juden, leben die meisten Israelis immer noch mit Angehörigen ihrer eigenen ethnischen Gruppe zusammen (Freundeskreis, Nachbarschaft, Ehen). Die Bildungskluft ist an Universitäten weiterhin spürbar. Die einzige institutionalisierte ethnische Trennung findet im religiösen Bereich statt (zwei Oberrabbiner, zwei Gemeinderabbiner, getrennte Synagogen).
4. Kulturelle Revitalisierung und die Bourekas Filme
Der soziale und wirtschaftliche Aufstieg der Mizrachim ging nicht mit dem Verlust ihrer Identität einher. Landsmannschaftliche Bindungen wurden reaktiviert, und viele Mizrachim kehrten zu ihrer Folklore und kulturellen Wurzeln zurück. Sie betonen heute ihre kulturellen Besonderheiten wie Essen, Musik und traditionelle Feste. Die sephardische Tradition, stark mit Religiosität verbunden, prägt den Alltag vieler Mizrachim, im Gegensatz zum aschkenasischen Judentum, wo der Unterschied zwischen religiösen und säkularen Aktivitäten deutlicher ist. Die sephardische Gemeinschaft trug dazu bei, dass Religion im Alltag des heutigen Israel mehr Ausdruck findet. Ein wichtiges Beispiel für die Darstellung mizrachischer Kultur im israelischen Film sind die 'Bourekas-Filme'. Dieses Genre, vor allem in den späten 1960er und 1970er Jahren produziert, nutzt klar identifizierbare ethnische Charaktere, um diese Bevölkerungsgruppe anzusprechen, und zeigt Helden mit Integrationsproblemen in einer unterhaltsamen Form, verknüpft mit Familienwärme und jüdischer Tradition. 'Sallah Shabati' (1964) gilt als der erfolgreichste Film dieses Genres und wird als der erfolgreichste israelische Film aller Zeiten angesehen.
V.Die Masseneinwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion und deren Auswirkungen
Die Einwanderung aus den GUS-Staaten seit 1989 war eine der größten Einwanderungswellen in der israelischen Geschichte. Im Gegensatz zu früheren Wellen war die zionistische Motivation oft geringer; ökonomische und soziale Faktoren spielten eine größere Rolle. Die russischsprachigen Einwanderer trugen zum Wirtschaftswachstum bei, gründeten eigene Unternehmen und bildeten eine wirtschaftliche Elite. Gleichzeitig entstand in einigen Städten ein 'Klein-Russland', was die Integration erschwerte. Spannungen mit den Mizrachim bestanden aufgrund von Sorgen um die bestehende soziale Ordnung. Der Einfluss der russischen Kultur ist bis heute in Israel spürbar.
1. Umfang und Motive der Einwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion
Die Einwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion nach Israel erfolgte in zwei großen Wellen: eine erste, kleinere Welle in den 1970er Jahren (ca. 160.000 Menschen), motiviert vorwiegend durch zionistische Ideale, und eine massive zweite Welle nach 1989 (über 400.000 Menschen zwischen Oktober 1989 und Juni 1992), die ihren Höhepunkt in diesen Jahren erreichte. Diese Einwanderer stellen die größte Einwanderungsgruppe in der Geschichte Israels dar; im Jahr 2000 überschritt ihre Zahl (inkl. Kinder, die in Israel geboren wurden) die Millionengrenze. Die Immigration dauert bis heute an (ca. 50.000-60.000 pro Jahr), was zu einem rasanten Wachstum dieser Bevölkerungsgruppe führt, trotz niedrigerer Geburtenraten als in anderen Gruppen. Im Gegensatz zur ersten Welle waren die Motive der zweiten Welle weniger zionistisch geprägt. Meinungsumfragen nennen Familienzusammenführung, Angst vor Antisemitismus und vor allem die Erwartung besserer wirtschaftlicher und sozialer Lebensbedingungen als Hauptgründe für die Auswanderung.
2. Wirtschaftliche Auswirkungen und soziale Integration
Die Einwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion hatte bedeutende Auswirkungen auf das israelische Wirtschaftswachstum. Der Zustrom von qualifizierten Arbeitskräften stärkte die Wirtschaft, und der lokale Markt profitierte vom Konsum der neuen Bevölkerungsgruppe. Der Bausektor erlebte einen Aufschwung durch den Bedarf an neuen Wohnungen. In der Privatwirtschaft, besonders im Dienstleistungssektor, entstanden Unternehmen, die sich an die russischsprachige Bevölkerung richteten und fast ausschließlich russischsprachige Mitarbeiter beschäftigten. Viele Immigranten, insbesondere diejenigen der ersten Welle, konnten durch die Bereitstellung von Dienstleistungen für die Neuankömmlinge in den Mittelstand aufsteigen und bildeten eine wirtschaftliche Elite mit engen Kontakten zu Russland und anderen Ländern. Trotz des wirtschaftlichen Erfolgs lebten viele Einwanderer, vor allem Alleinerziehende Frauen mit Kindern, unterhalb der Armutsgrenze und waren trotz staatlicher Unterstützung auf die Hilfe ihrer Kinder angewiesen.
3. Klein Russland in Israel und Spannungen mit anderen Gruppen
Die Ansiedlung der Einwanderer in bestimmten Stadtvierteln führte zur Bildung von 'Klein-Russland' in Israel, trotz der Bemühungen der Immigrationsbehörden um eine Assimilation. In Städten wie Ashdod, Ashkelon und Be’er Sheva machen die russischen Einwanderer etwa 30% der Bevölkerung aus, in Haifa über 20% und in einigen Entwicklungsstädten sogar über 40%. In diesen Vierteln sind Geschäfte oft mit kyrillischen Buchstaben beschriftet und die russische Sprache dominiert den öffentlichen Raum. Der Integrationsprozess wurde durch Äußerungen ultraorthodoxer Minister der Shamir-Regierung erschwert, die die säkularen russischen Juden des Untergrabens des jüdischen Charakters des Staates und der Benachteiligung orientalischen Juden beschuldigten. Die Mizrachim befürchteten einen Verlust ihrer erreichten Besserstellung zugunsten einer erneuten aschkenasischen Dominanz. Die russische Sprache und Kultur spielen auch im wirtschaftlichen und kulturellen Bereich eine wichtige Rolle; russischsprachige Medien und kulturelle Einrichtungen bieten den Immigranten eine 'kulturelle Nische'.
4. Kulturelle Bewahrung und Integration
Die Immigranten aus den GUS-Staaten neigen dazu, ihren Lebensstil, ihre Normen und Verhaltensmuster beizubehalten, was zu Unterschieden im Vergleich zu in Israel geborenen Sabras führt (z.B. in der Erziehung von Kleinkindern). Viele Einwanderer sehen die Beibehaltung ihrer kulturellen Charakteristika nicht als ein vorübergehendes Phänomen, sondern betonen ihren einzigartigen kulturellen Beitrag zur israelischen Gesellschaft. Sie unterstützen die Bewahrung ihres kulturellen Erbes und die Erhaltung russischer Organisationen und Institutionen. Viele legen Wert darauf, dass ihre Kinder sowohl die russische Sprache beherrschen als auch mit der russischen Kultur vertraut sind, oft begleitet von einem Gefühl der kulturellen Überlegenheit gegenüber der lokalen, oft als orientalisch wahrgenommenen Kultur. Das Gescher-Theater in Tel Aviv ist ein Beispiel für eine kulturelle Institution, die russische und jüdische Kultur pflegt und gleichzeitig israelischen Einflüssen offen steht.
VI.Äthiopische Juden in Israel Integration und kulturelle Bewahrung
Die Einwanderung äthiopischer Juden stellt eine weitere Herausforderungen für die israelische Gesellschaft dar. Ähnlich wie die Mizrachim, wurden auch sie anfangs in bestimmten Regionen angesiedelt und erlebten Integrationsschwierigkeiten. Die israelische Regierung unternahm Bemühungen zur Integration, jedoch bleibt die wirtschaftliche Situation vieler äthiopischer Familien bescheiden. Die Bewahrung der äthiopischen Kultur und Traditionen ist ein wichtiges Anliegen, wird aber durch die mündliche Überlieferung erschwert.
1. Einwanderungswellen und Herausforderungen der Integration
Die Einwanderung äthiopischer Juden nach Israel, beginnend ab Mitte der 1980er Jahre, stellte die israelische Gesellschaft vor neue Herausforderungen. Diese Einwanderungswelle, die sich in den 1980er und 1990er Jahren intensivierte, umfasste zehntausende Menschen und erforderte erhebliche Anstrengungen seitens der Regierung. Ähnlich wie die Mizrachim zuvor, erlebten die äthiopischen Juden bei ihrer Ankunft einen Kulturschock, bedingt durch den Zusammenstoß ihrer kulturellen Traditionen mit den Gepflogenheiten der anderen israelischen Bevölkerungsgruppen. Um die Fehler der Vergangenheit, insbesondere die unzureichende Integration der Mizrachim, zu vermeiden, betonten die israelischen Behörden die Notwendigkeit, die traditionelle äthiopische Kultur zu bewahren. In der Praxis wurde dieser Aspekt jedoch oft nur so weit berücksichtigt, wie er für die Formulierung einer effektiveren Integrationspolitik hilfreich war. Die Regierung investierte überproportional viele Ressourcen in die Integration der äthiopischen Juden im Vergleich zu anderen ethnischen Gruppen. Trotz dieser Bemühungen blieben Probleme bestehen, unter anderem unterdurchschnittliche Schulergebnisse und eine weiterhin schwierige wirtschaftliche Situation für viele äthiopische Familien. Es wird in Israel geschätzt, dass die vollständige Integration einer ethnischen Gruppe zwei bis drei Generationen benötigt.
2. Kulturelle Bewahrung und der Konflikt zwischen Tradition und Moderne
Die äthiopische Kultur und Lebensweise wurden durch die Einwanderung nach Israel stark beeinflusst. Der Zusammenprall der traditionellen äthiopischen Kultur mit den Gepflogenheiten anderer israelischer Bevölkerungsgruppen stellt eine große Herausforderung dar. Die Bemühungen um den Erhalt der äthiopischen Kultur waren oft zögerlich, unsystematisch und unwissenschaftlich, obwohl israelische Soziologen auf die Schwierigkeit des Erhalts hinwiesen, da das kulturelle Wissen hauptsächlich mündlich tradiert wurde und der Tod älterer Menschen dem Verlust einer Bibliothek gleichkommt. Der Bereich der Folklore wird besser gepflegt, während andere Aspekte der Tradition schwieriger zu bewahren sind. Die Bemühungen zur schriftlichen Fixierung von Traditionen und deren Aufzeichnung auf Tonträgern sind von großer Bedeutung für den kulturellen Erhalt. Trotz aller Integrationsbemühungen und dem Bemühen, die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden, konnte die äthiopische Kultur in Israel nur schwer bewahrt werden. Die Dokumentation der äthiopischen Kultur in Israel ist jedoch ein wichtiger Schritt zum kulturellen Erhalt. Die äthiopischen Jugendlichen suchen einen eigenen Lebensstil, der oft eine Mischung aus israelischen, afrikanischen und afroamerikanischen Aspekten beinhaltet, mit Vorbildern aus dem afrikanisch-amerikanischen Kulturraum.
3. Integration und Herausforderungen der Gegenwart
Trotz der Integrationsbarrieren stellt die Eingliederung der äthiopischen Juden einen bedeutenden Schritt in Richtung einer multikulturellen Gesellschaft dar. Äthiopische Soldaten und Rekruten gehören zum Alltag Israels. Die Zahl der äthiopischen Studenten an Universitäten nimmt zu. Projekte, die sowohl die israelische als auch die äthiopische Geschichte vermitteln (z.B. Zirkel in Hebräisch und Amharisch), bieten Hoffnung auf eine bessere Integration. Dennoch bleibt der Integrationsprozess der äthiopischen Juden eine langfristige Aufgabe. Obwohl die Regierung erhebliche Ressourcen für die Integration aufwendet, bestehen weiterhin Probleme wie unterdurchschnittliche Schulergebnisse und eine hohe Arbeitslosigkeit unter älteren Immigranten (zwei Drittel der über 44-Jährigen sind arbeitslos). Der niedrige Lebensstandard vieler äthiopischer Familien zeigt, dass noch viel getan werden muss, um eine vollständige Integration zu erreichen. Die Beita Israel wurden, ähnlich wie die Mizrachim, zunächst in Entwicklungsstädten angesiedelt, was die Gefahr einer Gettobildung in sich birgt. Die hohe Analphabetenrate bei den Eltern erschwert die Integration.
VII.Religion und Staat in Israel Spannungen und Herausforderungen
Die Beziehung zwischen Religion und Staat in Israel ist von Spannungen geprägt. Der 'Status quo' zwischen säkularen und religiösen Gruppen, inkl. der Ultraorthodoxen, ist nicht unumstritten und wird immer wieder zu Konflikten. Die Frage der Trennung von Religion und Staat, insbesondere bezüglich des Shabbats und religiöser Vorschriften, ist ein zentraler Streitpunkt. Der Konflikt um die Bar-Ilan Straße in Jerusalem veranschaulicht die Auseinandersetzungen zwischen säkularen und ultraorthodoxen Israelis. Die Rolle der Religion in der israelischen Identität ist komplex und beeinflusst viele Aspekte des öffentlichen Lebens.
1. Der Status Quo Eine Vereinbarung zwischen Säkularen und Religiösen
Die Beziehung zwischen Religion und Staat in Israel wird durch den 'Status quo' geprägt, einer informellen Vereinbarung zwischen säkularen und religiösen Zionisten sowie ultraorthodoxen Juden. Dieser Kompromiss vermeidet eine strikte Trennung von Staat und Religion und beinhaltet verschiedene Regelungen. Der Schabbat ist offizieller Ruhetag, koscheres Essen wird in staatlichen Institutionen angeboten, orthodoxe Schulen genießen Autonomie und Ultraorthodoxe sind von der Wehrpflicht befreit. Das Rabbinat hat die Entscheidungsgewalt in Fragen des Familienrechts (Eheschließung, Scheidung). Der Status quo ist nicht gesetzlich fixiert und kann somit an neue Gegebenheiten angepasst werden. Für viele Israelis sind jüdische Religion und Nationalität untrennbar miteinander verbunden; jüdisch-religiöse Traditionen wurden von den Gründervätern als wichtiges Element für die Entwicklung eines kollektiven Nationalbewusstseins angesehen. Die Religion spielte somit eine integrative, aber auch spaltende Rolle in der israelischen Gesellschaft. Die Integration der Religion in den israelischen Alltag steht im Gegensatz zum aschkenasischen Judentum, wo die Trennung zwischen religiösen und säkularen Aktivitäten klarer ist.
2. Spannungen zwischen Säkularen und Ultra Orthodoxen
Die Spannungen zwischen säkularen und ultraorthodoxen Juden führen immer wieder zu Konflikten und offenen Konfrontationen, bis hin zu Gewalt. Ein Beispiel dafür ist der langjährige Konflikt um die Bar-Ilan-Straße in Jerusalem. Diese wichtige Verkehrsader verläuft durch ein ultraorthodoxes Viertel, dessen Bewohner die Sperrung der Straße am Schabbat fordern. Die Auseinandersetzungen zwischen Ultraorthodoxen, die Straßenblockaden errichten, und säkularen Anwohnern, die die Straße demonstrativ befahren, erreichten immer wieder heftige Eskalationen (Steinewürfe, Wasserwerfer). Der Oberste Gerichtshof musste 1996 über die Schließung der Straße entscheiden und fand einen Kompromiss: Sperrung während der Gebetszeiten, Öffnung zu anderen Zeiten. Der Konflikt flammte 2003 erneut auf, auch im Zusammenhang mit der Wahl des ersten orthodoxen Bürgermeisters von Jerusalem, Uri Lupianski. Der Konflikt an der Bar-Ilan-Straße verdeutlicht den 'Kulturkampf' zwischen säkularen und ultraorthodoxen Israelis, der um die Rolle der Religion im öffentlichen Leben geführt wird und die Frage nach der Trennung von Religion und Staat aufwirft. Die religiösen Aspekte des alltäglichen Lebens sind besonders in sephardischen/mizrachischen Gemeinden präsent, im Gegensatz zu aschkenasischen Gemeinden.
3. Religion Nation und Staat Ein komplexes Verhältnis
Die Frage nach der Beziehung zwischen Religion und Staat in Israel ist untrennbar mit der Frage nach der Rolle der Religion in der israelischen Nationalität verbunden. Für viele Israelis sind jüdische Religion und jüdische Nationalität nicht zu trennen. Die Gründerväter sahen in jüdisch-religiösen Traditionen ein wichtiges Element für die Entwicklung des kollektiven Nationalbewusstseins und sie hatten eine integrative Funktion. Wichtige religiöse Ereignisse wie Beschneidung, Bar- und Bat-Mizwa sowie traditionelle Hochzeiten sind zentral für das jüdische Leben und die israelische Identität. Trotz der integrativen Funktion der Religion zeigt sich gleichzeitig eine zunehmende Spaltungswirkung. Die wachsenden Gegensätze und Streitpunkte zwischen religiösen und nichtreligiösen Israelis führen zu einer zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft. Der Status Quo wird immer wieder infrage gestellt, unter anderem durch Modernisierungsprozesse, technologischen Fortschritt und die Betonung von Materialismus und Individualismus. Viele säkulare Juden fordern die Öffnung von Geschäften und Einkaufszentren am Schabbat, was zu weiteren Spannungen führt. Die religiöse Zugehörigkeit ist auch ein wichtiger Faktor in der sozialen und politischen Stratifizierung.
VIII.Globalisierung und der Wandel der israelischen Identität
Die Globalisierung hat tiefgreifende Auswirkungen auf die israelische Gesellschaft. Westliche Einflüsse prägen Medien, Kultur und Konsumverhalten. Der Materialismus und Individualismus nehmen zu, was zu Spannungen zwischen verschiedenen Generationen (z.B. Palmach-Generation vs. heutige Sabras) führt. Die Globalisierung verstärkt soziale und ethnische Ungleichheiten und schwächt die soziale Solidarität. Sie steht im Widerspruch zum ursprünglichen Ideal des 'Schmelztiegels'.
1. Globalisierungseinflüsse und der Wandel des israelischen Lebensstils
Israel ist seit seiner Gründung westlichen Einflüssen ausgesetzt, ein Prozess, der durch die Globalisierung verstärkt wird. Medien, Sport, Kultur, Freizeit und das Rechtssystem zeigen eine deutliche westliche Ausrichtung. Die Globalisierung führt zu mehr Materialismus, Individualismus, Konsumorientierung und Pragmatismus in der israelischen Gesellschaft. Diese Merkmale prägen besonders die heutige Sabra-Generation, die im Gegensatz zur Palmach-Generation steht, welche das Ideal des 'neuen Hebräers' der Gründergeneration verkörperte. Die Globalisierung schwächt die gesellschaftliche Solidarität und verstärkt Klassenunterschiede. Sie bietet Menschen mit Know-how, Initiative und Beziehungen mehr Chancen, während die unteren Schichten durch Gehaltskürzungen und die Konkurrenz durch billige ausländische Arbeitskräfte benachteiligt werden. Von diesen Entwicklungen profitieren vor allem die säkularen, bessergestellten Aschkenasim, während traditionelle Mizrachim und andere ethnische Gruppen der unteren Schichten stärker von den negativen Folgen betroffen sind. Die Globalisierung vergrößert somit soziale und ethnische Ungleichheiten in Israel, im Gegensatz zum ursprünglichen 'Schmelztiegel'-Konzept, das auf sozialer Gleichheit beruhte.
2. Innere Entwicklungen und der Rückgang zionistischer Ideale
Nach dem Ende des Kalten Krieges und den Friedensvereinbarungen mit Ägypten (1979), der Palästinensischen Autonomiebehörde (Oslo-Abkommen) und Jordanien, gab es verstärkte Bemühungen um die Formung eines israelischen Lebensstils und die Definition des Charakters der jüdischen Nation und ihres Landes. Ziel war mehr persönliche Freiheit und Unabhängigkeit und weniger religiöser Zwang. Das Erstarken ethnisch orientierter Parteien (zuerst Mizrachim, später Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion) war ein Ausdruck dieser Tendenzen. Im kulturellen Bereich zeigt sich der Wandel durch den Rückgang der Bedeutung von Jugendbewegungen und deren Idealen (Einfachheit, Arbeitsmoral, Kollektiv) zugunsten westlicher Unterhaltungsformen, mit Betonung von Materialismus und Individualismus. Weitere Veränderungen sind die steigende Zahl an Wehrdienst- und Reservistenverweigerern, der geschwächte Status der Kibbuzim und die Bemühungen säkularer Kräfte um eine Änderung des Status quo bezüglich religiöser Angelegenheiten, um den Einfluss der Religion auf das öffentliche Leben einzuschränken. Die zionistischen Ideale der Gründergeneration verlieren an Bedeutung.
3. Pluralität der Kulturen und die Herausbildung einer israelischen Identität
Die Entwicklung Israels ist geprägt von einer Pluralität an Lebensweisen und Kulturen, die sich gegenseitig beeinflussen. Politische Gegebenheiten und die israelische Alltagskultur prägen zunehmend alle nationalen, religiösen und kulturellen Bereiche, einschließlich der arabischen Minderheit. Dies deutet auf eine langsame Herausbildung von Grundzügen einer israelischen Identität hin. Trotzdem bleibt die Unterteilung der Gesellschaft in verschiedene Gruppenidentitäten offensichtlich. Diese pluralistischen kulturellen Strukturen bedeuten nicht automatisch eine multikulturelle Gesellschaft im eigentlichen Sinne. Der immer noch präsente Zionismus mit seiner Ideologie der Hegemonie stellt eine Barriere dar; Multikulturalität wird als Zeichen von Schwäche und ein Produkt der Diaspora gesehen. Strukturen der Dominanz, trotz Bemühungen um Gleichstellung, hindern ebenfalls die Entwicklung einer multikulturellen Gesellschaft. Die Aschkenasim befinden sich weiterhin in einer besseren Position als andere Gruppen. Die israelische Gesellschaft besteht aus verschiedenen Gruppen mit eigenen kulturellen Merkmalen, wie z.B. russische Immigranten, Äthiopier, ultraorthodoxe Aschkenasim, traditionelle Mizrachim und die arabische Minderheit. Eine 'Israeliness' entsteht durch die wechselseitige Beeinflussung verschiedener Kulturen und Lebensweisen, jedoch ohne ein homogenes Bild der israelischen Identität zu schaffen.