
Geschlechter-Geschichten: Zur Konstituierung des Politischen in der kleindeutschen Nationalhistoriographie
Dokumentinformationen
Autor | Svenja Kaduk |
instructor | Prof. Dr. Martina Kessel |
Schule | Universität Bielefeld |
Veröffentlichungsjahr | 2020 |
Ort | Bielefeld |
Dokumenttyp | thesis |
Sprache | German |
Seitenanzahl | 223 |
Format | |
Größe | 1.69 MB |
- Geschlechterforschung
- Nationalhistoriographie
- Politik im 19. Jahrhundert
Zusammenfassung
I. Einleitung
Die Untersuchung der Geschlechter-Geschichten fokussiert auf die Konstituierung des Politischen in der kleindeutschen Nationalhistoriographie des 19. Jahrhunderts. Die Geschichtsschreibung wird als ein Prozess betrachtet, der sowohl die Gegenwart als auch die Zukunft einer Nation prägt. Die Politisierung der Historie und die Historisierung der Politik sind zentrale Themen, die in dieser Arbeit behandelt werden. Die Autorin argumentiert, dass die Kategorie Geschlecht eine entscheidende Rolle bei der Konstruktion politischer Identitäten spielt. Diese Hypothese wird durch die Analyse narrativer Strukturen und symbolischer Codierungen untermauert. Die Arbeit untersucht, wie männliche und weibliche Figuren in der Geschichtsschreibung positioniert werden und welche geschlechterspezifischen Konnotationen dabei eine Rolle spielen. Die Untersuchung zeigt, dass die Geschichtswissenschaft nicht nur historische Fakten vermittelt, sondern auch zur Identitätsbildung beiträgt. Die Erfindung der Nation wird als ein Prozess verstanden, der durch Geschichtserzählungen unterstützt wird, die sowohl sinnstiftend als auch identitätsstiftend wirken.
II. Strukturelle und Quantitative Analyse
In diesem Abschnitt wird eine strukturelle Analyse der zentralen Texte der Nationalhistoriographie durchgeführt. Die Autorin identifiziert verschiedene narrative Muster, die in den Werken von Historikern wie Ranke, Droysen und Treitschke vorkommen. Diese Muster sind entscheidend für das Verständnis, wie Männlichkeit und Weiblichkeit in der Geschichtsschreibung konstruiert werden. Die quantitative Analyse ergänzt diese Betrachtung, indem sie die Häufigkeit bestimmter Begriffe und Konzepte untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die männlich-bürgerlichen Ideale in der Geschichtsschreibung überproportional vertreten sind. Die Analyse der Narrative und deren Einfluss auf die politische Identität der Bürger wird als zentral für das Verständnis der deutschen Nationalgeschichte betrachtet. Die Autorin schlussfolgert, dass die Geschichtswissenschaft nicht nur als Archiv der Vergangenheit fungiert, sondern aktiv an der Gestaltung der politischen Realität beteiligt ist.
III. Geschlecht Staat Ordnung
Dieser Abschnitt behandelt die Beziehung zwischen Geschlecht, Staat und Ordnung. Die Autorin analysiert, wie Narrative Subjektentwürfe und Grenzziehungen in der Geschichtsschreibung verwendet werden, um politische Identitäten zu formen. Die Untersuchung von Maria Theresia und ihren Brüdern verdeutlicht, wie Weiblichkeit und Männlichkeit in der politischen Sphäre interpretiert werden. Die Autorin argumentiert, dass die Darstellung von Herrschaft in der Geschichtsschreibung oft geschlechtsspezifische Codes verwendet, um die Machtverhältnisse zu legitimieren. Die Analyse zeigt, dass die männlichen Herrschaftsmodelle in der Geschichtsschreibung dominieren, während weibliche Herrschaft oft als abweichend oder unkonventionell dargestellt wird. Diese Erkenntnisse sind entscheidend für das Verständnis der politischen Kultur im 19. Jahrhundert und deren Auswirkungen auf die moderne Geschlechterordnung.
IV. Fazit und Ausblick
Im Fazit wird die zentrale These der Arbeit zusammengefasst: Die Konstituierung des Politischen ist untrennbar mit der Konstruktion von Geschlecht verbunden. Die Autorin hebt hervor, dass die Geschichtswissenschaft nicht nur historische Ereignisse dokumentiert, sondern auch aktiv an der Formung von Identitäten und Machtstrukturen beteiligt ist. Die Analyse der geschlechterhistorischen Narrative bietet wertvolle Einblicke in die politische Sozialisation und die Identitätsbildung im 19. Jahrhundert. Die Arbeit regt dazu an, die Rolle der Geschlechterkonstruktionen in der Geschichtsschreibung weiter zu erforschen und deren Einfluss auf die gegenwärtige politische Landschaft zu hinterfragen. Die Erkenntnisse sind nicht nur für die Geschichtswissenschaft von Bedeutung, sondern auch für die Gender Studies und die Politikwissenschaft, da sie die Verflechtungen zwischen Geschlecht und Politik beleuchten.
Dokumentreferenz
- Imagined communities: reflections on the origin and spread of nationalism (Benedict Anderson)
- Das Sagbare und das Machbare. Zum Wandel politischer Handlungsspielräume England 1780-1867 (Willibald Steinmetz)
- Geschichte (Reinhart Koselleck)
- Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten (Reinhart Koselleck)
- Die Polarisierung der „Geschlechtscharaktere“ – Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben (Karin Hausen)