Generationenwechsel und Generationenkonflikt im amerikanischen Gegenwartsroman : mit einem Ausstellungsprojekt

Generationenkonflikt im US-Roman

Dokumentinformationen

Autor

Jonathan Franzen

instructor Prof. Dr. Volker Wehdeking
Schule

Fachhochschule Stuttgart – Hochschule der Medien

Fachrichtung Bibliotheks- und Medienmanagement
Dokumenttyp Diplomarbeit
Ort Stuttgart
Sprache German
Format | PDF
Größe 1.08 MB

Zusammenfassung

I.Der Generationenwechsel in der amerikanischen Literatur der 1990er Jahre und die Romane von Franzen Eugenides und O Nan

Die Analyse beleuchtet den Generationenkonflikt in der amerikanischen Literatur der 1990er, wobei der Fokus auf den Aufstieg einer neuen Generation von Autoren wie Jonathan Franzen, Jeffrey Eugenides und Stewart O’Nan liegt. Während etablierte Postmoderne Autoren wie Updike und Roth weiterhin publizierten, setzten sich Franzen, Eugenides und O’Nan mit ihren Werken wie The Corrections, Middlesex und Abschied von Chautauqua (Wish You Were Here) zunächst schwer durch. Franzens The Twenty-Seventh City (Die 27ste Stadt) und Strong Motion erhielten zwar kritisches Lob, erreichten aber keine breite Leserschaft. Ähnliches erlebte Eugenides mit The Virgin Suicides (Die Selbstmord-Schwestern). Der Durchbruch gelang Franzen erst 2001 mit The Corrections, Eugenides 2002 mit Middlesex. O’Nan fand seinen Erfolg mit The Speed Queen.

1. Der anbrechende Generationenwechsel in der amerikanischen Literatur

Der Text beschreibt einen sich abzeichnenden Generationenwechsel in der amerikanischen Literatur der 1990er Jahre. Während etablierte Autoren wie John Updike, Philip Roth, Saul Bellow, Don DeLillo und Thomas Pynchon weiterhin erfolgreich publizierten, und Autoren der 80er Jahre wie Richard Ford und Paul Auster weiterhin eine bedeutende Rolle spielten, tat sich eine neue Generation von Schriftstellern schwer, die Vorherrschaft zu übernehmen. Zu dieser neuen Generation gehören neben Jonathan Franzen und Jeffrey Eugenides auch David Foster Wallace, Richard Powers, Stewart O’Nan, Rick Moody und Donald Antrim. Es wird deutlich, dass der Übergang nicht reibungslos verlief und die neuen Autoren zunächst Schwierigkeiten hatten, die etablierten Autoren abzulösen. Die „Granta“-Liste der „Best of the Young American Novelists 1996“ wird als Beispiel für die Anerkennung einer neuen Generation angeführt, ohne dass dies automatisch zu großem kommerziellem Erfolg führte. Franzen und Eugenides erlebten dies selbst, bevor sie mit „The Corrections“ und „Middlesex“ den Durchbruch schafften. Der Text impliziert einen Kampf um Anerkennung und den Erfolg im literarischen Feld.

2. Jonathan Franzens schwieriger Weg zum Erfolg

Jonathan Franzen unternahm bereits 1988 mit seinem Roman The Twenty-Seventh City (Die 27ste Stadt) und 1992 mit Strong Motion den Versuch, durch kulturkritische Romane die Gesellschaft zu beeinflussen. Obwohl er von Kritikern hochgelobt wurde, fehlte ihm der große Erfolg beim Publikum. Sein erster Roman thematisierte den Niedergang seiner Heimatstadt St. Louis und eine indisch-stämmige Polizeichefin, die mit Gewalt und Angst ein indisches Machtkartell aufbaut – ein Spiegelbild der amerikanischen Gesellschaft unter Reagan. Die persönliche Enttäuschung und der Scheitern seines Anspruchs, einen bedeutenden Gesellschaftsroman zu schreiben, werden hervorgehoben. Der Text beschreibt Franzens Ehe-Scheitern 1992 und die fortschreitende Erkrankung seines Vaters an Alzheimer als weitere prägende Erlebnisse. Diese Erfahrungen beeinflussten später seinen erfolgreichen Roman The Corrections, in dem der an Demenz leidende Alfred Lambert eine zentrale Rolle spielt. Ein 1996 in Harper’s Magazine erschienener Essay, „Perchance to Dream“, zeigt Franzens Enttäuschung über den Niedergang des sozialkritischen Romans im Angesicht des Fernsehens. Franzen plädiert für eine stärkere Fokussierung auf die individuellen Schicksale als Weg zu einem zeitgemäßen Gesellschaftsroman, was sich letztlich als erfolgreich für seinen eigenen Werdegang erweisen sollte.

3. Jeffrey Eugenides und der vergleichbare anfängliche Misserfolg

Ähnlich erging es Jeffrey Eugenides, dessen Debütroman The Virgin Suicides (Die Selbstmord-Schwestern) 1993 erschien und ebenfalls positive Kritiken erhielt, aber keinen großen Lesererfolg verbuchte. Trotz der Aufnahme auf die „Granta“-Liste der besten jungen amerikanischen Romanautoren von 1996 blieb er der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Der Text unterstreicht die Parallelen zu Franzens Erfahrung: Beide Autoren wurden von Kritikern geschätzt, erreichten aber zunächst nur einen begrenzten Leserkreis. Der internationale Erfolg von Eugenides kam erst später, verbunden mit der Verfilmung von The Virgin Suicides durch Sofia Coppola. Dieser Teil des Textes untermauert die These vom langsamen und schwierigen Generationenwechsel in der amerikanischen Literatur und verdeutlicht, dass kritisches Lob nicht immer mit kommerziellem Erfolg einhergeht. Die Erfahrung von Eugenides und Franzen verdeutlicht die Herausforderungen, die junge Autoren in einem von etablierten Größen dominierten Markt zu bewältigen haben. Der Text legt nahe, dass der Erfolg oft erst mit der Zeit und gegebenenfalls mit Hilfe anderer Medien eintritt.

4. Stewart O Nans Weg vom Ingenieur zum Schriftsteller

Stewart O’Nan, zunächst Luft- und Raumfahrtingenieur, wechselte nach einem Masterstudium der Literatur an der Cornell University 1991 seine Karriere und widmete sich dem Schreiben. Sein erster Roman Transmission (1987) fand kaum Beachtung. Der Text betont O’Nans Karrierewechsel, der von einem Ratschlag seiner Frau beeinflusst wurde. O’Nan beschreibt seine Umorientierung selbst mit den Worten „from wrecking planes to examining the wreckage of human lives“, was die Thematik seiner späteren Romane vorwegnimmt. Auch O’Nan wurde 1996 von „Granta“ als einer der besten jungen amerikanischen Autoren ausgezeichnet, ohne dass dies sofort zu kommerziellem Erfolg führte. Der Text beschreibt seinen Weg, mit Lehrtätigkeiten seinen Lebensunterhalt zu sichern, bevor er mit The Speed Queen (1997) seinen internationalen Durchbruch feierte. Dieser Roman, der sich mit der amerikanischen Medienbesessenheit und der Faszination für Serienmörder auseinandersetzt, zog sogar Quentin Tarantino als potentiellen Regisseur an. Der Text hebt O’Nans weitere Werke hervor, darunter A Prayer for the Dying (Das Glück der anderen) und A Good Day to Die (Ortegas Finale), das unter Pseudonym erschien.

II.Jonathan Franzen und The Corrections Gesellschaftskritik und Familienkonflikte

Jonathan Franzen's The Corrections untersucht den Generationenkonflikt innerhalb einer amerikanischen Familie, der Familie Lambert. Der Roman, mit seinen Hauptfiguren Alfred (der an Alzheimer erkrankte Vater), Enid (die Mutter), Gary (der erfolgreiche Banker), Chip (der gescheiterte Akademiker) und Denise (die Tochter mit Identitätsproblemen), zeigt den Verfall der amerikanischen Gesellschaft während der Reagan-Ära und die Schwierigkeiten, sich an verändernde gesellschaftliche Normen anzupassen. Der Roman zeichnet ein Bild des sozialen Niedergangs in Amerika und die Auswirkungen auf die einzelnen Familienmitglieder. St. Louis, die Heimatstadt Franzens und Schauplatz seines ersten Romans, dient als Metapher für diesen Niedergang.

1. Gesellschaftskritik in The Corrections

Franzens Roman The Corrections bietet eine scharfe Gesellschaftskritik, die sich insbesondere mit dem Verfall der amerikanischen Gesellschaft während der Reagan-Ära auseinandersetzt. Die Geschichte der Familie Lambert dient als Metapher für diesen Niedergang. Franzen nutzt den Roman nicht nur zur Gesellschaftskritik, sondern auch als eine Art Abrechnung mit der Generation seiner Eltern. Der Niedergang der Heimatstadt St. Louis, wie in Franzens erstem Roman The Twenty-Seventh City dargestellt, findet hier seine Fortsetzung auf der Ebene der Familie. Die Familie Lambert steht symbolisch für die Verwerfungen und Krisen der amerikanischen Gesellschaft: materielle Überfluss und gleichzeitig die wachsende Kluft zwischen den Generationen und der Verlust an gemeinsamen Werten. Die Figur der indisch-stämmigen Polizeichefin in The Twenty-Seventh City, die zwar energisch vorgeht, aber letztlich nur ihre eigenen Interessen verfolgt, kann als Vorbote der Entwicklungen in The Corrections gesehen werden, wo die einzelnen Familienmitglieder ebenfalls egozentrisch handeln und ihre eigenen Probleme nicht lösen können. Franzens anfängliche Enttäuschung über den mangelnden Erfolg seiner kulturkritischen Romane kulminiert in The Corrections, in dem er einen neuen Weg findet, seine Gesellschaftskritik über die individuelle Ebene der Familiengeschichte auszudrücken.

2. Familienkonflikte und das Motiv der Korrektur

Im Zentrum von The Corrections steht der Generationenkonflikt innerhalb der Familie Lambert. Die Kinder – Gary, Chip und Denise – versuchen, ihr Leben anders zu gestalten als ihre Eltern, Alfred und Enid, was zu Konflikten führt. Das Leitmotiv des Romans ist die „Korrektur“: Die Kinder versuchen permanent, ihre Leben zu korrigieren, um nicht den Fehlern ihrer Eltern zu folgen. Gary, der äußerlich den Erwartungen der Eltern entspricht, kämpft mit Depressionen und einer Ehekrise. Chip, das „schwarze Schaf“ der Familie, versucht nach dem Verlust seines Jobs als Literaturprofessor eine neue Karriere aufzubauen und gerät in kriminelle Machenschaften. Denise, die jüngste Tochter, experimentiert mit Beziehungen und sucht ihre Identität, ohne dabei dauerhaften Erfolg zu finden. Der Wunsch von Enid, die Familie zu einem letzten gemeinsamen Weihnachtsfest in St. Jude zu versammeln, fungiert als struktureller Rahmen, der die einzelnen Handlungsstränge des Romans verbindet. Die multipersönliche Erzählweise und die nicht-lineare Struktur des Romans spiegeln die komplexen und vielschichtigen Beziehungen innerhalb der Familie wider. Der Roman endet nicht mit einer endgültigen Auflösung der Konflikte, aber mit einer Art von Versöhnung und Akzeptanz des Scheiterns und der Unvollkommenheit.

3. Charakterisierung der Hauptfiguren

Der Text beschreibt die Hauptfiguren von The Corrections detailliert. Alfred Lambert, der alte Vater, ist ein ehemaliger Ingenieur, der nach seiner Pensionierung in Depressionen verfällt. Gary, der älteste Sohn, ist ein erfolgreicher Banker, der jedoch mit einer Ehekrise und Depressionen zu kämpfen hat. Seine Frau Caroline ist eine attraktive und erfolgreiche Anwältin, die mit ihren Methoden der „psychologischen Kriegsführung“ die Ehe zusätzlich belastet. Chip, der zweitälteste Sohn, ist ein gescheiterter Akademiker, der auf der Suche nach sich selbst ist. Denise, die jüngste Tochter, versucht, ihre Beziehung zur Mutter zu verbessern und eine andere Lebensperspektive als ihre Eltern zu finden. Die Charakterisierung der Familienmitglieder macht deutlich, wie die gesellschaftlichen Entwicklungen und die Generationenkonflikte die einzelnen Familienmitglieder beeinflussen und wie sie versuchen, mit der Realität umzugehen. Franzen verwendet die Hauptpersonen als repräsentative Figuren des amerikanischen Durchschnittsbürgers, um die komplexen gesellschaftlichen Probleme auf einer persönlichen Ebene zu erkunden.

4. Erzählstruktur und Stil

Franzens Roman Die Korrekturen ist in sieben Kapitel unterteilt, von denen jedes einem Protagonisten gewidmet ist. Die Kapitel sind in sich geschlossen, werden aber durch Enids Wunsch nach einem gemeinsamen Weihnachtsfest verbunden. Die Erzählstruktur ist nicht linear; Rückblenden erweitern die Perspektive und Kontextualisierung der Ereignisse. Die Literaturwissenschaftlerin Susanne Rohr vergleicht den Aufbau mit einer klassischen Symphonie. Franzens Erzählstil zeichnet sich durch eine realistische Darstellung der menschlichen und sozialen Typik aus; die Hauptpersonen sind „rhetorische Figuren“, die komplexe Verhaltensmuster verdeutlichen. Der Einsatz von Humor lockert die oft ernste Thematik auf, ein Stilmittel, das bereits im literarischen Realismus verwendet wurde. Franzen konzentriert sich in The Corrections im Gegensatz zu seinem ersten Roman, der den Verfall einer ganzen Stadt beschreibt, auf die einzelnen Familienmitglieder und deren individuelle Probleme, was letztendlich zum Erfolg des Romans beitrug.

III.Stewart O Nan und Abschied von Chautauqua Familiendynamik und Verlust

Stewart O’Nan's Abschied von Chautauqua (Wish You Were Here) konzentriert sich auf die Familie Maxwell und deren jährlichen Aufenthalt am Lake Chautauqua. Der Roman thematisiert den Verlust des Ehemannes und die anstehende Aufgabe des Sommerhauses, was zu Konflikten innerhalb der Familie führt. Die multiperspektivische Erzählweise erlaubt es O’Nan, die komplizierten Beziehungen zwischen Emily (die Witwe), Kenneth (der Sohn), Lise (die Schwiegertochter), Margaret (die Tochter mit Alkoholproblemen), und deren Kindern darzustellen. Der Roman beleuchtet die Familiendynamik unter dem Einfluss von Trauer, Verlust und dem Drang, sich an die veränderten Lebensumstände anzupassen.

1. Familiendynamik in Abschied von Chautauqua

Stewart O’Nans Roman Abschied von Chautauqua (im englischen Original: Wish You Were Here) schildert den jährlichen Familienausflug der Maxwells an den Lake Chautauqua. Auf den ersten Blick erscheint die Familie glücklich und harmonisch; doch der Tod des Familienvaters Henry vor einem Jahr und der bevorstehende Verkauf des seit Generationen im Familienbesitz befindlichen Sommerhauses stürzen die Familie in eine Krise. Emily, die Witwe, versucht sich an ein Leben ohne ihren Mann zu gewöhnen und mit den Erinnerungen an glücklichere Zeiten fertig zu werden. Der Roman zeigt die unterschiedlichen Reaktionen der Familienmitglieder auf den Verlust und den bevorstehenden Abschied von einem wichtigen Ort ihrer Familiengeschichte. Der Verkauf des Sommerhauses steht symbolisch für den Zerfall der Familiengemeinschaft und den Umgang mit Verlusten. Die Familie besteht aus Emily, Kenneth und seiner Frau Lise mit ihren Kindern Ella und Sam, sowie Margaret und deren Kindern Sarah und Justin und Emilys alleinstehender Schwägerin Arlene. Der Familienhund Rufus wird ebenfalls als Protagonist erwähnt.

2. Multiperspektivische Erzählweise und der Umgang mit Konflikten

O’Nan verwendet eine multiperspektivische Erzählweise; nach jedem kurzen Kapitel wechselt die Perspektive, wodurch der Leser Einblick in die Gedanken und Gefühle jedes einzelnen Familienmitglieds, inklusive des Hundes Rufus, erhält. Diese Technik ermöglicht es dem Leser, die Handlungen der Personen besser zu verstehen und den Informationsvorsprung gegenüber den einzelnen Protagonisten zu nutzen. Diese Erzählweise dient nicht der Entlarvung, sondern der Schaffung einer unaufdringlichen Anteilnahme. Die multiperspektivische Erzählweise verhindert, dass der Leser sich nur auf eine Seite stellt, da Konflikte von allen Seiten beleuchtet werden. Jeder Konflikt wird durch die jeweilige Perspektive relativiert, was den Anschein von Objektivität erzeugt. Ein Beispiel ist der Konflikt zwischen Lise und Emily, der aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und dadurch differenzierter dargestellt wird. Der Roman zeigt somit die Komplexität der Familienbeziehungen und den Umgang mit Konflikten auf vielschichtige Weise, ohne ein endgültiges Urteil abzugeben.

3. Charakterisierung der Hauptfiguren und der Generationenkonflikt

Der Roman beschreibt die Familie Maxwell und ihre individuellen Herausforderungen. Emily, die etwa siebzigjährige Witwe, ist die treibende Kraft in der Familie gewesen, während Henry, ihr verstorbener Mann, eher zurückhaltend war. Emily neigt zu hilfloser Wut, die Henry während seiner Lebenszeit zu kontrollieren vermochte. Nach seinem Tod befürchtet sie, ihre Wut an anderen auszulassen. Margaret, Emilys Tochter, kämpft mit Alkoholismus und einem gescheiterten Verhältnis zu ihren Kindern. Kenneth, Emilys Sohn, träumt von einer Karriere als Fotograf, muss aber aus finanziellen Gründen einen anderen Beruf ausüben. Der Roman beleuchtet die unterschiedlichen Generationen innerhalb der Familie, mit Emily und Arlene als ältere Generation, Margaret, Kenneth und Lise als mittlere Generation, und Sarah, Ella, Justin und Sam als jüngste Generation. Die räumliche Nähe im Sommerhaus verstärkt die Konflikte und Erinnerungen an frühere Kränkungen, besonders durch den bevorstehenden Abschied vom Sommerhaus. Die unterschiedlichen Wünsche und Werte der Generationen führen zu Auseinandersetzungen, aber auch zu einem zaghaften Versuch, gegenseitiges Verständnis zu entwickeln.

4. Stilistische Analyse und das Motiv des Generationenkonfliktes

O’Nans Roman folgt der realistischen Erzähltradition des 19. Jahrhunderts, ohne die soziale Typik wie Franzen hervorzuheben. Die Familie Maxwell ist während ihres Aufenthalts in Chautauqua von der Außenwelt abgeschottet; gesellschaftliche und politische Themen spielen eine untergeordnete Rolle. Die Sprache ist nüchtern und präzise; im Gegensatz zu Franzen verzichtet O’Nan auf Humor oder Ironie. Der bevorzugte Satzbau ist parataktisch. Der Erzählstil nutzt innere Monologe und erlebte Rede, um die Gedanken und Gefühle der Protagonisten zu vermitteln. Der Roman thematisiert den Generationenkonflikt vor allem durch die „erzwungene Intimität“ des Sommerhauses. Die räumliche Nähe führt zu Konflikten, die auf ungelöste Probleme aus der Vergangenheit zurückgehen. Der Roman zeigt, wie die verschiedenen Generationen versuchen, mit dem Verlust des Sommerhauses, dem Verlust des Vaters und den eigenen Lebenskrisen umzugehen. Erinnerungen an die Vergangenheit spielen dabei eine zentrale Rolle, da es an Zukunftsperspektiven mangelt. Trotz der ungelösten Konflikte gibt es Ansätze zu Versöhnung und einem gesteigerten Verständnis füreinander.

IV.Jeffrey Eugenides und Middlesex Einwanderergeschichte Identität und Hermaphroditismus

Jeffrey Eugenides'Middlesex ist ein Einwanderer-Epos und ein Entwicklungsroman, der die Geschichte der Familie Stephanides, griechischer Einwanderer in den USA, nachzeichnet. Im Mittelpunkt steht Calliope/Cal Stephanides, ein Hermaphrodit, dessen Geschichte die komplexen Themen von Identität, Generationenkonflikt, kultureller Anpassung und gesellschaftlicher Akzeptanz beleuchtet. Der Roman verwebt die Familiengeschichte mit der Auseinandersetzung mit dem Hermaphroditismus, zeigt die Herausforderungen der Integration und die Auseinandersetzung mit der eigenen sexuellen Identität. Wichtige Figuren sind Lefty und Desdemona (Cals Großeltern), Milton und Tessie (Cals Eltern), und Cal selbst. Die Handlung spielt hauptsächlich in Detroit und Berlin.

1. Einwanderergeschichte und Familiengeschichte in Middlesex

Jeffrey Eugenides' Roman Middlesex erzählt die Geschichte der Familie Stephanides, griechischer Einwanderer in den USA, über mehrere Generationen. Der Roman beginnt mit der Flucht der Großeltern vor dem Völkermord an den griechischen Christen in Kleinasien und endet mit dem Enkel Calliope/Cal Stephanides. Die Einwanderergeschichte der Familie Stephanides ist untrennbar mit dem individuellen Schicksal von Calliope/Cal verwoben, einem Hermaphroditen, und spiegelt die Herausforderungen der Integration in eine neue Kultur wider. Der Roman dokumentiert den Aufstieg der Familie vom bescheidenen Beginn bis zu einem gewissen Wohlstand, aber auch die anhaltenden Schwierigkeiten, gesellschaftlich voll anerkannt zu werden. Die unterschiedlichen Perspektiven der einzelnen Generationen, geprägt durch die unterschiedlichen Erfahrungen im alten und im neuen Land, führen zu einem komplexen Generationenkonflikt. Die Geschichte der Familie Stephanides zeigt auch, wie sich die kulturelle Identität über mehrere Generationen verändert und im Umgang mit einer neuen Kultur neu definiert wird.

2. Identität und der Hermaphroditismus als zentrales Motiv

Das zentrale Thema des Romans ist die Suche nach Identität, verkörpert durch Calliope/Cal Stephanides, ein Hermaphrodit. Calliope wird als Mädchen geboren, aber aufgrund eines seltenen genetischen Defekts (5-alpha-Reduktase-Pseudohermaphroditismus) entwickelt sie sich später zu einem Mann. Der Roman schildert detailliert Calliope/Cals physische und psychische Entwicklung und den Kampf um die eigene Identität und Selbstakzeptanz. Die Entscheidung, als Mann zu leben, löst einen Konflikt innerhalb der Familie und der Gesellschaft aus. Die Beschreibung von Calliopes/Cals körperlicher Veränderung und die Reaktion ihres Umfelds verdeutlicht die Schwierigkeiten, die mit einer andersartigen Identität verbunden sind. Der Text betont die kulturellen und gesellschaftlichen Vorurteile und den Druck, sich an gesellschaftliche Normen anzupassen. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität bildet den roten Faden der Erzählung. Der Roman hinterfragt auch die gesellschaftlichen Konventionen der Geschlechterrollen und beleuchtet die Komplexität von Geschlecht und Identität.

3. Generationenkonflikt und kulturelle Unterschiede

In Middlesex zeigt sich der Generationenkonflikt in zwei Ebenen: Zum einen zwischen der in Kleinasien aufgewachsenen Elterngeneration (Lefty und Desdemona) und ihren in Amerika geborenen Kindern (Milton und Tessie), zum anderen zwischen der mittleren und der jüngsten Generation (Calliope/Cal). Die Einwanderergeneration bringt kulturelle Werte und Traditionen mit, die von den in Amerika aufgewachsenen Kindern oft abgelehnt oder vergessen werden. Milton, der amerikanische Werte verinnerlicht hat, lehnt die griechisch-orthodoxe Religion seiner Eltern ab und identifiziert sich stark mit den USA. Dieser Konflikt wird durch seine Beziehung zu seiner Cousine Tessie und seinen späteren Entscheidungen sichtbar. Der Generationenkonflikt zeigt sich auch in der Beziehung zwischen Milton und seinem Sohn Pleitegeier, der die Werte seiner Großeltern kaum verinnerlicht hat und in einen offenen Konflikt mit seinem Vater gerät. Der Text zeigt, wie sich kulturelle Unterschiede und die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität auf die Familiendynamik auswirken und zu Konflikten zwischen den Generationen führen. Calliopes/Cals Situation verschärft diesen Konflikt zusätzlich.

4. Stilistische Analyse von Middlesex

Eugenides’ Middlesex folgt der realistischen Erzähltradition des 19. Jahrhunderts, integriert aber auch Elemente der Moderne und Postmoderne. Der Roman bietet eine detaillierte Darstellung der Lebenswelt der griechisch-amerikanischen Einwandererfamilie und die gesellschaftlichen Veränderungen, denen sie ausgesetzt ist. Die Figuren repräsentieren nicht nur ihre eigene Lebenswelt, sondern auch das Lebensgefühl einer ganzen Generation amerikanischer Bürger. Neben der realistischen Darstellung finden sich postmoderne Stilmittel wie Zitate aus der Literatur (T.S. Eliot, Sophokles) und der Sachliteratur. Der Text hebt die zahlreichen Anspielungen auf die antike Mythologie hervor, die – angefangen von Calliopes Namen – eine zusätzliche Ebene des Erzählens bilden. Erzählerkommentare werden in die Handlung eingebaut, was die Vielschichtigkeit des Romans unterstreicht. Eugenides verbindet Realismus mit postmoderner Erzähltechnik und verbindet so die Familiengeschichte mit umfassenderen gesellschaftlichen und kulturellen Fragestellungen.